Zug abgefahren?

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
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Vielfahrer
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Zug abgefahren?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

das Schwäbische Tagblatt Tübingen bringt heute folgenden Artikel:

Land erteilt Regionalstadtbahn herben Dämpfer

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat zwei Forderungen der Region Neckar-Alb für die Regionalstadtbahn eine Absage erteilt. Damit droht sogar das unstrittige Modul 1, Elektrifizierung und Ausbau der Strecke von Herrenberg bis Bad Urach, zu scheitern.

Tübingen. Das Landeskabinett hat am Dienstag wie angekündigt beschlossen, den Landesanteilen Modul 1 der Regionalstadtbahn zu übernehmen. Das ist die gute Nachricht für die Verfechter des Verkehrsprojekts. Die schlechte folgte gestern: Die Landesregierung übernimmt weder eine Endfinanzierungsgarantie noch verfolgt sie die Verwirklichung des Bahnprojekts mit hoher Priorität. Beides hatten Vertreter der Region gefordert, allen voran der Tübinger Landrat Joachim Walter und sein Reutlinger Kollege Thomas Reumann.

Bei der sogenannten Endfinanzierungsgarantie geht es um die Übernahme des Bundesanteils von 60 Prozent aller Kosten, falls das Modul bis zum Jahr 2019 nicht vollständig fertig und abgerechnet sein solle. Dann nämlich läuft die gesetzliche Grundlage für die Kofinanzierung mit dem Bund aus. Der müsste dann seinen Anteil nicht mehr bezahlen. Die Vertreter der kommunale Seite lehnen eine Übernahme des Risikos ab. Sie könnten nicht ihren Anteil von 20 Prozent plus 60 Prozent, also 80 Prozent der Kosten tragen. Walter hatte das im Tagblatt als "Kamikazekurs" bezeichnet. Das Land solle einspringen.

Hermann lehnte diese Forderung nun ab. Sein Sprecher Edgar Neumann sagte dem Tagblatt: "Das Land kann den Anteil nicht übernehmen". Dafür reichten die Mittel nicht. Das sei Kabinettsbeschluss. Neumann wies darauf hin, dass das "Mobilitätsnetz Heidelberg", das jetzt zusammen mit der Regionalstadtbahn Neckar-Alb in die Förderliste aufgenommen wurde, selbst für die Endfinanzierung einstehe. Zudem seien zehn andere Bahnprojekte im Land vorher angemeldet gewesen, weiter geplant und teilweise bereits im Bau. Die Region Neckar-Alb sei "verdammt spät dran gewesen", sagte Neumann. Sie könne in der Priorisierung nicht an den anderen vorbeiziehen.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Annette Widmannn-Mauz kritisierte: "Verkehrsminister Hermann lässt nun endlich die Katze aus dem Sack. Aus dem reinen Symbolwillen, eine anteilige Landesfinanzierung in Aussicht zu stellen, ist konkreter Unwille geworden, wenn es darum geht, unseren Kommunen bei den Finanzierungsrisiken unter die Arme zu greifen."

In der gleichen Ausgabe des Schwäbischen Tagblatts bekennen sich in einem anderen Artikel alle Kreistagsfraktionen zur Regionalstadtbahn:

FWV: Der Kreis Tübingen ist an zwei Bahnlinien beteiligt, deren Weiterentwicklung in der Planung ist. Für die Schönbuchbahn wird die Elektrifizierung und Verbesserung geplant. Bei der Ammertalbahn, die in einem ersten Modul der Regionalstadtbahn ausgebaut werden soll, liegen die Beschlüsse zur Planung vor. Die Regionalstadtbahn soll darüber hinaus durch die Ertüchtigung und Elektrifizierung der Linien zwischen Tübingen über Rottenburg nach Horb, beziehungsweise von Tübingen nach Mössingen und die Durchbindung nach Reutlingen eine deutliche Entlastung für die Zentren bringen.

CDU: Das wichtigste Vorhaben ist die Regionalstadtbahn. Dies bedeutet in erster Linie die Elektrifizierung der Strecken Tübingen - Herrenberg, Tübingen - Horb und die Strecke Nehren - Gomaringen Richtung Reutlingen. Hinzu kommen die entsprechenden Haltestellen, die Wohn- und Arbeitsgebiete möglichst zahlreich erschließen. Die Anzahl der Fahrzeuge sowie die Ausstattung müssen deutlich verbessert werden. Die CDU-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass Bund und Land sowie die Deutsche Bahn AG ihre Verantwortung noch mehr wahrnehmen, um die Bahninfrastruktur rasch und deutlich zu verbessern. Insbesondere bei der Mitfinanzierung müssen von Bund, Land und DB erhebliche Nachbesserungen auf den Weg gebracht werden. Ebenso muss die Schönbuchbahn gestärkt werden, damit der Kreis auch hier den angemessenen Anschluss an die Region Stuttgart hat. Die Verkehrsbeziehungen zu der Region Böblingen/Sindelfingen gewinnen stetig an Bedeutung.

Grüne: Der Ausbau von Bus- und Bahnverkehr ist für uns der zentrale Baustein einer nachhaltigen Verkehrspolitik. Öffentliche Verkehrsmittel sind umweltfreundlich und ermöglichen auch jenen Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe, die nicht über ein Auto verfügen. ÖPNV muss zudem bezahlbar sein. Wir setzen uns auf künftig ein für das Bonusticket für einkommensschwache Personen, für attraktive Übergangstarife in den benachbarten Tarifverbund Stuttgart VVS für Berufspendler und Freizeitfahrkarten sowie für attraktive Jobticket-Modelle (wie beim Uniklinikum Tübingen). Wir wollen, dass sich die Zuschusshöhe für Schülermonatskarten nicht mehr an Schularten sondern an sozialen Kriterien orientiert. Gleichermaßen wichtig ist uns die konsequente Umsetzung des Nahverkehrsplans, damit der Kreis-ÖPNV mit modernen Fahrzeugen (Barrierefreiheit durch Niederflurbusse, Umweltstandards) erhöht und die Vertaktung verdichtet wird. Die Regionalstadtbahn muss mit Hochdruck vorangetrieben werden und die Vorplanung dazu spätestens 2017 abgeschlossen werden. Dieses für alle Städte und Gemeinden der Region zentrale Projekt darf nicht daran scheitern, dass man bei der Vergabe der Fördermittel zu spät kommt. Die Pläne müssen in der Schublade liegen.

SPD: Die bedeutendste Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Kreis verspricht die Verwirklichung der Regionalstadtbahn. Nachdem sich nun auch die Landesregierung deutlich dafür ausspricht, muss die Realisierung mit aller Kraft vorangetrieben werden. Die SPD fordert, dazu eine kompetente Projektorganisation zu schaffen.

FDP: Das große Zukunftsvorhaben des Kreises ist zweifellos die Regionalstadtbahn. Früher ein Minderheitenthema, hat das Projekt sukzessive an Unterstützung gewonnen, weil es als einzig innovatives Verkehrskonzept eine Verlagerung relevanter Teile des täglichen Ein- und Auspendlerverkehrs vom Auto auf die Schiene verspricht - sicher, attraktiv und direkt zur Tübinger Innenstadt, zur Universität und zum Klinikum. Das Projekt nutzt der Region und deren Bürgerinnen und Bürgern, ihre Ziele in Tübingen besser zu erreichen; und es nutzt den Städten, denn es ist geeignet, den alltäglichen Stau deutlich zu verringern. Die Endstufe des Konzepts, die Innenstadtstrecken in Tübingen und Reutlingen, wird noch viele Diskussionen erfordern; und natürlich müssen diese ergebnisoffen sein. Aber es ist gut, dass jetzt ein konkretes Konzept für den Einstieg da ist: Die Modul I genannte Elektrifizierung der Ammertalbahn und der Ermstalbahn, verbunden mit der Schaffung neuer Haltepunkte zwischen Tübingen und Metzgen. Daneben der Bus: Mit jeder Ausschreibung von Linienbündeln des Nahverkehrs erhoffen wir uns Effizienzgewinne, die wieder in verbesserte Angebote umgesetzt werden. Und wir wollen den barrierefreien Ausbau der Haltestellen im ÖPNV weiter forcieren, mit dem Kreis als Impusgeber und Mitfinanzierer.

Tü/Linke:wer außerhalb von Tübingen wohnt, wird vom öffentlichen Nahverkehrsangebot zu schlecht bedient. Wir sind für den Ausbau und eine engere Vertaktung des kreisweiten Bus - und Bahnverkehrs. Der ländliche Raum darf nicht abgehängt werden. Die Verbindungen im Landkreis müssen so ausgebaut werden, dass insbesondere Berufspendler nach Tübingen und in Richtung Stuttgart neue und preisgünstige Angebote als Anreiz bekommen, vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Wir sind für die Regionalstadtbahn trotz mancher Bedenken hinsichtlich der Tübinger Innenstadt. Es kommt jetzt darauf an, die Elektrifizierung und den Ausbau der Jammertal-, der Neckartal- der Schönbach- und der Zollernbahn zu beschleunigen. Es macht keinen Sinn, wenn im Kreistag grüne Anträge gestellt werden, und der grüne Verkehrsminister in Stuttgart die Elektrifizierung in der Priorität nach hinten schiebt.

Unabhängige Bürger UB: Der Personennahverkehr sollte attraktiver gestaltet werden, um die Innenstädte zugunsten der Natur und Umwelt zu entlasten. Deshalb machen wir uns stark für die Planung einer Regionalstadtbahn, die vorallem den südlichen Teil des Landkreises infrastrukturell optimal integrieren soll.


Ein interessanter Kommunalwahlkampf also. Alle Parteien bekennen sich zur Regionalstadtbahn, Forderungen, den Straßenausbau voranzutreiben, werden nur beiläufig am Rande erwähnt. Und die Regierung in Stuttgart antwortet darauf wie oben beschrieben.

Aber noch etwas Lustiges zum Kommunalwahlkampf: Youtube.com pharrell Williams happy (Tübingen Edition)


Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von wolfgang65 »

Soll das jetzt ein Wahlwerbespot werden???

Ich kann diese Argumentation nicht verstehen. Warum soll ein Landesregierung für die "Unfähigkeit" anderer gerade stehen, die ein unausgegorenes Projekt unbedingt noch durchdrücken wollen?
S21 und der Berliner Flughafen zeigen doch deutlich was passiert, wenn keine vernünftige und zeitgerechte Planung gemacht wird. Wenn es Mittel des Bundes bis zu einem gewissen Zeitraum gibt, muss halt die Planung auch darauf passen. Das ist ja hier offensichtlich nicht der Fall.

Kann also die Polemik gegenüber der Landesregierung nicht verstehen. Das Problem scheint aber immer der gleich zu sein. Man kann Geld nur einmal ausgeben. Geld drucken ist keine Lösung....

Grüße

Wolfgang
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von Vielfahrer »

wolfgang65 hat geschrieben:Soll das jetzt ein Wahlwerbespot werden???

Ich kann diese Argumentation nicht verstehen. Warum soll ein Landesregierung für die "Unfähigkeit" anderer gerade stehen, die ein unausgegorenes Projekt unbedingt noch durchdrücken wollen?
S21 und der Berliner Flughafen zeigen doch deutlich was passiert, wenn keine vernünftige und zeitgerechte Planung gemacht wird. Wenn es Mittel des Bundes bis zu einem gewissen Zeitraum gibt, muss halt die Planung auch darauf passen. Das ist ja hier offensichtlich nicht der Fall.

Kann also die Polemik gegenüber der Landesregierung nicht verstehen. Das Problem scheint aber immer der gleich zu sein. Man kann Geld nur einmal ausgeben. Geld drucken ist keine Lösung....

Grüße

Wolfgang
Nein, von meiner Seite aus soll das keine Wahlempfehlung werden. Den Wahlwerbespot habe ich zufällig gefunden und finde ihn recht lustig. Ist mal was anderes als Hochglanz-Broschüren. Er spricht möglicherweise die Jungwähler ab 16 Jahren mehr an als die abgedroschenen Argumente pro RegionalStadtBahn.

In unserer Gegend wird wirklich seit bald 25 Jahren die Regionalstadtbahn diskutiert. Aber politische Aktivitäten haben sich jahrelang darauf beschränkt, zu beklagen, dass die Fördermittel in andere Regierungsbezirke geflossen sind und am wenigsten in den Regierungsbezirk Südwürttemberg-Hohenzollern. Die Fehler hat man also anderswo gesucht und selbst viel zu wenig unternommen. Und im Hinblick darauf, dass andere mehr getan haben und demzufolge die zur Verfügung gestandenen Fördermittel abgerufen haben, fordert man nun eine Priorisierung des eigenen Projekts (zu Lasten anderer). Man beklagt auch heftig, dass der ländliche Raum abgehängt würde - und was macht man: man lässt nicht einmal zu, dass Buslinien über die Kreisgrenze auf die Albhochfläche geführt werden. Manchmal werde ich den Verdacht nicht los, dass ob der Nachricht aus Stuttgart nunmehr die Sektkorken knallen, denn das würde Millionen an Kreismitteln sparen, die noch gar nicht veranschlagt wurden.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Tannenrainer
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von Tannenrainer »

Hallo mit`nander,

im Grunde genommen ist die neueste Nachricht aus Stuttgart eine Katastrophe für den ÖPNV im Raum Neckar-Alb.

Die vielfach am Rande der Kapazität (bzw. oftmals eher darüber hinaus) verkehrenden Busse und Züge insbesondere in Tübingen und Umgebung schreien geradezu nach einer dringenden Lösung in Form der (leider schon viel zu lange) diskutierten Regionalstadtbahn...

Was dieser Bescheid von Minister Hermann beispielsweise für den Ausbau der Ammertalbahn bedeutet, wage ich gar nicht auszumalen.
Als beinahe täglicher Nutzer der regelmäßig überfüllten und verspäteteten Züge in der Hauptverkehrszeit ist es eigentlich eine Tragödie, daß eine so stark nachgefragte und boomende Bahnstrecke dadurch immer stärker ihr bisheriges positives Image verspielt und zunehmend als unzuverlässiges und unbenutzbares Wagnis wahrgenommen wird...

Und, Vielfahrer, da bin ich ganz Deiner Meinung, solchen Zeitgenossen wie beispielsweise dem Burladinger Bürgermeister, der sich vehement und öffentlich gegen die Einführung von neuen Buslinien, welche auch noch der Nachbarlandkreis(!) angestoßen hat, ausspricht, weil ja nicht sein kann, daß die Bewohner "seiner" Gemeinde mit dem ÖPNV in die Nachbarstadt fahren könnten, spielt das natürlich wunderbar in die Karten.

Ich hoffe inständig, daß der dringend notwendige Ausbau des ÖPNV, der insbesondere im Landkreis Tübingen eine hohe Priorität hat, dadurch nicht ausgebremst wird... denn das wäre tatsächlich ein grandioser Rückschritt!

Nachdenkliche Grüße
Tannenrainer
Vielfahrer
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von Vielfahrer »

Tannenrainer hat geschrieben: Als beinahe täglicher Nutzer der regelmäßig überfüllten und verspäteteten Züge in der Hauptverkehrszeit ist es eigentlich eine Tragödie, daß eine so stark nachgefragte und boomende Bahnstrecke dadurch immer stärker ihr bisheriges positives Image verspielt und zunehmend als unzuverlässiges und unbenutzbares Wagnis wahrgenommen wird...
Ich habe meine Konsequenzen daraus gezogen, dass ich zu häufig in Herrenberg meine Anschlüsse verpasst habe. Nur noch gelegentlich auf der Heimfahrt fahre ich via Herrenberg, weil die halbe Stunde, die ich dann später nach Hause komme, nicht so schlimm ist, wie verpasste Besprechungstermine infolge Anschlussverlusten am Morgen. Ich gehöre damit zu den Glücklichen, die genauso gut via Rottenburg - Horb fahren können, wobei ich allerdings im Bahnhof Horb auch schon sehr oft den Anschluss verpasst habe.
Hin und wieder kann ich beobachten, wie der Frühverkehr auf der Ammertalbahn massiv gestört wird. Das geht oft mit der Zugfahrt um 6:17 Uhr ab Tübingen in Richtung Herrenberg los. Hier wird verstärkt und das klappt dann nicht so schnell wie gedacht. Aufgrund der kurzen Fahrzeiten, der kurzen Wende und der Eingleisigkeit der Strecke mit zu wenigen Kreuzungsmöglichkeiten und der dazwischengeschobenen Kurzläufer bis/ab Entringen klemmt es dann im ganzen Frühverkehr an allen Ecken und Enden. Und die extremen Kapazitätsengpässe in Richtung Tübingen, die ich ja als gegen die Lastrichtung Pendelnder sowieso nicht mitkriege, tragen ebenso zum negativen Eindruck bei, den Reisende von dieser Strecke inzwischen haben.

Dass Doppelspurabschnitte und eine Elektrifizierung sowie neue Fahrzeuge erforderlich sind, ist längst bekannt. Die Sache wird da tragisch, dass man all diese Verbesserungen nicht schrittweise umgesetzt hat, weil ansonsten der Förderquotient der Regionalstadtbahn nicht erreicht worden wäre. Wenn man nämlich die dicken Brocken in singulären Vorabmaßnahmen abgefischt hätte, also umgesetzt hätte, dann wäre für das eigentliche Regionalstadtbahnkonzept ein zu geringer Nutzen-Kosten-Faktor herausgekommen. Also hat man es aufgespart und schlittert nun möglicherweise in die Pleite.

Ein weiterer ähnlicher Fall ist der Bau des Haltepunkts am Tübinger Behördenzentrum, also etwa 1 km vor dem Tübinger Hauptbahnhof sowohl aus Richtung Rottenburg als auch aus Richtung Mössingen. Ich kann mir im weiten Umfeld kaum einen sinnvolleren Bahnhaltepunkt vorstellen, der geeignet wäre, nachhaltig PKW-Verkehre zu substituieren. Man hat aber alle Planungen zurückgestellt, um für die Realisierung der Regionalstadtbahn einen großen Nutzen nachweisen zu können.

Wenig hört man inzwischen auch von dem "Elnaldo"-Projekt, also der Elektrifizierung der Bahnlinien im Naldo-Land. Gerade die Elektrifizierung der Zollernbahn würde einen besonders großen Nutzen versprechen und ist im Zusammenhang von S 21 ohnehin erforderlich, will man nicht die bis Albstadt-Ebingen reichende Metropolregion nur zweitklassig mit dem Stuttgarter Fernverkehrsknoten verknüpfen. Auch die Elektrifizierungslücke zwischen Tübingen und Horb tut weh. Vor ca. 20 Jahren war man da auch schon mal näher dran als heute.

Der Ansatz, all die seit Jahren erkannten sinnvollen Maßnahmen in ein in sich geschlossenes großes RegionalStadtBahn-Paket zu bündeln, könnte sich jetzt als Bumerang erweisen. Auch was die RegionalStadtBahn bis nach Albstadt-Onstmettingen, die einen sehr hohen Nutzen-Kosten-Faktor aufweist, betrifft, so war man da vor 10 oder 12 Jahren schon viel weiter als heute. Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde damals im Albstädter Stadtrat das von der NVBW und der HzL erarbeitete Betriebskonzept mit Flügelung von Zollernbahnzügen in Albstadt-Ebingen-West abgelehnt und die Strecke in den Dornröschenschlaf verabschiedet.

Damit kein Zweifel aufkommt: ich halte die Idee der RegionalStadtBahn für absolut richtig. In der Umsetzung aber hätte man besser auf kleinere Zwischenschritte setzen sollen anstatt das ganze Projekt zu einem Milliarden-Volumen anwachsen zu lassen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von wolfgang65 »

Tannenrainer hat geschrieben:Hallo mit`nander,

im Grunde genommen ist die neueste Nachricht aus Stuttgart eine Katastrophe für den ÖPNV im Raum Neckar-Alb.
...
Da kann ich nur heftig widersprechen - die Entscheidung ist ein Segen für das Projekt.

Keiner widerspricht doch, dass in der Gegend etwas getan werden muss. Aber ein Projekt so groß aufzuziehen, bei welchem nur großspurige Planungen ohne echte Substanz und Einigkeit unter den Partnern vorliegen, wird zwangsläufig im Chaos enden. Und solche Projekte haben wir doch wirklich genug.

Sinnvoll könnte es sein, wenn hier entweder das Projekt in kleine REALE Teile aufgeteilt würde oder das ganze von einer "höheren Seite" geleitet werden würde.


Auf der anderen Seite ist die deutsche Subventionspraxis bei erfolgreichen Bahnen eher ein als Hindernis zu sehen. Immer wenn viele Fahrgäste in die Züge strömen geht das Konzept schief. Hier sollte auch mal einer die Reißleine ziehen und diesen Unsinn endlich beenden - aber das wäre dann dann wohl eher der Bund....

Grüße

Wolfgang
Zuletzt geändert von wolfgang65 am Fr 16. Mai 2014, 20:15, insgesamt 1-mal geändert.
Goldberger
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von Goldberger »

Interessant ist hier mal wieder die Haltung der CDU: Das Land (rot-grün) wird dafür verantwortlich gemacht, dass sie ein Problem (per Endfinanzierungszusage=Kostenübernahmerklärung) löst , dass sie selbst im Bund (Auslaufen der Regionalisierungsmittel, Koch/Steinbrück, Entflechtungsgesetz) hauptverantwortlich mit verursacht hat !

Ich hoffe hier wird ganz klar die Frage gestellt:
Frau Annette Widmannn-Mauz, sie sind seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestags für die CDU. Haben Sie in dieser Funktion den Gesetzen, die das Auslaufen der Regionalisierungsmittel bedingen, zugestimmt oder nicht ?
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von Tannenrainer »

[quote="wolfgang65"]

Sinnvoll könnte es sein, wenn hier entweder das Projekt in kleine REALE Teile aufgeteilt würde oder das ganze von einer "höheren Seite" geleitet werden würde.


aber das ist doch bereits geschehen!
Mit dem Modul 1, also der Elektrifizierung von Ammertal- und Ermstalbahn, der Einrichtung von weiteren Kreuzungsmöglichkeiten sowie der Ertüchtigung des bereits elektrifizierten Abschnitts Tübingen-Metzingen (neue Haltepunkte etc.) wurde das Gesamtprojekt ja schon auseinandergenommen, damit zumindest ein Teil noch vor 2019 fertiggestellt und abgerechnet ist.
Alle weiteren Teilmaßnahmen, wie Elektrifizierung und Ausbau der Zollernbahn, den Innenstadtstrecken in Tübingen und Reutlingen, dem Albaufstieg Honau-Lichtenstein etc. wurden ja bereits mehr oder weinger auf die lange BAnk geschoben, sprich, harren der Weiterführung des Finanzierungsgesetzes über das Jahr 2019 hinaus...

Daß notwendige Ausbaumaßnahmen auf der Ammertalbahn mehr oder weniger "verpennt" wurden, weil eben auf eine baldige Einführung der Regionalstadtbahn gehofft wurde, ist ein anderes Thema... deren Dringlichkeit haben auf jeden Fall nicht abgenommen, ganz im Gegenteil... auch für den worst case, also dem Scheitern der ganzen Regionalstadtbahn, bleibt den Verantwortlichen nichts anderes übrig, als schleunigst die überlasteteten Streckenabschnitte auf andere Weise zu ertüchtigen!

Gruß
Tannenrainer
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Re: Zug abgefahren?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Tannenrainer,

das Gesamtprojekt RegionalStadtBahn hatte einen positiven Nutzen-Kosten-Faktor von etwas über 1,1. Es bestand also bei den politisch Verantwortlichen eine gewisse Hoffnung, dass das Gesamtprojekt (mit damals prognostizierten Kosten von ca. 800 Mio. €) gefördert würde. Da das Projekt aber kein Projekt des Bundes ist (z.B. wie eine Neubaustrecke oder eine Güterverkehrslinie), musste jedem, der sich damit befasst hat, klar sein, dass eine Finanzierung eigentlich nur über den GVFG-Topf würde erfolgen können, also die Planungskosten von der kommunalen Seite alleine zu tragen sein werden (ca. 20%) und von den Baukosten eine weitere Komplementärfinanzierung von nochmals ca. 20% zu tragen sein würde. 20% hätte das Land von den Baukosten bezahlt und 60% der Bund). Es ist leicht nachrechenbar, dass die kommunale Seite durch dieses Projekt locker mit 250 bis 300 Mio. € mit dabei gewesen wäre. Also hat man wohl etwas kalte Füße bekommen und über eine Zerlegung des Projekts in Module nachgedacht bzw. nachdenken lassen. Die Vorgabe des Bundes war aber, dass die gefundenen Teilmodule auch wirtschaftlich (d.h. einen Nutzen-Kosten-Faktor > 1,0 ) haben mussten und durch die Vorwegnahme dieser Maßnahmen der Rest nicht < 1,0 ausfallen durfte. Die Zerlegung des großen Projekts in solche Teilmodule hat die Gutachter wieder ein bis zwei Jahre beschäftigt, während denen andere im Land ihre Projekte vorangetrieben haben. Dann kam schließlich heraus, dass die Ammertalbahn und die Ermstalbahn als Modul 1 für 101 Mio. € ein gangbarer Weg wären, weil der Rest immer noch > 1,0 bleiben würde und das Teilmodul 1 für sich auch wirtschaftlich wäre.

Zwischenzeitlich kam dann aber das Auslaufen des GVFG auf Ende 2019 zum Tragen. Hier ist es nun so, dass nicht etwa der Bund das GVFG einseitig beendet, sondern im Rahmen einer föderalen Finanzreform hat der Bundesfinanzminister diese Mittel den Ländern übertragen. Die Verkehrsminister aller Länder haben aber verpennt, diese übertragengen GVFG-Mittel mit einer Zweckbindung zu versehen. Das mag den Finanzministern der Länder gerade recht gekommen sein, da diese ohnehin unter hohen Pensionslasten und anderen Problemen leiden.
Auf alle Fälle hat der Bund ab 2019 das Geld an die Länder abgegeben. Deswegen besteht er auch darauf, dass er nur noch bis 2019 finanziert. Alle Projekte, die bis dahin nicht abgerechnet sind, bezahlt der Bund nicht mehr, weil er ab diesem Zeitpunkt die entsprechenden Mittel den Ländern gegeben hat, die aber keine Zweckbindung für Investitionen in den öffentlichen Verkehr vorgenommen haben.

Nachdem dies abzusehen war, haben etliche Aufgabenträger ihre Planungsanstrengungen erheblich verstärkt, um bis zum Auslaufen des Bundes-GVFG ihre Projekte auch abrechnen zu können. Spontan fällt mir etwa die Breisgau-S-Bahn-Konzeption ein, die unter hohem Zeitdruck kontinuierlich vorangetrieben wird. Ich habe nicht gezählt, wieviele Sitzungen es da zwischen dem Zweckverband Regio Freiburg (ZRF), den Landkreisen und der DB und dem Land schon gegeben hat, aber es waren schon sehr viele, bei welchen Planungsdetails sehr intensiv erörtert wurden. Realistisch betrachtet besteht eine Chance, dieses Projekt im vorgegebenen Zeitrahmen schlussabrechnen zu können.

Meines Wissens ist das Regionalstadtbahn-Projekt noch gar nicht in diesem Stadium, in welchem ständige Arbeitsgruppen etwa zwischen Land und DB tagen, um die entsprechenden Pläne zu erstellen. Das Grundproblem ist ja nicht der Ausbau an sich, sondern die Erarbeitung genehmigungsfähiger Pläne. Es ist ja am abschnittsweisen zweigleisigen Ausbau der Gäubahn bestens zu verfolgen. Wo früher ein zweites Gleis lag, kann man nicht einfach wieder eines hinlegen. Nein, es müssen zahlreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen usw. gemacht werden, weil die Trassen heute teilweise über den früheren Flächenbedarf hinausgehen oder sich seltene Tiere angesiedelt haben usw. Auch müssen heute Begleitwege für die Evakuierung z.B. Behinderter vorgesehen werden, die Einrichtung von Baustraßen usw. vorgesehen werden und und und. Welchen Umfang solche Planunterlagen erreichen, kann man beispielsweise bei den im Internet inzwischen verfügbaren Planungsunterlagen zur Elektrifizierung der Südbahn ermessen.

Wer da noch nicht angefangen hat, im Detail zu planen, der wird realistischerweise so ein Großprojekt bis Ende 2019 nicht abgerechnet bekommen. Nach Vorstellung aus der Region Neckar-Alb müsste dann das Land dafür einspringen, weil man selbst natürlich das Risiko nicht tragen kann. Dies würden von den 800 Mio. Kosten nämlich dann ca. 650 Mio. Kosten sein.

Man muss sich das aber mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Region Neckar-Alb ist nach München, Salzburg und Freiburg die Region mit der geringsten Arbeitslosigkeit in Europa (so jedenfalls war es in dieser Woche in der NZZ zu lesen) und kriegt ihre Infrastruktur nicht auf die Reihe.

Nachdem man selbst sich in diese Situation gebracht hat, erscheint die Forderung, das eigene Projekt zu priorisieren und das sichere Risiko auf das Land abzuwälzen, während andere im Land und im Bund sich sehr anstrengen, ihre Projekte rechtzeitig hinzubekommen, ziemlich dreist.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Entscheidung der Landesregierung kurz vor der Kommunalwahl nicht leicht gefallen ist, wo sich doch alle in der Region Neckar-Alb unisono für dieses Projekt ausgesprochen haben. Aber es ist angesichts der Umstände eine richtige Entscheidung des Verkehrsministers.

Man kann da echt gespannt sein, wie das jetzt weiter geht.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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