Ringzug verursacht ca. 1,5 Mio. € an externen Kosten

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Vielfahrer
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Ringzug verursacht ca. 1,5 Mio. € an externen Kosten

Beitrag von Vielfahrer »

Der Ringzug verursacht pro Jahr ca. 1,520 Mio. € an externen, d.h. nicht dem Ringzug angelasteten Kosten. Auf diesen Wert bin ich gekommen, nachdem ich gerade einen Beitrag in der Eisenbahntechnischen Rundschau der in Hinterzarten wohnenden Verkehrswissenschaftlers Dr. Gunther Ellwanger gelesen habe. Den Wert habe ich folgendermaßen ermittelt: Dr. Ellwanger gibt an, dass ein Diesel-Schienenfahrzeug pro 1.000 Personenkilometer ca. 34,10 € an externen, d.h. nicht vom Verursacher gedeckten Kosten erzeugt. Bei den 45 Millionen Personenkilometern, die pro Jahr im Ringzug erbracht werden, errechnen sich hieraus die dem Ringzug eigentlich noch anzulastenden Kosten in Höhe von 1,520 Mio. €.

Würde der Ringzug elektrisch betrieben, so könnten diese Kosten auf 535.000.- € gesenkt werden. Würde man den Ringzugbetrieb komplett auf Busverkehre umstellen, so würden die externen Kosten 1,506 Mio. € betragen, wären also geringfügig geringer als mit dem aktuellen Dieselbetrieb. Würde gar kein öffentlicher Verkehr angeboten und müssten alle Personenkilometer mit dem Individualverkehr zurückgelegt werden, so lägen die externen Kosten bei 2,857 Mio. € pro Jahr.

Dr. Ellwanger erklärt in dem Beitrag gut verständlich, was externe Kosten sind: Externe Kosten werden nicht von den sie verursachenden Verkehrsteilnehmern getragen, sondern insbesondere von der Allgemeinheit. Verkehrsteilnehmer berücksichtigen sie nicht bei ihren Entscheidungen für einen bestimmten Verkehrsträger. Für die Schiene mit ihren extrem niedrigen externen Kosten entsteht daraus ein Wettbewerbsnachteil. Die wichtigsten externen Kosten im Verkehr sind: ungedeckte Unfallkosten, Kosten des Klimawandels, der Luftverschmutzung und des Lärms.

Dr. Ellwanger ist der Vorsitzende der Gesellschaft für Rationale Verkehrspolitik, die am 20.04.2013 in Siegburg ihre diesjährige Jahresversammlung abhält. Wer daran Interesse hat, dorthin mal mitzufahren und mitzudiskutieren oder gar in die GRV einzutreten, der kann sich gerne bei mir per PN melden.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Goldberger
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Re: Ringzug verursacht ca. 1,5 Mio. € an externen Kosten

Beitrag von Goldberger »

Ich halte solche Berechnungen zwar nicht für ganz verkehrt, allerdings wird hier nach meinem Eindruck häufig versucht etwas zu operationalisieren was - mit heutigem Wissensstand - nicht wirklich in Zahlen auszuauszudrücken ist bzw. nur sehr subjektiv und bei genauerer Betrachtung kaum wissenschaftlichen Überprüfungen standhält. Schlimm ist es, wenn dies dazu genutzt wird, statt einer "echten" politischen Entscheidung für oder wieder bestimmte Gutachten entscheiden zu lassen.

Ein Beispiel hierfür ist die standardisierte Bewertung: Insbesondere auch die Presse hinterfragt hier praktisch nie, sondern gibt immer nur das Mantra einer Zahl aus: <1 lohnt sich nicht, oder "bringt doppelt so viel Nutzen" wie Kosten.

Letztendlich gibt es hier aber Unsicherheiten in extremer Größenordnung - was kostet/bringt eigentlich eine vermiedenes CO2 ? Lies mal die Bedarfsplanüberprüfung zum MVWP durch, dort wird man sehen dass sich die Bewertungsmaßstäbe m.W. mal eben um 30% (nach unten) verändert haben - zwar durch die scharz-gelbe Koalition, aber immerhin in Richtung des Wertes, den das UBA schon vorher i.d.R. annimmt. Kaum jemand wird heute mehr ernsthaft bestreiten, dass CO2 zum Klimawandel beiträgt, aber wieviel und wieviel im Verhältnis z.B. zu CO2 ? Was kostet 10cm Meeresspiegelanstieg wirklich ? Zynische Frage: Was ist ein Überschwemmungsopfer in Bangladesh wert ? Unfallfolgen: Was ist ein Menschenleben hier Wert ? Wie stark wirkt sich welche Art von Abgasen auf die zunehmenden Lungenkrankheiten hierzulande aus ? Wer kann die langfristigen Behandlungskosten und//oder Veränderungen der Rentenbezugsdauer seriös durchrechnen ? Welche externen Kosten nehme ich hinein: Sind geringere Löhne (und damit Kaufkraft, Hartz-Aufstockung) bei Busfahreren gegenüber Lokführern eingerechnet ?
Oder ist es vielleicht sogar besser viele eher schlecht bezahlte Arbeitsplätze zu haben (Busfahrer) als weniger besser bezahlte (Lokführer) ? Überhaupt, warum ein Wert für ein "Diesel-Schienenfahrzeug" ? Gibt es nicht einen Unterschied zwischen RS1 und 6teiligem Dieseltriebwagen ?

Keine Frage, es gibt externe Kosten, und sie sind wahrscheinlich beim ÖPNV geringer als beim MIV. Aber alle Versuche, eine Absolutzahl zu generieren (bzw. monetär zu bewerten), halte ich einfach für unseriös. Hunderte Fragestellungen, Erhebungsunsicherheiten und Bewertungsspielräume, alle in für Statistiker entsetzlichen Größenordnungen zusammengemixt. Das ist für mich Pseudowissenschaft. Leider wird sowas immer weniger hinterfragt.

Sinnvoller wäre es hingegen, z.B. die standardisierte Bewertung zu dem heranzunehmen, zu was sie auch taugt: Priorisierung vergleichbarer Projekte untereinander, und nicht Stop/Go zur Finanzierung.
Vielfahrer
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Re: Ringzug verursacht ca. 1,5 Mio. € an externen Kosten

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Goldberger,

da stimme ich Dir schon zu. Die Bewertung der externen Kosten ist in der Tat fraglich. Trotzdem gibt es natürlich Berechnungen, um Quantifizierungen vornehmen zu können. Die gesamten externen Verkehrskosten in der EU wurden für 2008 mit 514 Mrd. € oder 4% des BIP geschätzt (nicht gerechnet). 77% der externen Kosten entfallen dabei auf den Personenverkehr und 23 % auf den Güterverkehr. Größter Kostenverursacher ist mit 61,5 % der PKW, gefolgt vom LKW mit 12,7 % und den Lieferwagen mit 9,4 %. Insgesamt ist der Straßenverkehr für 93 % aller externen Kosten verantwortlich, auf die Schiene entfallen nur 1,9 %. Der Luftverkehr ist mit 5,2 % beteiligt, obwohl die Interkontinentalflüge und die Frachtflüge nicht erfasst sind. Zusätzlich gibt es auf der Straße Staukosten, welche mit 146 - 243 Mrd. € geschätzt werden. Für den Schienen- und Luftverkehr wurden Staukosten nicht ermittelt, da bereits bei der Fahrplanerstellung die Auswirkungen der Kapazität auf die Betriebskosten eingerechnet wurden.

Bei der Bewertung beispielsweise des Klimawandels kann man grundsätzlich den Ansatz der Schadenskosten oder den Ansatz der Vermeidungskosten wählen. Weil es ein Ziel der Weltklimakonferenz ist, den Temperaturanstieg auf maximal 2° C zu begrenzen, um z.B. das Ansteigen der Meere zu bremsen, wird in diversen Studien dem Ansatz der Vermeidungskosten der Vorzug eingeräumt. Aber auch bei dem Vermeidungskosten-Ansatz gibt es niedrige Ansätze, denen zufolge die Vermeidung von 1 t CO² mit 25.- € berwertet wird, es gibt aber auch den Ansatz mit 146.- € Vermeidungskosten pro t CO².

Übrigens betragen beim elektr. Bahnbetrieb die sog. vor- und nachgelagerten Kosten rund 2/3 der Kosten aus. Gemeint sind damit in erster Linie die Kosten für die Erzeugung des elektrischen Stroms.

Gleich, wie man die Kostenansätze bewertet: Eines scheint ziemlich sicher in allen Studien zu sein, nämlich dass der Verkehrsträger Straße sehr stark davon profitiert, dass die externen Kosten von der Allgemeinheit getragen werden. Da aber das eigene Konsum- bzw. Mobilitätsverhalten sich am ehesten über den eigenen Geldbeutel verändern lässt, wäre eine zumindest ansatzweise Anlastung der externen Kosten bei den jeweiligen Verkehrsträgern ein sinnvoller Weg, um die Ziele der Weltklimakonferenz realisieren zu können.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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