Bundesverkehrswegeplan 2030

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Vielfahrer
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Bundesverkehrswegeplan 2030

Beitrag von Vielfahrer »

Heute nachmittag fand im Innenministerium in Stuttgart die Anhörung des Landes Baden-Württemberg zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 statt. Auf der Homepage des Ministeriums (MVI) konnte man sich für die Veranstaltung registrieren lassen und dann hingehen. Beim heutigen Termin ging es um den Schienenteil und die Schifffahrt, die Straßen wurden am Montag und Dienstag in anderen Veranstaltungen schon besprochen. Während beim Straßenverkehr ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums anwesend war (Baden-Württemberg wurde hier auch sehr gut bedacht mit Projekten), war beim Schienenverkehr kein Vertreter anwesend. Da der Minister durch wichtige Koalitionsverhandlungen verhindert war, hatte er seinen Amtschef Prof. Dr. Lahl gebeten, ihn zu vertreten. Dr. Lahl hatte da eine schwierige Aufgabe, weil er den vom Bund erarbeiteten Entwurf vorstellen musste (also quasi den Hut des Bundes auf haben musste) und selbst aber deutliche kritische Worte zu den Ergebnissen (also mit Hut des bei Schienenprojekten nur schlecht bedachten Bundeslands auf hatte) finden wollte. Aber er hat diese Aufgabe gut gemeistert. Jeder, der die ungefähr zweistündige Sitzung und Diskussion verfolgt hat, konnte viele Einblicke in die Zusammenhänge gewinnen. Ich will die Details hier nicht auflisten sondern darauf hinweisen, dass auf der Homepage des Ministeriums die entsprechenden Folien veröffentlicht werden.

Bis zum 2. Mai muss das Ministerium dem Bund schriftlich seine Bedenken oder Anregungen zum Entwurf mitteilen. Dies ist im Übrigen auch jeder Person möglich, wobei die Stellungnahmen natürlich schon gehaltvoll sein sollten, also nicht etwa nur schreiben, dass zuviele Straßen und zuwenige Bahnlinien berücksichtigt wären (auch wenn das leider so zutrifft).

Interessant war in der Diskussion, die sich auch um die Abstufung der Gäubahn gedreht hat, die Einschätzung des Landes, dass es wohl glücken wird, die Gäubahn in den vordringlichen Bedarf zu bringen, also eine Grundvoraussetzung, dass überhaupt noch was geht. Das Land hat nämlich eine Studie in Auftrag gegeben, die spätestens zur Sommerpause abgeschlossen wird, die ganz anders als die Studie des Bundes (die im Wesentlichen von der DB stammen soll), davon ausgeht, dass zukünftig wieder mit Neigetechnikfahrzeugen (Typ ETR 610) Fahrtzeitverkürzungen mit dem Teilziel 2:37 h Stuttgart - Zürich erreicht werden können. Die DB will keine Neigetechnikfahrzeuge einsetzen und müsste demzufolge erhebliche in die Milliarden gehende Mittel aufwenden, um entsprechende Fahrzeitverkürzungen zu erzielen. Nach den Worten von Prof. Dr. Lahl ist die Gäubahn dann bezüglich ihres Ausbaus schlicht und einfach tot, wenn die Option Neigetechnik nicht zum Zuge kommen sollte. Das Land bemüht sich nun sehr, mit möglichen Betreibern in Verhandlungen über den Einsatz von Neigetechnikzügen zu kommen. Prof. Dr. Lahl berichtete dabei von Telefonaten vom Vormittag, die ihn optimistisch stimmen würden, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen wäre.

Ein weiteres wichtiges Thema waren die Anmeldungen des Landes auf Strecken, die die Oberzentren miteinander verbinden, also etwa Ulm - Freiburg oder Stuttgart - Villingen usw. Hier hat der Bund alle angemeldeten Projekte herausgekippt mit dem Hinweis, dass das ja nur Nahverkehr wäre und der sei Sache der Länder. Das sei zwar zutreffend, sagte Prof. Dr. Lahl, aber die Regionalisierungsmittel habe man für die Bestellung von Zugleistungen erhalten. Die Infrastruktur hingegen gehöre nach wie vor dem Bund. Und dieser würde nichts investieren. Beim Bundesverkehrswegeplan würde sehr viel Geld auf Hauptstrecken fließen (Rheintal, Stuttgart - Ulm, Südbahn, ggf. Gäubahn), aber Projekte in der Fläche wären praktisch alle gestrichen. Ganz anders bei den Straßen, wo sehr viele Projekte im ländlichen Raum finanziert werden sollten. Der Bund würde die Schiene im Ländlichen Raum quasi an der ausgestreckten Hand verhungern lassen. Es gäbe dann zwar die Möglichkeit, über das GVFG und ab 2019 wieder über das Bundesschienenwegeausbaugesetz bestimmte Schwerpunkte zu setzen, aber wenn man diesen Weg gehe, also etwa über das GVFG Elektrifizierungen finanzieren würde, so müssten 20% vom Land aufgewandt werden aus Haushaltsmitteln, die für ganz andere Aufgaben (z.B. Bildungspolitik, Lehrergehälter, Kindergärten, Polizei usw.) gedacht wären, während der Bund seinen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nicht nachkäme. Baden-Württemberg sei zwar ein vergleichsweise reiches Bundesland, aber das Signal sei dann ein völlig falsches an den Bund.

In der Diskussion wurde dann festgestellt, dass die Klimaschutzziele, die zuletzt in Paris bekräftigt wurden, leider nicht erreicht werden, weil insbesondere es im Verkehr nicht gelungen sei, die Schadstoffe dadurch zu reduzieren, dass Verkehre auf die Schiene verlagert wurden. Eher schon ist das Gegenteil eingetreten. Festgestellt wurde auch, dass der Nutzen von Verkehrsinvestitionen mit unterschiedlichen Ellen gemessen würde. Methodisch würde man beim Fernverkehr auf der Schiene von 65 km/h Reisegeschwindigkeit ausgehen, auf der Straße aber von 75 km/h, weshalb Investitionen in den Straßenbau zu höheren Fahrzeitnutzen führen, der dann auf der Habenseite in die Berechnungen einginge. Viele Wortmeldungen kamen von Verkehrsclubs wie dem VCD oder dem Naturschutz sowie von Bürgerinitiativen. Stark vertreten waren auch die Verkehrsplaner der Regionalverbände bzw. deren Verbandsdirektoren sowie einzelne Landtagsabgeordnete, darunter auch neu gewählte Abgeordnete, die als Lösung für die als schleppend empfundene Schienendiskussion empfahlen, mit verlässlichen RegioSchnellbussen auf den gut ausgebauten Straßen für ordentliche Angebote zu sorgen. Das war durchaus ernst gemeint und, so Prof. Dr. Lahl, auch nicht ausgeschlossen. In den Koalitionsverhandlungen wäre über Regiobusse gesprochen worden und es sei hier durchaus denkbar, dass man dort, wo der Bund sich nicht bewegen wolle, auf diese Karte setzen würde.

Insgesamt eine sehr interessante und informative Veranstaltung des Ministeriums, wobei man mal hoffen muss, dass der Veranstaltungsort im Innenministerium kein Wink mit dem Zaunpfahl auf einen möglichen neuen Ministeriumszuschnitt gewesen sein könnte.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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