Zugstreichungen im Nahverkehr?

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Vielfahrer
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Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Vielfahrer »

Die Trassenpreisgestaltung von DB-Netz beinhaltete bislang Regionalfaktoren, also länderspezifisch unterschiedliche Zuschläge. Diese hatten den Sinn, dass beispielsweise auf einer Strecke in Brandenburg, wo nur 5 Zugpaare am Tag fahren, DB-Netz die Vorhaltungskosten erwirtschaften konnte. In Baden-Württemberg etwa waren die sog. Regionalfaktoren geringer oder gar nicht vorhanden, weil hier vergleichsweise genug Züge über die Strecken fahren, um die Fixkosten zu erwirtschaften.
Nunmehr haben von der Regionalzuschlägen betroffene Bundesländer gegen die Regionalfaktoren geklagt und Recht bekommen. Dies hat sich dann so geäußert, dass die DB-Netz ihre nicht gedeckten Kosten auf alle Strecken umgelegen musste und somit auch Bundesländer mit vergleichsweise starken Zugfrequenzen nunmehr deutlich höhere Trassenpreise bezahlen müssen.
Dies ganz einfach nur mal als Erklärung, weil interessierte Kreise (z.B. der BUND) die Schauermärchen unters Volk bringen, dass man ja schon immer gesagt habe, wegen Stuttgart 21 würde der Nahverkehr im Ländle zusammen gestrichen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von wolfgang65 »

Und die Trassenkostenpreiserhöhung (nicht die Trassenkosten selber) führt zu einer signifikanten Erhöhung der Kosten eines Zuges?? Also als Außenstehender kann ich mir das nicht so ganz vorstellen - Hat hier jemand echte Zahlen?

Grüße

Wolfgang
Vielfahrer
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Wolfgang,

Die Erhöhung der Trassenkosten durch Umlegung der Regionalfaktoren bedeutet für das Land Baden-Württemberg entsprechend einem Bericht der Stuttgarter Zeitung von heute (Seite 5) Mehrkosten von 60 Mio. Euro. Demzufolge liegt die Erhöhung bei ca. 50 Mio Zugkilometern bei etwas über einem Euro/km, was alles andere als unbeträchtlich ist. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Zuschuss, den z.B. der Freistaat Bayern für die RE-Züge von München nach Mühldorf bezahlt, ca. 80 Ct beträgt, also nahezu eine Kostendeckung erreicht wird (Trassen, Stationspreise, Zugförderung, Vertrieb usw. enthalten). Eine Erhöhung der Trassenpreise infolge Umlegung der Regionalfaktoren haut da ganz schön rein.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von wolfgang65 »

Hallo Vielfahrer,

dann bin ich wohl nicht der Lage die Entgeldtabelle von DB Netz richtig zu lesen. Auszug hieraus:


---------------------------------------------------------------------------
...
Zur Kompensation der ab 11. 12. 2011 entfallenden
Regionalfaktoren wird eine Entgeltanpassung durch -
geführt. Die Kategoriegrundpreise enthalten für die
Streckenkategorien F6, Z1 und Z2 eine anteilige Erhö-
hung als Kompensation für den ab 11. 12. 2011 entfallenden Regionalfaktor. Bei der Streckenkategorie F6
beträgt diese 0,22 EUR/Trkm und bei den Strecken -
kategorien Z1 und Z2 je 0,23 EUR/Trkm.

Gelingt bis zum 30. 06. 2011 eine vertragliche Vereinbarung mit allen Bundesländern zur Kompensation
der entfallenden Regionalfaktoren, würde dieser Teil
der Erhöhung der Grundpreise nicht zum 11. 12. 2011
wirksam werden.
In diesem Fall würden sich die Kategoriegrundpreise
wie folgt reduzieren:

F6: 2,42 EUR/Trkm (anstatt 2,64 EUR/Trkm)
Z1: 2,51 EUR/Trkm (anstatt 2,74 EUR/Trkm)
Z2: 2,59 EUR/Trkm (anstatt 2,82 EUR/Trkm)
.....
--------------------------------------------------------------------------
http://fahrweg.dbnetze.com/site/dbnetz/ ... re2012.pdf

Was ist an meiner Interpretation hier falsch.

Grüße

Wolfgang
Vielfahrer
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Wolfgang,

vermutlich ist an Deiner Interpretation nichts falsch. Die Stuttgarter Zeitung schreibt, dass die Umlegung der Regionalfaktoren auf die Trassenpreise sich im Jahr 2012 mit nur 18 Mio. Euro auswirken würde (das wären bei etwas über 50 Mio Zugkm etwas weniger als 30 Ct/km, stimmt also von der Dimension). Für das Jahr 2013 werden aber 60 Mio. Euro aufgrund erhöhter Trassenkosten fehlen. Dabei gehe ich mal davon aus, dass sich die Zahl der Zugkilometer bei den Angaben nicht wesentlich geändert hat. Folglich wäre eine zusätzliche bundesweite Verteuerung der Trassengebühren die Ursache für 2013. Auf diese Art und Weise könnte der Bundesfinanzminister sich sozusagen "Regionalisierungsmittel" zurückholen, da der Bund ja Überschüsse von DB-Netz bislang einfordert.

Regionalisierungsmittel waren ursprünglich ja auch dazu gedacht, die früheren gemeinwirtschaftlichen Kosten des Bundes auf die Länder umzuschichten und auszugleichen. Viele Länder haben dann aber diese Mittel für andere Zwecke genutzt oder eigene Anstrengungen durch Regionalsierungsmittel substituiert und die eigenen Mittel für andere Zwecke ausgegeben. Aus diesem Grund hatte der Bund ja schon einmal bei einer Revision der Regionalisierungsmittel Kürzungen vorgenommen, weil Gelder von Aufgabenträgern für anderweitige Zwecke verwendet wurden.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir übrigens ein, dass etwa das Land Baden-Württemberg aus den Regionalisierungsmitteln heraus auch das Baden-Württemberg-Kursbuch bezahlt hat, denn die 10.- € Verkaufspreis haben die Kosten ja bei weitem nicht gedeckt. Nunmehr wird es leider kein Baden-Württemberg-Kursbuch mehr geben, war kürzlich von der Nahverkehrsgesellschaft zu vernehmen. Eine nicht gut zu heißende Entscheidung, denn wenn ich neue Märkte erschließen will, dann darf ich mit meinem Angebotskatalog nicht knausern.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von wolfgang65 »

Jetzt könnte man mit Fug und Recht aber die 18 Mio als Peanuts sehen, wenn man die mit den sicher drastisch erhöhten jährlichen Unterhaltskosten des neuen Bahnhofes in Stuttgart vergleicht. Aber diese Thema will ich hier so nicht aufmachen.

Grüße

Wolfgang
Vielfahrer
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Vielfahrer »

Die laufenden Unterhaltskosten werden sicherlich hoch sein (aber erst nach 2020 zu Buche schlagen). Auf der anderen Seite aber hätten in den bestehenden Hauptbahnhof auch nach DB-Angaben ca. 1,3 Mrd. Euro investiert werden müssen, um diesen für weitere 50 Jahre Nutzungszeit tauglich zu machen. Die heutigen Anlagen sind ja überwiegend schon 90 Jahre alt und über die normale Nutzungsdauer längst hinaus.

1,3 Mrd. Euro am Kapitalmarkt aufgenommen würden auch zu erheblichen laufenden Zinskosten führen, die keineswegs vernachlässigbar wären.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Bm 6/6 18514
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Bm 6/6 18514 »

Das ist aber in meinen Augen nicht (nur) auf die entfallenden Regionalfaktoren zurückzuführen, sondern dass die DB allgemein die Preise für die Infrastruktur deutlich erhöht.
Ist natürlich ein gutes Geschäft, wenn man immer mehr Marktanteile verliert, dass sinkt zwar der Gewinn für den DB-EVU, der Gesamtgewinn man kann aber trotzdem erhöhen, in dem man im Monopolbereich mehr verdient, speziell wenn man Geld von den Privaten Konkurrenten in die DB-Kasse umleiten kann. Bzw. wenn im Nahverkehr in den Verkehrsverträgen ein durchreichen vereinbart ist, direkt vom Staat in die DB-Kasse leiten.

Andere Bundesländern leiden auch unter den höheren Preisen, in Baden-Württemberg kommt halt noch zusätzliche dazu, dass man zur Finanzierung von S 21 noch mehr Züge streichen muss als durch die DB Preiserhöhungen alleine nötig.
Zudem hat man einen für die DB sehr lukrativen Verkehrsvertrag geschlossen, um die pro S21 zu stimmen, das Geld, das man da vermutlich zuviel zahlt, fehlt natürlich andernorts.

Vor längerem gab es ja schon eine grössere Kürzungsrunde, weil das Geld fehlte. Vor der letzten Wahl gab es plötzliche wieder Fahrplanverbesserung, wo mir nicht klar war, wo das Geld dazu auf einmal herkommt. Der Verdacht liegt daher nahe, dass die damligen Verbesserung aus den Geldern bezahlt wurde, die in den folgenen Jahren für S 21 abgezweigt werden sollten, damals aber natürlich nicht benötigt wurden. Dann wäre es von anfang an absehbar gewesen, dass 2 Jahre später, wenn der Bau von S 21 beginnt, diese Züge (oder alternativ andere) wieder gestrichen werden müssen.

Florian
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Hannes
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Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Hannes »

Des einen Freud, des andern Leid: In Sachsen profitiert man stellenweise von der Kippung der Regionalfaktoren, dadurch kann zumind. das Zugangebot im Bereich des Zweckverbands Verkehrsverbund Oberelbe beibehalten werden, hier waren ursprünglich Kürzungen vorgesehen, weil das zuständige Wirtschaftsministerium (geführt übrigens von einem Schwaben mit dem Namen Sven Morlok) die Mittel für den Regionalverkehr in zwei Runden kürzt. Andere sächsische Verbünde mussten dagegen schon einen erheblichen Teil ihres Angebotes streichen. Ob die Verbindung Meißen-Nossen die nächste Kürzungsrunde überleben wird ist dagegen fraglich, die Infrastruktur ist von der DB Netz bereits ausgeschrieben worden.
"Deutsche siegen im Fußball, aber bei der Bahn ist täglich Cordoba."
ÖBB-Chef Christian Kern in der Kronenzeitung vom 8.11.14
Betriebsbahnhof

Re: Zugstreichungen im Nahverkehr?

Beitrag von Betriebsbahnhof »

Es ist dem Land Baden-Württemberg, einem der reichsten Bundesländer, nicht verboten auch Eigenmittel zur Aufstockung zu nutzen, wenn das Geld nicht mehr reicht, zumindest bis der Verkehrsvertrag ausläuft, was ja absehbar ist.
Hier kann die Landesregierung dann zeigen wie viel Wert ihr der SPNV wirklich ist.

Ansonsten müssen die Gelder die der Bund zur Verfügung gestellt wird endlich aufgestockt werden. Alles wird teuerer im Leben, auch der SPNV und daher braucht es da mal mehr Geld. Man kann doch nicht die nächsten 100 Jahre mit dem derzeitigen Geld SPNV bestellen, so naiv kann doch keiner sein.
Der Wettbewerb führt auch nur einmal zu Einsparungen, aber dem Zeitpunkt der Zweitausschreibung steigen auch da die Kosten an.
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