Doppelspurausbau Bülach - Schaffhausen

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Vielfahrer
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Doppelspurausbau Bülach - Schaffhausen

Beitrag von Vielfahrer »

Anlässlich einer Sitzung des Interessensverband Gäubahn am Donnerstag, den 5. Mai 2011 informierte Ronald Menzi vom Bundesamt für Verkehr in Bern über die Planungen zum Anschluss der Schweiz an den Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV-A). Die Strecke Bülach - Schaffhausen wird dazu als Bestandsteil der Verbindung von Zürich nach Stuttgart teilweise doppelspurig ausgebaut.

Die Ausbauten sind in zwei Teilprojekte unterteilt:
Teilprojekt 1: Doppelspurausbau von Hüntwangen-Wil bis Rafs, Bauarbeiten am Bahnhof Rafz, fünftes Gleis, Verlängerung Perron für durchgehendes Gleis 4.
Teilprojekt 2: Doppelspurausbau von Jestetten Süd bis vor den Fischerhölzlitunnel, Modernisierung und behindertenfreundlicher Ausbau der Bahnhöfe Jestetten und Lottstetten.

Ziel der Ausbauten ist es, bessere Anschlüsse von Zürich nach Stuttgart zu ermöglichen. Dank der Doppelspurausbauten zwischen Bülach und Schaffhausen verkehren ab 2012 die Schnellzüge im Halbstundentakt zwischen Schaffhausen und Zürich. Zudem kann ab Dezember 2015 eine direkte stündliche S-Bahn-Verbindung zwischen Zürich und Schaffhasuen geschaffen werden.

Die Kosten für die Strecke Hüntwangen-Wil - Rafz betragen 38,5 Mio Franken. Die Bauarbeiten dauerten von Juni 2009 bis Dezember 2010, sind also abgeschlossen, d.h. die Doppelspur ist bereits in Betrieb.

Die Kosten für den Abschnitt Jestetten-Süd - Fischerhölzlitunnel sowie für die Bahnhöfe Jestetten und Lottstetten betragen 107 Mio. Franken. Die Bauarbeiten haben im Juli 2010 begonnen und werden im Dezember 2012 abgeschlossen, der Bahnhof Lottstetten 2013.

Im Bahnhof Jestetten werden zwei Bahnsteige mit je 320 Metern Länge an die Gleise 2 und 3 gebaut. Das alte Gleis 1 wird zurückgebaut. Die Bahnsteige werden über eine neue Personenunterführung mit Treppen und behindertengerechten Rampen erschlossen. Im Bereich des ehemaligen Freiverladeplatzes wird eine Buswendeschleife mit Bushaltestelle erstellt.

Zu besichtigen waren der neue zweigleisige Viadukt bei Nohl, der besonders aufwändig so gestaltet wurde, dass er wunderbar in die Landschaft passt. Die zweigleisige Eisenbahnbrücke wurde analog der historischen Gestalt des Mehrfachgewölbes realsiert. Die Ingenieure merkten an, dass es ihnen Spaß gemacht hätte, mal wieder so wie früher zu bauen. Eine Großbaustelle ist immer noch die Überführung der B 27 bei Jestetten über die Bahnlinie. Hier musste die bestehende Bundesstraßenüberführung aus dem Jahr 1935 abgebrochen werden und komplett neu gebaut werden und dazu die Bundesstraße deutlich verlegt werden. Wie ausgeführt wurde, müssen die Arbeiten bis zum 20. August abgeschlossen sein, da nur zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Zeitfenster besteht. Mit verlegt wurde die Überführung Bergstraße am Ortsrand von Jestetten. Bei diesem Bauprojekt wurde von den Sicherheitsingenieuren erläutert, wie die Baustellen, die ja unter uneingeschränktem Zugverkehr betrieben werden, gesichert werden. So etwa sind die Baukräne so eingerichtet, dass es gar keine Möglichkeit gibt, dass sie aus Versehen ins Lichtraumprofil der Bahn ragen können. Die entsprechenden Laufkatzen sind so blockiert, dass dies unmöglich ist. Dies führt zu bestimmten Erschwernissen, etwa beim Abladen von LKWs, wird aber im Interesse der Vermeidung von Unfällen als absolut notwendig angesehen.

Die Zugfahrten werden auch durch akustische Warnanlagen gesichert. Dabei verändern diese Warnanlagen alle paar Wochen ihre Signaltöne, weil man festgestellt hatte, dass im Laufe der Zeit die Signaltöne bei den Bauarbeitern so ins Fleisch und Blut übergangegen sind, dass sie nicht mehr als Warnton wahrgenommen werden. Bei neuen Signaltönen wiederum funktioniert die Warnung besser. Im Gegensatz zu den Bauarbeitern tragen die Sicherheitsingenieure (und nur die) weiße Schutzhelme. Dies hat den Hintergrund, dass ein Lokführer sofort erkennen kann, dass die Baustelle gesichert ist, wenn er einen weißen Helm erkennen kann.

Im Bereich des Bahnhofs Jestetten muss ein zusätzliches Gleis verlegt werden, welches eine bislang dort verlaufende Erschließungsstraße verdrängt. Um für diesen Weg Platz zu schaffen, musste der Hang mittels einer Verbreiterung einschließlich Stützkonstruktion umgebaut werden. Die Stützkonstruktion wird auf Bohrpfählen abgestützt, wobei in den unmittelbar angrenzenden Wohnhäusern die Bohrgeräusche leider nicht vermieden werden konnten. Aus diesem Grund wird auch nicht nachts gearbeitet.

Berichtet wurde auch, dass entsprechend den deutschen Bestimmungen bis zu 4 m hohe Lärmschutzwände erstellt werden müssen. Die Anwohner jedoch wollten keine Lärmschutzwand haben. Trotzdem schreibt der deutsche Gesetzgeber dies vor und die Lärmschutzwände müssen gebaut werden.

Im Anschluss an die interessante Baustellenbesichtigung gab es dann im alten Schulhaus von Jestetten noch einen Imbiss, bei welchem viele Gespräche geführt werden konnten, über Fahrplankonzepte, Tarifverbünde, Einnahmeaufteilungsverfahren, Stuttgart 21, den Güterverkehr, die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke, Linienbündelungskonzepte, Finanzierungsmodelle usw., so dass sich der investierte Tag mehr als gelohnt hat.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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