am heutigen Morgen ließen wir es nach dem stressigen Vortag wieder etwas gemächlicher angehen. Zunächst stand bei Sonnenschein ein kleiner Spaziergang entlang der Wolga auf dem Programm, die Marschrutka der Uni setzte uns an der Promenade ab und sollte uns später wieder fürs Mittagessen aufsammeln.




Skulptur einer bekannten russischen Filmfigur, auf dem Sockel eingeritzt ein Zitat aus dem Film: „Vaprosi jest? - Vaprosov njet!“/“Gibt es Fragen? - Keine Fragen!“



Am Ende der Uferpromenade befindet sich Samaras bekannteste Brauerei, die das Schigulewskoe Pivo herstellt. Diese 2006 angebrachte Gedenktafel erinnert an ihren Gründer, einen Deutschen namens Alfred von Vakano, der hier 1881 mit der Bierproduktion begann.


Ein Denkmal für die örtliche Luftfahrtindustrie.



Ohne Worte :-D


In einer Antwort auf den vorletzten Teil fand er schon Erwähnung: der Stalin-Bunker, dessen Existenz erst nach 1990 offiziell bekannt wurde und dessen Eingang sich in einem Hinterhof gegenüber des Theaters befindet.

Hiermit steigen wir wieder etwas in die Geschichte des zweiten Weltkriegs ein, als Deutschland die Sowjetunion angriff und auf Moskau zurückte. Innerhalb weniger Monate wurde in Samara, damals Kuibyschew, ein laut Wikipedia 37 m tiefer Bunker erbaut, der von Stalin jedoch nie benutzt wurde, da Moskau gehalten werden konnte.
Wir befinden uns hier noch ganz oben, wo die roten Männchen zu sehen sind.


Ab geht’s in die Tiefe. Nach Aussage vor Ort wurde der Bunker von Moskauer Metroexperten errichtet, laut einer Antwort hier von deutschen Kriegsgefangenen, die anschließend hingerichtet wurden. Ich lass das jetzt einfach mal so im Raum stehen.


Schwarz der von Nazideutschland besetzte Teil der Sowjetunion, wobei mir Samara etwas zu weit nach Norden gerutscht zu sein scheint.


Die Räumlichkeiten an der Bunkersohle wurden dem Kreml in Moskau nachempfunden, da Stalin Klaustrophobiker war.

Da kann man auch mal Platz nehmen ;-)



Zu sehen war im Bunker auch noch, was in Samara in seiner kurzen Zeit als Hauptstadt alles passierte, so etwa 1942 eine große Militärparade auf dem Kuibyschew-Platz zur Demonstration der sowjetischen Stärke. Zahlreiche (heutige) Wohnhäuser wurden zu provisorischen Botschaften umfunktioniert, die Luftfahrtindustrie hastig hierher verlegt, wobei es Anlaufschwierigkeiten bei der Produktion gab. Nach einer Stunde waren wir dann wieder im Freien.
Mit der Marschrutka ging es wieder zurück zur Mensa und am Nachmittag dann noch zum Bahnhof Samara, der mit 93 m das höchste Empfangsgebäude Europas vorzuweisen hat, welches 1994 errichtet wurde. Vielleicht wurde man ja durch die Städtepartnerschaft mit Stuttgart dazu animiert, einen Durchgangsbahnhof hat man ja aber schon ;-) Maxim erzählte mir auch einmal, dass er in den 90er Jahren einen Deutschkurs in der Schwabenmetropole hatte, wobei die Hälfte seines Kurses weiblich war. Und diese Hälfte lebe jetzt komplett in Deutschland. Ich antwortete ihm, dass ich das gut nachvollziehen könne, wenn ich so an die Russinnen denke, die ich in Deutschland kenne :-D

Die Straßenseite, eine Leitung wurde digital abgeschnitten, der Mast war aber vorher schon so schief ;-) Das Gebäude ist innen im Turm wendelförmig aufgebaut, das hat ein bisschen was von Parkhaus, wozu auch die Rampen am Eingang beitragen. Oben im Bahnhof befindet sich die Verwaltung der Kuibyschewer Eisenbahn.

Unser erster Anlaufpunkt war jedoch das Museum der Kuibyschewer Eisenbahn. Wir waren die einzigen Gäste und wurden von der Museumsleiterin geführt. Ich weiß nicht, ob die Öffnung extra für uns war und wie es sonst mit Öffnungszeiten aussah, aber ich meine, es ist nur nachmittags geöffnet.

Ein weiteres Modell der ersten russischen Lok. 1879 wurde in Samara die erste eisenbahntechnische Schule eingerichtet, so das Schild, wobei ich jetzt nicht sagen kann, ob das ein Vorgänger der SamGUPS ist, es aber nicht ausschließen würde.


Achtachsige Kesselwagen hatten wir jetzt ja schon, nun kommen wir auch zu achtachsigen offenen Wagen.

Für die Drehgestellfreunde ein Blick auf dieses dreiachsige, wohl gelenkige Exemplar.


Sicherungstechnik per Token damals und ein auch schon nicht mehr so frischer Vertreter des Computerzeitalters.

Das Netz der Kuibyschewer Eisenbahn hier nochmals etwas deutlicher erkennbar.

Wohl die Ahnenreihe der Präsidenten, darunter Architekturmodelle des aktuellen Bahnhofs und seines Vorgängers aus den 50er Jahren.

Anschließend durften wir noch hoch auf den Turm.




Blick auf die Bahnsteige und ein Depot.

Wenn ich mich recht entsinne das ebenfalls zur Bahn gehörende Krankenhaus oder Gesundheitszentrum.

Hier wären noch ein paar Höhenmeter zu gewinnen ;-)

Am einzigen Hochbahnsteig fährt eine Elektritschka ein. Im Hintergrund ist nicht die Wolga zu sehen sondern „nur“ ein Zufluss.
Wir begaben uns wieder zu unserer Marschrutka und schauten auf dem Rückweg noch beim Raumfahrtmuseum vorbei, wobei wir aus Zeitgründen nicht reingegangen sind:


Eine Perspektive, die man normalerweise auch nicht hat :-)

In der einsetzenden Dämmerung rauschten unten die Straßenbahnen vorbei am Stau.

Hier wurde uns angeboten, dass wir auch mit der Metro zurückfahren könnten, aber unser Interesse war jetzt auch nicht mehr allzu groß. So blieb Samara die einzige Station, in der wir keinen öffentlichen Nahverkehr nutzten. Die Fahrt zurück zum Wohnheim lief mal wieder über völlig andere Wege als bisher, im Feierabendstau brauchten wir eine gute Stunde für eine Strecke, für die wir bei der Ankunft eine halbe Stunde gebraucht hatten. Das nutzten einige Mitfahrer schon einmal für ein Nickerchen ;-)
Nach dem Einsammeln unseres Gepäcks und dem Verteilen kleiner Präsente ging es dann in der Dunkelheit wieder zum Bahnhof, wo wir noch etwa eine Stunde bis zur Abfahrt hatten. Nachdem unser Gepäck im Zug war, bestand nochmal etwas Gelegenheit für Nachtbilder. Mangels Stativ war bei mir nur hohe ISO und Bildstabi mit mehreren Anläufen bei jedem Bild drin.

Erstmals durfte uns eine Diesellok befördern, wobei wir uns darüber noch keine Gedanken machten.

Am Bahnsteig gegenüber stand eine Tsch-S 2K. Der Beimann beobachtete mein Treiben interessiert.

Mit dem spacig blau ausgeleuchteten Bahnhofsturm musste natürlich auch nochmal ein Bild mit unserem Zug sein.
Nach dieser kurzen, aber doch intensiven Zeit in Samara wurde es für manche ein recht emotionaler Abschied. Unter dem stetigen Tamm-Tamm der Schienenstöße und dem regelmäßigen Pfeifen der Lokomotive ging es für uns in die Nacht und weiter gen Süden, zur nächsten Großstadt an der Wolga.
Na swidanie,
Hannes