Unterwegs zwischen böhmischen Dörfern [m25B]

Hier könnt Ihr Eure Bilder präsentieren. Darf auch mal vom Thema Eisenbahn abkommen.
Antworten
Benutzeravatar
Hannes
Weichensteller
Weichensteller
Beiträge: 1083
Registriert: Di 11. Mär 2008, 22:50
Alter: 35

Unterwegs zwischen böhmischen Dörfern [m25B]

Beitrag von Hannes »

Hallo,
vergangenen Mittwoch war bei uns in Sachsen als einzigem Bundesland Feiertag (Buß- und Bettag – für viele Studenten eher ein Betttag, auch aufgrund von Campusnacht und Campusbeben am Vorabend :Frol: ), was ich eigentlich für einen Ausflug mit Freunden rüber nach Tschechien nutzen wollte. Da aber die Koordination nicht so klappen wollte und mein kurzfristig zugesagter Mitfahrer lieber die Nacht zum Tag gemacht hat, bin ich am Morgen dann doch alleine losgefahren. Weil ich es aber mal ausnahmsweise nicht kurz vor knapp auf meinen Zug geschafft hab, konnte ich noch ein paar Bilder im Dresdner Hbf machen:

Bild
Seit Fahrplanwechsel im Juni fährt die Baureihe 145 den RE 50 Saxonia Dresden-Leipzig als Ersatz für Talent2-Triebwagen, von denen die vierteilige Bauart ja aber inzwischen sogar vollständig zugelassen ist. Wann die Triebwagen zum Einsatz kommen, ist aber noch unklar, ich weiß auch gar nicht, wievielteilig die Variante ist, die dort (leider) als Ersatz für die Dostos fahren soll. Übergangsweise soll wohl auch noch die Baureihe 182 zum Einsatz kommen.

Bild
612 611 bildet heute den RE/Sp 5251 nach Liberec (Reichenberg), der Lokführer war so nett und öffnete von selbst die Vorhänge am Führerstand, so dass ich am Platz hinterm Führerstand etwas Streckensicht genießen konnte. Ab Fahrplanwechsel kommen hier leider Desiros zum Einsatz, die nicht ganz den „Komfort“ eines 612ers bieten können, dafür sind sie wenigstens niederflurig. Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich mal aus Fahrgastsicht dem 612er nachtrauern würde...
Weil bei uns in Sachsen die Züge zum Glück fast alle mit Zugbegleitpersonal besetzt sind, war es auch kein Problem, für die Strecke Zittau(Grenze)-Liberec im Zug ein Ticket zu erwerben, das mit 1,70 € ganz günstig ausfiel (mein Semesterticket gilt ja nur bis Zittau). Leider recht langsam und nicht vertaktet ist der Abschnitt Zittau(Grenze)-Hradek nad Nisou, der für 3 km ohne Betriebsstelle über polnisches Gebiet führt und dessen Gleiszustand gerade einmal gefühl Tempo 40-50 erlaubt. Direkt hinter der Grenze zu Tschechien geht es dann immerhin schon wieder auf 70 hoch, auch wenn der Gleiszustand nur minimal besser ist, aber da sind die Tschechen toleranter. In Hradik nad Nisou steht man dann leider wieder 10 Minuten zum (nach Zittau erneuten) Personalwechsel mit dem Gegenzug rum, sonst wäre die Strecke Zittau-Liberec locker in unter 30 Minuten zu schaffen. Voll sind die Züge allerdings trotzdem, die Bahn erfährt in Tschechien doch noch einen anderen Zuspruch als bei uns.

Bild
In Liberec hab ich dann mal einen Geldautomaten aufgesucht und dieses Bild der Straßenbahn- und Bushaltestelle am Vorplatz gemacht, wo gerade ein Bus ins Zentrum einen Halt einlegt. Der Fahrkartenkauf danach war noch etwas kompliziert, von meinem Tschechischkurs im Sommersemester ist nicht so viel hängen geblieben und die Nachfrage, ob das Ticket, das mir ein Freund genannt hatte, für den ganzen Tag gültig wäre, fiel etwas kompliziert aus. Ein Schnäppchen war´s trotzdem, auch wenn es, wie ich im Nachhinein erfahren habe, noch ein günstigeres gegeben hätte. Das LIBNET+-Ticket kostet 160 Kronen (ca. 6,25 €) und gilt im ZVON, im Liberecký Kraj und in Polen bei PKS und PR und entspricht dem Euro-Neisse-Ticket des ZVON, der dafür aber 11,50 € verlangt. Günstiger wäre noch das IDOL-Tagesticket mit 90 Kronen.

Bild
Mit einem Regionova der Baureihe 814, aus Brotbüchsen der Baureihe 810 recycelten Triebwagen mit Niederflurabteil, ging es nach Oldřichov v Hájích, das mir auf der Strecke Richtung Polen fotostellenmäßig ganz gut ausseh, wie auf zelpage.cz zu sehen war. Vom Prinzip sind die Regionovas ja ganz nett, sind aber eben nur mit etwas anderem Aufbau und Inneneinrichtung versehene Brotbüchsen und dröhnen innen auch entsprechend. Hier verlässt gerade der Zug aus Frýdlant v Čechách nach Liberec den Haltepunkt, die Sonne war leider noch nicht weit genug über den Berg, ist aber wenigstens schon damit beschäftigt, den Nebel aufzulösen.

Bild
Das gut gepflegte Gebäude des Haltepunkts war mir ein Bild auf meinem Weg zur nächsten Fotostelle wert. Insgesamt erfreulich, wie die Betriebsstellen in Tschechien sich präsentieren, deutschen Standards vllt. nicht immer entsprechend, aber meistens doch robuster als irgendwelche bushaltestellenähnlichen Unterstände in Deutschland, deren Glasscheiben von der örtlichen Jugend dann zertrümmert werden. Alle Haltestellen, die ich gesehen hab, waren wenigstens sauber. Einen Fahrkartenautomat sucht man vergebens, die gibt es nur im Zug beim Schaffner.

Bild
Der nächste Zug aus Liberec erreicht die kleine Ortschaft. Bis Frýdlant herrscht Stundentakt, auf den sich anschließenden Strecken werden teils Stundentakt, teils aber auch nur Zweistundentakt oder einzelne Züge angeboten.

Bild
Der Nebel hat sich etwas gelichtet und die Sonne wenigstens das Gleis erreicht. Unten links ist ein einfacher mit Blinklicht gesicherter Überweg angedeutet erkennbar, wie er in Deutschland auch selten vorkommt.

Bild
Fast eine Stunde später hat die Sonne leider schon fast den gesamten Rauhreif von den Bäumen geschmolzen, als 814 211 auf dem Weg nach Liberec an meiner Kamera vorbeifuhr. Etwas Hoffnung auf Güterverkehr aus Richtung Polen machte mir danach ein Zug aus vier Taucherbrillen und zwei Rolldachwagen in Richtung polnischer Grenze.

Bild
Mit dem nächsten Zug bin ich dann bis nach Frýdlant v Čechách gefahren, wo der werktägliche Stundentakt endet. Hier stand dieses Taucherbrillendoppel mit Autowagenleerzug, sollte sich aber den restlichen Tag nicht mehr weiter zum nächsten Skodawerk in Bewegung setzen. Dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass es nur Handweichen gibt, der Weichenwärter hockt in der Bude links vom Zug. Ein Fuchs-Greifbagger tut beim örtlichen Schrotthändler seinen Dienst. Die Fotostelle am Einfahrsignal war leider schon nicht mehr umsetzbar, die Schatten waren schneller am Gleis als der nächste Zug ausfahren konnte.

Bild
Rechts ist gerade die Brotbüchse aus Černousy eingefahren, die ohne vorherigen Halt direkt bis an die Puffer des wartenden Regionova nach Liberec rangefahren ist. Planmäßig sind die zwei Minuten für einen klassisch mechanischen Kuppelvorgang. Links wartet die Brotbüchse auf Reisende nach Jindřichovice pod Smrkem, hier gibt es einen Zweistundentakt mit Verstärkerfahrten.

Bild
Das hübsch hergerichtete Empfangsgebäude mit der wartenden Brotbüchse und einem Lada einträchtig neben einer Blechkiste aus dem Ländle.

Nach der Kreuzung mit dem auf dem vorletzten Bild zu sehenden Zug kam mein Regionova nach Černousy, mit dem ich bis zum nächsten Halt in Minkovice mitgefahren bin. Dort gab es direkt am Haltepunkt diese Stelle in Richtung Frýdlant, wo aber leider nur wieder der nächste Regionova abgepasst werden konnte:

Bild

Bild

Nach einem Nachschuss, der mir an einer schwierigen Stelle nicht ganz so gut geglückt ist, bin ich dann zu Fuß weiter nach Višňová gelaufen, weil es gerade mal 1 km weiter ist. Der Bahnhof liegt aber hinter dem Ort, so dass ich es dorthin nicht mehr bis zum nächsten Zug geschafft habe. Dort entstand dann diese Aufnahme:

Bild

Nachdem ich noch ein Stückchen bis hinter den Bahnhof gelaufen bin, hab ich meine Wanderung abgebrochen und wartete am Bahnhof, der auch noch einen Warteraum zu bieten hat, auf den nächsten Zug zur Grenze, der dann wenig später eintraf:

Bild

Bild
Černousy ist der letzte Bahnhof vor der polnischen Grenze, nur Güterverkehr geht dort aber rüber, der Personenverkehr endet dort.

Bild
Ähnlich wie in Baden-Württemberg 1987 in der Region Karlsruhe mit den 628ern begonnen ist der Liberecký Kraj (Region Liberec) der erste in Tschechien, der Regionalverkehr bei der České dráhy bestellt und auch Fahrzeugmaterial fördert, was von Stadler in Form von 16 RS1 für die Region Liberec und 17 Triebwagen für die Region um Jihlava (südliches Tschechien) geliefert wird. Am 4. November gab es eine Vorstellungsfahrt über die Strecken nördlich von Liberec, so auch nach Černousy. Gegenüber den Regionovas und Brotbüchsen sind die Regioshuttles dann doch eine ziemliche Komfortsteigerung, die die CD auch in Liberec mit Plakaten „Novy vlaky Stadler“ bewirbt.

Bild
Als ich aus der anderen Richtung noch Bilder gemacht hab, gesellte sich der Lokführer mit seiner DSLR dazu und meinte irgendwas mit „Machiny“ zu mir, worauf ich aber nur mit einem verschmitzten Lächeln antworten konnte, über „Hallo“ und „Auf Wiedersehen“ reichen meine Tschechischkenntnisse kaum heraus, da hat auch der Versuch auf der Fahrt morgens von Dresden her noch etwas aufzufrischen wenig gebracht.

Bild
Ganz interessant fand ich in Liberec auf dem Bahnsteig diese elektronischen Abfahtspläne. Ähnliches testen derzeit auch die DVB, allerdings ohne Steuerknöpfe und damit unkomfortabler. Von der Bedienung waren die Tafeln echt gut.

Bild
612 604 als Sp/RE 5254 nach Dresden hab ich nur fotografisch genommen, geht ja nur noch einen Monat. Danach bin ich noch etwas in die Innenstadt.

Bild
An der zentralen Bushaltestelle Fügnerova im Zentrum wird dieser Stadt/Regionalbus gerade von den Fahrgästen gestürmt.

Bild
Auf zwei Spurweiten wird das Straßenbahnnetz der Verkehrsbetriebe der Stadt Liberec betrieben, die Fahrzeuge sind aber auf 1000 wie auf 1435 mm die gleichen nämlich Tatra KT3-Fahrzeuge, teils mit Niederflurabteil ausgerüstet. Laut Wikipedia-Artikel gibt es jedoch auch moderne und die Umspurung auf 1435 mm hängt zusammen mit Plänen eines Stadtbahnverkehrs nach Karlsruher Vorbild, der jedoch vom Prager Verkehrsministerium als nicht vordringlich erachtet wird und deshalb finanziell aus Eis liegt. Die erste Linie sollte ursprünglich schon 2007 in Betrieb gehen.

Bild
Auf dem Rückweg zum Bahnhof, der auf der Höhe liegt, konnte dieser Blick auf den Betriebshof der DPML geworfen werden.

Bild
Ein „Kofferradio“ der Baureihe 742 war im Bahnhof am Rangieren: Toller Sound - weniger tolle Abgaswerte. Riesige Scheinwerfermaste erhellen den Bahnhofsbereich, ähnlich, wie es auch in Frankreich gehandhabt wird.

Bild
Soeben ist 642 322 der Vogtlandbahn als Trilex in Liberec angekommen. Vor gut einem Jahr hat der Trilex die Sächsisch-Böhmische Eisenbahn mit ihren Uerdingern abgelöst, die die Strecke zwischen Zittau und Seifhennersdorf gerettet hat. Seit Dezember 2010 gibt es nun das grenzüberschreitende Angebot Trilex von Liberec über Zittau und Varnsdorf stündlich alternierend nach Seifhennersdorf und Rybniště. Das Zugbegleitpersonal ist zweisprachig unterwegs, Fahrscheine können bei ihm im Zug erworben werden.

Im Laufe des kommenden Jahres dürfte der Regionalverkehr rund um Liberec wohl aus (ausländischer) Fuzzysicht etwas uninteressanter werden, aus Fahrgastsicht ist es jedoch sicherlich begrüßenswert, dass auf vielen Strecken angenehme Niederflurfahrzeuge eingesetzt werden.

Grüße, Hannes
"Deutsche siegen im Fußball, aber bei der Bahn ist täglich Cordoba."
ÖBB-Chef Christian Kern in der Kronenzeitung vom 8.11.14
Benutzeravatar
Gilles LENHARD
Rangierhelfer
Rangierhelfer
Beiträge: 584
Registriert: Mi 17. Aug 2011, 20:49
Wohnort: Schwindratzheim
Alter: 58
Kontaktdaten:

Re: Unterwegs zwischen böhmischen Dörfern [m25B]

Beitrag von Gilles LENHARD »

Schöner Beitrag, danke...
Antworten