Stadler Rail expandiert eventuell in die USA

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Stadler Rail expandiert eventuell in die USA

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

in der Neuen Zürcher Zeitung vom 16.06.2014 finden sich heute mehrere Artikel über Stadler Rail.

So zieht Stadler-Rail nunmehr in Betracht, aufgrund des expansiven Markts für Schienenfahrzeuge auch in den USA eine Fabrik zu bauen. Aber auch das Geschäft in Europa läuft gut.

Die Fabriken des Schienenfahrzeugbauers Stadler Rail wirken eindrücklich, in den Produktionsanlagen werden große Zugskompositionen von Anfang bis Schluss zusammengebaut, und komplex sind die technischen Innereien – das ist aber nur ein Teil dessen, was Unternehmensführung und Belegschaft wirtschaftlich erbringen. Wichtige Phasen der Leistungserstellung finden nämlich statt, bevor Metallgehäuse geschweißt werden und Elektronik verkabelt wird. In dieser ersten Phase müssen Ausschreibungen gewonnen werden, damit die Produktionskapazitäten auf absehbare Zeit hinaus „genug Futter“ haben.

Bisher ist dies der Gruppenführung um den Eigentümer und Konzernchef Peter Spuhler gut gelungen. Im vergangenen Jahr hat sich der Umsatz der Gruppe um 5 % auf 2,5 Mrd. Fr. erhöht, so hoch war der Ausstoß vorher noch nie. Die Mitarbeiterzahl hat proportional gar etwas stärker zugelegt. Jahresabschnitte sind für das Geschäft im Schienenfahrzeugbau allerdings keine sehr aussagekräftige Periodeneinteilung. Aufträge laufen meist über mehrere Jahre, und die Konzernführung sucht die Zukunft als „richtiges“ Bündel einander überlagernder und sich ablösender Bestellungen zu gestalten.

Besonders wichtig war in dieser Hinsicht der jüngst von den SBB erhaltene Zuschlag zum Bau der knapp 30 Züge für den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Neat-Linie mit einem Auftragsvolumen von knapp 1 Mrd. Franken mit Fertigstellung des ersten Zugs im November 2016. Dieser Zuschlag wird nun von den unterlegenen Konkurrenten Alstom und Talgo angefochten, so dass der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts abzuwarten ist. Dies bedeutet für alle Neuland, aber die Stadler-Rail-Führung ist zuversichtlich, dass dies lediglich eine Verzögerung bedeute und die Jahre 2015 und 2016 mit genügend Auftragsvolumen anreichern werde.

Wird dieser Auftrag eingerechnet, könnte 2014 nach dem Einbruch von 2012 (0,7 Mrd. Fr.) und nach der Erholung von 2013 (2,6 Mrd. Fr.) ein Bestellungsrekord bringen – 2010 hatte man nicht weit unter 3 Mrd. Fr. gelegen. Das Wachstum wird auch in Zentral- und Osteuropa vorangetrieben. Etliche der 25 Züge für die Moskauer S-Bahn (380 Mio €) werden bereits im neuen Werk in Minsk gebaut, von dem aus die Märkte in der GUS erschlossen werden sollen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: Stadler Rail expandiert eventuell in die USA

Beitrag von Vielfahrer »

Beat Gygi kommentiert in der NZZ vom 16. Juni 2014 die Entwicklung der Stadler Rail:

Es ist eine einprägsame Geschichte, dass in der Schweiz die einst großen Hersteller von Eisenbahnzügen vor einiger Zeit verschwunden sind und eine ehemals eindrückliche, durch große Strukturen geprägte Industrie aufgegeben hat – und dass ein wenig später das viel kleinere Unternehmen Stadler Rail die Tradition im Prinzip wieder aufgenommen hat und auf andere Art und Weise zu einer neuen Expansion gebracht hat. Beide Welten sind heute beim Bahnfahren noch zu erleben. Die früheren, schweren Strukturen des schweizerischen Lokomotiven und Waggonbaus in Großkonzernen sind etwa in den älteren Zügen auf dem Schweizer Netz noch zu sehen. Das jüngere Rollmaterial dagegen kommt zum Teil aus den kleineren und flexibleren Strukturen der Stadler-Rail-Gruppe, die sich damals nach dem Antritt ihres Chefs und Eigentümers Peter Spuhler von kleiner Basis aus rasch zu einem tonangebenden Akteur der mittelgroßen Unternehmen in Europa entwickelt hat.

Die neue Phase und Generation von Zügen ist wahrscheinlich durch eine Kombination von neuer unternehmerischer Freiheit und technischem Fortschritt zustande gekommen. Zum einen kam es Stadler sicher entgegen, dass die Miniaturisierung der technischen Komponenten in Verbindung mit dem Einsatz von Elektronik und Software auch für kleinere Firmen die Möglichkeit eröffnete, Züge und Lokomotiven zu bauen – oder zusammenzusetzen. Letzterer Begriff veranschaulicht eigentlich besser, dass es eher um das Integrieren von Bauteilen als um ein Großbauwerk mit einer Art Zentralplanung für alle Komponenten geht.

Die Stadler-Gruppe ist aber auch in anderer Hinsicht ein Gegenentwurf zu den früheren Eisenbahn-Konstruktions-Riesen: Es ist eine private Firma mit einem Chef und Eigentümer an der Spitze, der jeweils schnell und rasch wirksam entscheiden kann, welchen Weg das Unternehmen nehmen soll. Die Frage ist allerdings offen, ob das Unternehmen noch lange so weiterwachsen kann, ohne die bisher speziell ausgeprägte Flexibilität zu verlieren.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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