Der Bus ist der Eisenbahn überlegen...

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Der Bus ist der Eisenbahn überlegen...

Beitrag von Vielfahrer »

Dieser Tage habe ich vom Verband der baden-württembergischen Busunternehmer eine von Karlheinz Rößler (den K-21-Befürwortern sicherlich gut bekannt) erstellte Analyse zum Vergleich von Bus und Bahn zugesandt bekommen. Interessante Aspekte hat Herr Rössler da zusammengestellt. Ich picke mal einige Daten aus der Studie heraus:

Energieverbrauch pro 100 km (Benzinäqivalent, Umweltbundesamt) Linienbus 3,3 Liter, U- und S-Bahn 3,9 Liter, Eisenbahn im Nahverkehr 4,8 Liter.

CO2-Emissionen (Umweltbundesamt) Bus 21,0 g/100 Pkm), Straßenbahn, U-Bahn, S-Bahn, 20,0 g/100 Pkm, Eisenbahn im Nahverkehr 21,0 g/100 Pkm.

Primärenergieverbrauch (durchschnittliche Besetzung):
Doppeldecker-Reisebus 0,7 Liter/Person und 100 Luftlinien-Kilometer
Einstöckiger Reisebus 1,0 Liter/Person und 100 Luftlinien-Kilometer
VW-Lupo "3-Liter" 2,0 Liter/Person und 100 Luftlinien-Kilometer
Oberklassen-PKW 6,4 Liter/Person und 100 Luftlinien-Kilometer
IC auf Altstrecke (max. 160 km(h) 2,1 Liter/Person und 100 Luftlinien-Kilometer
ICE-3 auf NBS (max. 300 km/h) 4,7 Liter/Person und 100 Luftlinien-Kilometer.

Auch bei der Leistungsfähigkeit eines Bus-Rapid-Transports (BRT), wie er z.B. in Istanbul mit einer Fahrzeugfolge von 20 bis 25 sec. besteht, schneiden die Busse nicht schlecht ab.

Die Leistungsfähigkeit einer Buslinie wird mit 36.000 Pers/Stunde angegeben, die einer S-Bahn mit 48.960 Personen/Stunde, die einer U-Bahn mit 27.360 Personen/Stunde.

Die Kosten für den Fahrweg inclusive Haltestellen betragen nach Rößler für eine 2-spurige Bus-Trasse 3 Mio. Euro/km,
für eine 2-gleisige Stadtbahntrasse 7 Mio. Euro, für eine 2-gleisige oberirdische Bahnstrecke (S-Bahn, U-Bahn) 15 Mio. Euro/km und
für eine 2-gleisige Bahnstrecke im Tunnel (S-Bahn, U-Bahn) 90 Mio. Euro.

Im Endergebnis kommt Rößler zu folgender Bewertung:
Engergiebedarf: Bus günstiger als SPNV
CO2-Ausstoß: beide Verkehrsmittel gleichwertig
Lärm: Bus günstiger als SPNV
Zuverlässigkeit: Bus günstiger als SPNV
Leistungsfähigkeit pro Fahrspur als BRT-System/Gleis: gleichwertig zum SPNV
Kosten Fahrweg + Betrieb: Bus günstiger als SPNV
Flexibilität bezüglich der Stadtentwicklung: Bus günstiger als SPNV.

Rößler schreibt weiter: Die gängige und vorallem auch durch die Medien verbreitete Vorstellung, der SPNV (Zug, S-, U-, Stadt- und Straßenbahn) sei dem Nahverkehrs-Omnibus ökologisch überlegen, muss fundamental revidiert werden: Der Bus schneidet hinsichtlich Energiesparsamkeit und Lärmarmut besser als der Schienenverkehr ab und er besitzt durch die Umstellung vom herkömmlichen Diesel- auf Elektro- oder Hybrid-Antrieb noch ein großes Entwicklungspotential. Deshalb wird er zukünftig wohl auch bei der Vermeidung des Treibhausgases CO2 im Vorteil sein, während er heute in etwa gleichauf mit dem Schienenverkehr liegt, bezogen auf dieselbe Transportleistung. Wegen seiner wenig störanfälligen Fahrweg-Technik ist der Bus zuverlässiger als der Schienenverkehr, der oft durch Signal-, Oberleitungs- Weichen oder Stellwerksstörungen behindert wird. Werden BRT-Systeme aufgebaut, so ist der Bus hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit pro Fahrspur dem Schienenverkehr pro Gleis in etwa ebenbürtig. Auch die Gesamtkosten der Fahrzeuge, des Fahrweges und des Betriebes lassen den Bus gegenüber den Schienenfahrzeugen als günstiger erscheinen. Der Bus beseitzt eine große Flexibilität zur Anpassung an die zukünftige städtebauliche Entwicklung im Gegensatz zum Schienenverkehr.

Karlheinz Rößler war in der Markt- und Sozialforschung in Hamburg und München sowie an der Universität München tätig. Er wirkte beim Aufbau der Verbände PRO BAHN e.V. und dem Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) mit und arbeitete später in der Leitung dieser Verbände. Neben diesen Tätigkeiten war er freier Journalist mit Schwerpunkten Eisenbahn, Transrapid und Umweltprobleme der Verkehrsmittel. Von 1991 bis 2013 war Karlheinz Rößler Geschäftsführer der VIEREGG-RÖSSLER GmbH, seit 1991 Gesellschafter.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Tf Reinhard
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Re: Der Bus ist der Eisenbahn überlegen...

Beitrag von Tf Reinhard »

Irgendwie fehlen da die "Fahrwegsstörungen" der Straßen. Zum Beispiel Behinderungen durch Unfälle oder Staus durch hohes Verkehrsaufkommen. Dann ersetzen wir doch mal jeden Zug, der im Berufsverkehr nach Stuttgart fährt, durch entsprechend viele Busse. Ob sich der Knoten dann bis zum Mittag wieder aufgelöst hat?

Reinhard
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Re: Der Bus ist der Eisenbahn überlegen...

Beitrag von Gleisexperte »

Hallo,

mit den Erhebungen ist es so eine Sache. Da kann nicht alleszu 100 Prozent berücksichtigt werden.

Zu den Bussen: Der grüne MeinFernbus knüpft sein Netz immer dichter. Konstanz erhält ab 11.6. seine dritte Linie: Insel Mainau - Freiburg viermal täglich. Fahrzeit 1,45 Std., Preis ab 8 Euro. Tettnang wird über Friedrichshafen umsteigefrei mit Freiburg angebunden. Das tägliche Angebot auh nach München wird weiter ausgebaut. Neu geht es auch von München nach Wien.
Die zwei agilen jungen Manager kommen ja aus der DB-Konzernzentrale. Dort durften sie wohl ihre Idee nicht umsetzen u. machten sich selbstständig.

Was setzt die Bahn dagegen? Baustellen, SEV u. Verspätungen sowie Kauf maroder Unternehmen im Ausland. Dies zeigte der Beitrag im Ersten "Betriebsstörung" deutlich. Da ist aber auch die Politik gefordert. Zu diesem Thema gibt es in der zweiten Junihälfte in Südwest 3 noch einen Themenabend.

Es grüßt der
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Re: Der Bus ist der Eisenbahn überlegen...

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Gleisexperte,

das sehe ich ähnlich mit den Statistiken. Strecken im Tunnel sind teuer, das steht ohne Zweifel fest. Allerdings dürfte der Verkehrslärm in den dichtbesiedelten Gebieten dann unterdurchschnittlich bzw. gleich Null sein. Aber beim Energieverbrauch dürfte ein Bus einen von einer 218er gezogenen RE leicht abhängen, ebenso dürfte der Bus im Vergleich zum VT 611 im Vorteil sein.

Was die zukünftigen Entwicklungen anbetrifft, so sind Hybridbusse sicherlich noch umweltfreundlicher als die heutigen Dieselbusse. Aber wer sagt denn, dass die Zukunft auf der Schiene nicht auch bei den Hybridfahrzeugen oder gar der Elektrifizierung der Strecken liegt? Dank der Technik kann sogar beim Bremsen Energie zurückgewonnen werden und wieder ins Netz eingespeist werden.

Was bei der Studie irgendwie auch ganz fehlt, das sind die individuellen Entscheidungen der Fahrgäste - und auf die kommt es letztlich aber an. Beispielsweise hat die Zahl der Fahrgäste zwischen Rottweil und Villingen, zwischen Villingen und Donaueschingen oder zwischen Aldingen und Tuttlingen im Vergleich zu früher (Busbetrieb und RE der DB) drastisch zugenommen. Einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl dürfte die Fahrzeit haben. Beim Bus besteht da das Problem, dass die Entscheidungsträger in den Städten und Gemeinden sich ausgesprochen schwer damit tun, den Busverkehr (zu Lasten des Individualverkehrs) zu beschleunigen oder ihm gar eigene Flächen zuzugestehen. Und auch der Vergleich zwischen einem 3-Liter-Lupo und einem Wagen der Oberklasse mag vorderhand stimmen. Tatsächlich aber spielt der Komfort eines Oberklasse-Wagens eine große Rolle für den Fahrgast. Während man in einem "Kleinwagen" nach 200 km ziemlich "geschafft" sein dürfte, merkt man bei einem Oberklasse-Wagen selbst 500 km Strecke nicht sonderlich.

Viele Grüße vom Vielfahrer
DE 18
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Re: Der Bus ist der Eisenbahn überlegen...

Beitrag von DE 18 »

Hallo Vielfahrer,

der Komfortfaktor ist echt nicht zu unterschätzen. Ich persönlich fahre gerne mit der Eisenbahn, weil man dabei deutlich weniger durchgeschaukelt wird (außer in Bahnhofseinfahrten) und wegen der größeren Sitzabstände. Da stehe ich im Bus immer mit den Knien am Vordersitz an, obwohl ich gar nicht so groß bin.

oT: Da möchte ich mal die viel gescholtenen Sitze im agilis (die wohl auch von der DB gekauft werden) in Schutz nehmen. Die dünne (nach meiner Meinung ausreichende) Rückenpolsterung nimmt wenig Platz weg und bietet (geradeso) ausreichenden Sitzabstand und dennoch viele Sitzplätze. Auch auf der Sitzflächenpolstern lässt es sich 3 Stunden aushalten.[/size]
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