Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Hier könnt Ihr Eure Bilder präsentieren. Darf auch mal vom Thema Eisenbahn abkommen.
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Karl Müller
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Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Beitrag von Karl Müller »

Tja, wir hatten es ja bereits davon - wenn eine Nebenbahn stillgelegt werden soll ( Heute spricht die Öffentlichkeit von " der Nahverkehr wird abbestellt") dann reisen die Fotografen in Scharen an, oft schon las/hörte ich den Satz ..." wenn die Züge sonst auch so voll gewesen wären, tja, dann....") aber - dem war nicht so. Ein unattraktiver Fahrplan, gepaart mit alten Fahrzeugen kann mit dem Heutigen (schon damals) NICHT PKW in Konkurenz treten, schon garnicht im "ländlichen Raum"
Sehr gute GegenBeispieel wie der RINGZUG beweisen dies!
Und, so war es auch am 31.5.1991, damals der reguläre Fahrplanwechsel zum Sommerfahrplan, die Staudenbahn von Gessertshausen nach Markt Wald wird stillgelegt!
Also, ab, dahin, ich fuhr bis Gessertshausen und lief die Strecke Ri Langenneufnach.....

Bild

Beginnen wir mit dem Güterzügle, hier bei Dietkirch...

weiter zu Fuß entlang der Bahn....

Bild

Bis ich kurz vor dem Ziel, bei Langenneufnach in einem Graben stolpere, eine Bänderdehnung holte und bei der damaligen Bollenhitze
in einem Graben mit Brennesel, Brombeeren und starken Schmerzen herumlag!
Nun denn, mir blieb nichts anderes übrig als mit diesem Malheure zum Bahnhof zu schleppen um nach Hause zu kommen:

Bild

Da kommt er, der letzte Schom nach Gessertshausen;

Bild

Und, da die Bahnhofsbilder im Nachhinein immer besser waren als die ZigZilliarden Streckenbilder kann ich allen "nachwachsenden" Fotografen nur empfehlen - macht Bilder in und von den Bahnhöfen, die Fahrzeuge bleiben (sehr oft), denn, das Schom-Bild auf der Strecke kann man Heute mit GLück (bei Museumsbahnfahrten) noch machen, die Bahnhöfe jedoch, die werden modernisiert oder abgerissen!

Hier noch die Homepage der Staudenbahnbetriebsgruppe:

http://www.staudenbahn.de/index.html

und, dieses Jahr wird sogar bis Markt Wald gefahren, sehr schön - wer geht mal mit, da war ich schon seit 1991 nicht mehr.....??

Und, der "Abschnitt Markt Wald bis Ettringen ist vermutlich für immer stillgelegt - und zugewachsen - von Ettringen bis Türkheim Bahnhof fährt noch ein Güterzug, in Ettringen wird noch eine Papierfabrik bedient, eine DB Köf 335 ist hierfür extra in Ettringen stationiert!

Bild

Der Anschluß der Papierfabrik liegt hinter dem alten Bahnhofsgebäude....!!

MFG Oli
Tannenrainer
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Re: Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Beitrag von Tannenrainer »

Hallo Oli,

schön, daß Du noch ein paar Bilder ausgegraben hast...

Das dritte Bild ist genial: Früher absolut kein Thema, heutzutage dürfte der Zug keinen Zentimeter weit fahren, wenn auch nur eine Türe 5 mm offen stehen würde... wobei man anmerken muß, daß es tatsächlich ein Wunder war, daß auf dieser Abschiedsfahrt keiner sturzbetrunken aus dem fahrenden Zug geflogen ist... ich saß im hintersten Wagen, und die Stimmung war, trotz dem traurigen Anlaß, sehr feucht-fröhlich! Naja, irgendwie mußte man ja seinen Kummer ertränken...

Wie es sich für eine Abschiedsfahrt gehört, hatte der letzte Zug dann eine ordentliche Verspätung eingefahren und trotzdem stand in Gessertshausen der Anschlußzug Richtung Dinkelscherben-Ulm und wartete brav die umsteigende Meute ab... auch das heutzutage undenkbar!

Schad` wars auf jeden Fall um diese schöne Strecke, aber dank dem unermüdlichen Engagement der Staudenbahnfreunde kann sie tatsächlich auch heute noch saisonal bereist werden... und da der Freistaat Bayern insgesamt doch sehr bahnfreundlich eingestellt ist, wird eine der nächsten Reaktivierungen die der Staudenbahn sein!

Gruß
Tannenrainer
Vielfahrer
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Re: Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Beitrag von Vielfahrer »

Die Staudenbahn wurde 1991 stillgelegt, also noch in der "Bundesbahnzeit". Damals waren die Zuschüsse nach EG 1191/69 (heute würde man sagen, die Regionalisierungsmittel) plafondiert. Eine Ausnahme hiervor bildeten jedoch die Zuschüsse nach § 45a PBefG. Wenn eine Schienenstrecke "verkraftet" wurde, also vom Zugbetrieb auf Busbetrieb umgestellt wurde, sind zunächst Kosten der Unterhaltung der Schiene und der Schienenfahrzeuge reduziert worden, die Zuschüsse aber waren plafondiert, also war das im Prinzip wirtschaftlich. Wenn dann anstelle der Beförderung der Auszubildenden im Zug diese in einem Bus saßen, so flossen die Mittel nach § 45a PBefG zusätzlich, da sich nicht auf die plafondierten Mittel angerechnet wurden; also für weniger Kosten gab es unter dem Strich höhere Zuschüsse. Dieser Mechanismus erklärt zumindest teilweise, weshalb zu Bundesbahnzeiten so viele Strecken aufgegeben wurden.

Mit der Regionalisierung des Nahverkehrs wurden der Bundesbahn sämtliche gemeinwirtschaftlich begründeten Mittel genommen und den Aufgabenträgern übertragen. Seither bestellen diese damit zweckgebunden den Nahverkehr. Und genau mit dieser Bahnreform wurde dem Stilllegungsspuk weitestgehend Einhalt geboten, ja, es wurden und werden sogar noch Strecken reaktiviert. In Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz gibt es sehr viele Beispiele gelungener Reaktivierungen. In Bayern würde ich mal sagen, eher weniger. Das liegt u.a. daran, dass in Bayern teilweise nach wie vor Buslinien parallel zu Schienenstrecken verkehren. Das Beispiel Weißenhorn - Senden, bei welchem die Buslinien konsequent auf die wertachtete Schiene ausgerichtet wurden und sämtliche Parallelverkehre abgebaut wurden, ist eines der ersten erfolgreichen Reaktierungsprojekte im Freistaat, zumal die Infrastruktur zugleich von den Stadtwerken Ulm (SWU) und den Kommunen auf Vordermann gebracht wurde. Demnächst, wenn um das Oberzentrum Memmingen herum die regionale S-Bahn mit zahlreichen neuen Haltepunkten in Betrieb geht, handelt es sich in gewissem Sinne auch um eine Reaktivierung, denn seit Jahrzehnten aufgegebenen Haltepunkte werden wiederbelebt werden (Pleß, Heimertingen, Fellheim, Buxheim und neu Amendingen und Memmingen-Berufsschulzentrum).

Auch bei der Staudenbahn ist zu erwarten, dass sie als Teil des Augsburger Stadt-Umlandverkehrs mit ordentlichen Geschwindigkeiten verkehrt und viele Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern bietet (Busbahnhöfe, P&R-Plätze, Bice&Ride-Plätze, Ruf- und Bürgerbusse, gute fußläufige Erreichbarkeit usw.). Ganz erfreulich läuft auch die Entwicklung im Raum Lindau, wo alle früher geschlossenen Stationen zwischen Hergatz und Lindau Hbf wieder eröffnet werden, dazu noch Lindau-Reutin und vielleicht eines Tags auch noch Lindau-Zech.

Die Stationsoffensive gibt es auch hier im Ländle. Dem Vernehmen nach sind ca. 60 Stationen angemeldet worden, für die eine Wiedereröffnung oder ein neuer Halt überlegt wird. Sehr erfreulich ist, dass sich darunter auch kleine "verträumte" frühere Bahnhöfe befinden wie etwa Hausen vor Wald. Von dort aus könnte man zukünftig umsteigefrei in einer guten Stunde bis Freiburg Hbf oder in einer halben Stunde bis Villingen fahren und dies dann jede Stunde. Wenn man sich mal die heute sehr bescheidenen Busverbindungen anschaut und sie mit den Erwartungen der Breisgau-S-Bahn vergleicht, dann liegt dort ein Stück richtiger Zukunft.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Tannenrainer
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Re: Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Beitrag von Tannenrainer »

Vielfahrer hat geschrieben: Mit der Regionalisierung des Nahverkehrs wurden der Bundesbahn sämtliche gemeinwirtschaftlich begründeten Mittel genommen und den Aufgabenträgern übertragen. Seither bestellen diese damit zweckgebunden den Nahverkehr. Und genau mit dieser Bahnreform wurde dem Stilllegungsspuk weitestgehend Einhalt geboten, ja, es wurden und werden sogar noch Strecken reaktiviert. In Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz gibt es sehr viele Beispiele gelungener Reaktivierungen. In Bayern würde ich mal sagen, eher weniger.
Hallo Vielfahrer,

daß dem "Stillegungsspuk" seit der Bahnreform zumindest in den alten Bundesländern Einhalt geboten werden konnte, lag sicherlich auch daran, daß das (Nebenbahn-)Streckennetz über viele Jahrzehnte schon bis zur Schmerzgrenze ausgedünnt worden war, es schlicht und ergreifend kaum noch "Potential" gab, das Netz noch weiter zu "optimieren"...

Ganz anders leider in den neuen Bundesländern, wo das Streckennetz aus verkehrspolitischen Gründen zu DDR-Zeiten wesentlich dichter geblieben war und das ganze Trauerspiel der Stillegungen eben erst ab der Regionalisierung des Nahverkehrs richtig Fahrt aufnahm...
Besonders negativ auffallend bis zum heutigen Tag ist hier v.a. das Land Sachsen mit mehreren Aufgabenträgern, die sich nicht immer grün sind, so daß hier nicht selten der eine einen Streckenabschnitt abbestellte, während der andere seinen Abschnitt eigentlich weiterbestellen wollte...
Und es nimmt kein Ende, im Umkreis der 300 000 Einwohnerstadt Chemnitz beispielsweise wird witerhin munter abbestellt, und es gehört nicht mehr viel Vorstellungskraft dazu, um sich das Erzgebirge ganz ohne Eisenbahn vorzustellen (naja, die dampfbetriebenen Touristikbahnen wie Cranzahl-Oberwiesenthal werden dann wohl immer noch weiterdampfen...)

Insbesondere Strecken, die Bundesländergrenzen durchschritten, hatten von Beginn der Bahnreform die allerschlechtesten Karten, während das eine Bundesland dem Schienenverkehr etwas mehr Priorität schenkte, bestellte das andere rigoros ab ohne Rücksicht auf die Netzwirkung etc., hier könnte ich unzählige Beispiele nennen (Werdau-Wünschendorf zw. Thüringen und Sachsen oder Güstrow-Karow-Meyenburg zw. Mecklenburg-Vorp. und Brandenburg oder Kamenz-Hohenbocka zw. Sachsen und Brandenburg).

Und was die Bahnfreundlichkeit Bayerns angeht: Es gibt wohl in ganz Deutschland keinen vergleichbar dünn besiedelten Landstrich wie Oberfranken, in dem bis zur allerletzten Nebenstrecke durchgängig an allen 7 Tagen die Woche im Stundentakt gefahren wird... da ist man im "Ländle" noch ein ganzes Stück entfernt!
Und vom "ALEX" als vom Freistaat bezahlten Fernzug ganz zu schweigen... Wer einmal mit dem ALEX von München nach Hof oder gar Prag mitgefahren ist, weiß, wovon ich schwärme... ein Komfort, wie man ihn in ganz Deutschland nirgendwo zum Nahverkehrstarif bekommt... hier im Ländle darf man auf solchen, eigentlich fast Fernverkehrsrelationen, in den unsäglichen 612ern Platz nehmen!

Gruß
Tannenrainer
Goldberger
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Re: Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Beitrag von Goldberger »

"daß dem "Stillegungsspuk" seit der Bahnreform zumindest in den alten Bundesländern Einhalt geboten werden konnte, lag sicherlich auch daran, daß das (Nebenbahn-)Streckennetz über viele Jahrzehnte schon bis zur Schmerzgrenze ausgedünnt worden war, es schlicht und ergreifend kaum noch "Potential" gab, das Netz noch weiter zu "optimieren"..."

Das würde ich so nicht sagen - die Bundesbahn hat im Nachhinein gesehen auch fast schon die "falschen" Strecken stillgelegt.
Ich will der Stillegung beileibe nicht das Wort reden, aber Durchgangsstrecken im sehr ländlichen Raum
- z.B. Donautalbahn zwischen Sigmaringen und Tuttlingen,
-aber auch Mosbach-Osterburken,
-Nagoldtalbahn,

weisen einen viel geringeren Verkehr auf, als kleine Stichstrecken in Ballungsräumen. Man hätte sie stillegen müssen vor Strecken wie

-Schönbuchbahn
-Ammertalbahn
-Markgröninger Bahn
-Bottwartalbahn

Schon damals war das also nicht rein betriebswirtschaftlich gedacht, man hat sich dem ländlichen Raum gegenüber mehr Mühe gegeben, als ihm nach Fahrgastpotenzial im Vergleich mit den o.g., zweiten, zeitweise (oder immer noch) stillgelegten Strecken zustand. Kann man durchaus als politische Entscheidung auch nachvollziehen...
Tannenrainer
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Re: Staudenbahn; letzter Tag ÖPNV am 31.5.1991...

Beitrag von Tannenrainer »

Hallo Goldberger,

da geb` ich Dir durchaus Recht, wobei es sicherlich auch poltisch "bequemer" gewesen ist, mal hier, mal da eine Nebenstrecke stillzulegen, als eben Hauptstrecken, an der ein ganzer Landstrich oder Landkreis (z.B. Sigmaringen) "hing"... da wäre der Aufschrei, der durch die Öffentlichkeit gegangen wäre, um ein zigfaches höher gewesen, als bei einer x-beliebigen Stichstrecke, und wenn die Nutzerzahlen noch so mies waren!

Und daß es durchaus erfolgreich sein kann, sich auch über Jahrzehnte hinweg zu wehren und zu engagieren, zeigen die vielen gelungenen Reaktivierungen von doch eher unscheinbaren Nebenstrecken wie Ammertalbahn, Ermstalbahn etc.

Gruß
Tannenrainer
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