In unserer allgemein Bahnthemen gegenüber weniger aufgeschlossenen Presse wäre das nicht zu finden gewesen. Aber in der Neuen Züricher Zeitung von heute gab es einen kleinen Artikel zu diesem Thema, den ich mal bringe, da wir ja unter den Forumsmitgliedern etliche im Fahrdienst Beschäftigte haben wie auch auf den Stellwerken.
" Die Eisenbahn ist an sich ein sicheres Verkehrsmittel. Anders als die Strasse ist sie nicht ein offenes System, an dem auch Personen mit minimaler Ausbildung und Übung partizipieren können. Die Eisenbahn ist demgegenüber ein geschlossener Kreislauf, und an ihren Schalthebeln sitzen Menschen, die ihre Funktionen professionell ausüben. Zu den spezifischen Ausbildungen der Akteure gesellen sich aktive und passive Maßnahmen zugunsten einer möglichst hohen technischen Sicherheit.
Als Instrumente der aktiven Sicherheit spielen die Signale eine zentrale Rolle und zwar in Bezug auf den Folge- und Gegenverkehr. Grünes Licht signalisiert wie auf der Strasse freie Fahrt. Hat ein Zug ein Signal passiert, wechselt dieses auf Rot und verhindert so eine Auffahrkollission, während sich der Zug im darauffolgenden sogenannten Blockabschnitt befindet. Geschwindigkeiten von mehr als 160 Kilometern pro Stunde werden über mehrere Blockabschnitte signalisiert.
In den 1930er Jahren wurde im Zuge des Verzichts auf eine der bisher zwei Personen im Führerstand das induktive Warnsystem Signum eingeführt. Der Lokomotivführer wird am Vorsignal akustisch gewarnt, wenn er auf ein geschlossenes Hauptsignal zufährt oder wenn er die Geschwindigkeit stark reduzieren muss. Falls der Lokomotivführer die Warnung nicht quittiert oder an einem Halt zeigenden Hauptsignal vorbeifährt, wird eine Schnellbremsung ausgelöst. In Normalfall kommt der Zug an dem Punkt zum Stillstand, an dem ein Hindernis im Weg zu stehen droht, weil der Sicherheitsabstand zwischen dem Signal und dem Gefahrenpunkt kleiner ist als der Bremsweg."
Der Bericht von Urs Brotschi ist damit aber noch lange nicht zuende. Er beschreibt dann, wie das Signum in den 1990er-Jahren durch das Zugüberwachungssystem ZUB ergänzt wurde. Ausschlaggebend waren dafür Risikoeinschätzungen. Dann geht er auf LZB bzw. TVM (transmission voice machine) ein und natürlich auch auf ECTS Level 1 Limited Supervision, den europakompatiblen Sicherheitsstandard. Danach geht er zur passiven Sicherheit über:
"Zu den Instrumenten, die aktiv zur Sicherheit auf der Strecke beitragen, gesellt sich aufseiten des Rollmaterials die passive Sicherheit. Die ersten Wagenkästen in den Anfangszeiten der Eisenbahn vor bald 200 Jahren waren wie bei Kutschen aus Holz gefertigt. Zur Erhöhung der Sicherheit, vor allem im Brandfall, wurde als Werkstoff bald Stahl eingesetzt, was das Gewicht der Fahrzeuge massiv erhöhte.
Vor bald 80 Jahren wurden für die SBB die ersten Leichtstahlwagen entwickelt. Mit einer Reduktion des Gewichts um 30 % konnten die Züge zügiger beschleunigt werden und mit höheren Kurvengeschwindigkeiten verkehren. Einen wesentlichen Beitrag zum tieferen Gewicht leistete die selbsttragende Rohrkonstruktion des Wagenkastens. Diese Konstruktionsprinzipien gelten seither und werden ständig weiterentwickelt. In den vergangenen Jahren wurden weitere entscheidende Fortschritte in der passiven Sicherheit im Schienenverkehr erzielt. Mit einem verbesserten Schutz sollen die Auswirkungen auf die Passagiere vermindert werden.
Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsprojekten der Europäischen Union sind heute als Anforderungen in den Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) formuliert. Zuerst wurden diese Crash-Normen bei Hochgeschwindigkeitszügen angewendet, seite 2013 gelten sie auch für Kompositionen des Regionalverkehrs und für Lokomotiven von Güterzügen. Ihnen gemäß müssen Frontpartien drei Extremfällen genügen:
TSI-1: Bei einem Frontalzusammenstoß zweier identischer Kompositionen/Lokomotiven mit einer maximalen Differenz der Geschwindigkeit von 36 Kilometern pro Stunde sollen keine signifikanten plastischen Verformungen des Führerstands entstehen, welche die Sicherheit des Personals gefährden.
TSI-2: Für einen auf den Grundannahmen von TSI-1 basierenden Zusammenstoß zwischen einen Triebfahrzeug und einem 80 Tonnen schweren Güterwagen sind 75 Zentimenter Raum zum Überleben im hinteren Bereich des Führerstands vorzusehen.
TSI-3: Auch für einen Zusammenprall bei einer Geschwindigkeit des Zugs von 110 Kilometern pro Stunde mit einem stationären, 15 Tonnen schweren Lastwagen sind 75 Zentimeter Raum zum Überleben im hinteren Bereich des Führerstands vorzusehen. Diese Vorgabe führt unter anderem dazu, dass die neuen, sonst mit den entsprechenden Fahrzeugen der SBB identischen Doppelstockzüge der BLS im Frontbereich stärker ausgeführt wurden und eine andere Kopfform erhielten."
Viele Grüße vom NZZ-Leser Vielfahrer
Das ABC der Sicherheit bei der Eisenbahn
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Re: Das ABC der Sicherheit bei der Eisenbahn
Finde ich gut, dass sowas in Zeitungen erscheint, damit stärkt man nicht nur die Allgemeinbildung sondern auch der Verständnis für die Eisenbahn, warum mache Dinge eben so und nicht anders gemacht werden müssen, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht manchmal unlogisch erscheint.
Nur ein Satz passt irgendwie nicht so ganz:
Viele Grüße,
Moritz
Nur ein Satz passt irgendwie nicht so ganz:
Wir haben bei der Einführung in den Bahnbetrieb als allererste Lektion vermittelt bekommen, dass es genau an der Stelle einen riesen Unterschied gibt - dass das "Grün" der Eisenbahn eben etwas völlig anderes als auf der "Straße" ist, weil es die exklusive Freihaltung des Fahrweges (inklusive Durchrutschweg) garantiert, während man bei einer grünen Ampel im Straßenverkehr ggf. trotzdem aufgrund von Fußgängern oder anderen Autos anhalten muss :zwinker:Vielfahrer hat geschrieben:Grünes Licht signalisiert wie auf der Strasse freie Fahrt.
Viele Grüße,
Moritz
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Re: Das ABC der Sicherheit bei der Eisenbahn
Zum Thema Sicherheit im Verkehr ist dieser Tage von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Bericht erschienen. Einem Bericht in der heutigen Ausgabe der NZZ zufolge sterben bei Straßenunfällen pro Jahr 1,24 Millionen Menschen. Diese Zahl ist sehr hoch, sagte Etienne Kruger, der Direktor der Abteilung für Unfallverhütung bei der WHO in Genf beim Vorstellen eines Berichts zur Straßensicherheit.
Straßenunfälle seien weltweit an 8. Stelle der Todesursachen, bei den 15 bis 29-Jährigen sogar an erster Stelle. Die WHO zählt zu den fünf wichtigsten Risikofaktoren das Fahren in betrunkenem Zustand, überhöhte Geschwindigkeit, das Fehlen von Helmen für Motorradfahrer und Sicherheitsgurten für Autofahrer sowie Kindersitzen für Kleinkinder.
Brasilien und Vietnam hätten im letzten Jahrzehnt große Fortschritte beim Helmtragen gemacht und etwa die Türkei beim Tragen von Gurten, sagte Kruger. Aber nur 28 Staaten verfügten über Gesetze zu allen fünf großen Risikofaktoren. In 89 Ländern gilt laut Bericht zwar eine 0,5-Promille-Grenze, aber nur ein Fünftel der Staaten setzt diese auch durch. 80 Prozent der Unfälle ereignen sich in Schwellenländern, obwohl diese nur über die Hälfte der Fahrzeuge verfügen. Mehr Sicherheit muss laut WHO für Fußgänger und Radfahrer gewährleistet werden, die weltweit 27% der tödlich verletzten umfassen, während deren Anteil bei Motorradfahrern 23 % beträgt.
In Afrika, wo zu Fuß gehen und Rad fahren wichtige Mobilitätsformen sind, seien 38 % der Todesopfer Fussgänger. In den westpazifischen Ländern dagegen, wo Motorräder dominieren, seien 36 % der Todesopfer Motorradfahrer.
Zwischen 2007 und 2010 konnten 88 Länder, vorallem die europäischen, die Todesfälle im Straßenverkehr bedeutende verringern. Aber in 87 anderen Staaten nahmen sie zu. Am unsichersten sind die Straßen in Afrika und im Nahen Osten mit 24 beziehungsweise 21 Todesopfern pro Jahr und 100.000 Einwohner.
Viele Grüße vom Vielfahrer
Straßenunfälle seien weltweit an 8. Stelle der Todesursachen, bei den 15 bis 29-Jährigen sogar an erster Stelle. Die WHO zählt zu den fünf wichtigsten Risikofaktoren das Fahren in betrunkenem Zustand, überhöhte Geschwindigkeit, das Fehlen von Helmen für Motorradfahrer und Sicherheitsgurten für Autofahrer sowie Kindersitzen für Kleinkinder.
Brasilien und Vietnam hätten im letzten Jahrzehnt große Fortschritte beim Helmtragen gemacht und etwa die Türkei beim Tragen von Gurten, sagte Kruger. Aber nur 28 Staaten verfügten über Gesetze zu allen fünf großen Risikofaktoren. In 89 Ländern gilt laut Bericht zwar eine 0,5-Promille-Grenze, aber nur ein Fünftel der Staaten setzt diese auch durch. 80 Prozent der Unfälle ereignen sich in Schwellenländern, obwohl diese nur über die Hälfte der Fahrzeuge verfügen. Mehr Sicherheit muss laut WHO für Fußgänger und Radfahrer gewährleistet werden, die weltweit 27% der tödlich verletzten umfassen, während deren Anteil bei Motorradfahrern 23 % beträgt.
In Afrika, wo zu Fuß gehen und Rad fahren wichtige Mobilitätsformen sind, seien 38 % der Todesopfer Fussgänger. In den westpazifischen Ländern dagegen, wo Motorräder dominieren, seien 36 % der Todesopfer Motorradfahrer.
Zwischen 2007 und 2010 konnten 88 Länder, vorallem die europäischen, die Todesfälle im Straßenverkehr bedeutende verringern. Aber in 87 anderen Staaten nahmen sie zu. Am unsichersten sind die Straßen in Afrika und im Nahen Osten mit 24 beziehungsweise 21 Todesopfern pro Jahr und 100.000 Einwohner.
Viele Grüße vom Vielfahrer