10 Jahre Reaktivierung Senden - Weißenhorn gefeiert

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Vielfahrer
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10 Jahre Reaktivierung Senden - Weißenhorn gefeiert

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

das 10-jährige Jubiläum der Reaktivierung der Strecke (Ulm-) Senden – Weißenhorn wurde gestern gefeiert. Von Münsingen aus war ein Dampfzug mit der Zuglok Paula 97 501 und 7 Waggons der Schwäbischen Alb-Bahn von den Stadtwerken Ulm gechartert worden, der tagsüber einige Zwischenpendel von Weißenhorn nach Senden und zurückgefahren ist, ehe er abends wieder zurück nach Münsingen gedampft ist.

Gegen 10:30 Uhr traf der Sonderzug in Weißenhorn ein und wurde von der Stadtkapelle begrüßt. Die geladenen Gäste gingen danach zu Fuß in die Fuggerhalle, wo die Jubiläumsveranstaltung stattgefunden hat.

Die Moderation der Veranstaltung hatte Herr Fuchs übernommen. Wie üblich, begrüßte Herr Fuchs einige der Gäste, so z.B. den Oberbürgermeister Gunter Czisch aus Ulm oder den früheren Neu-Ulmer Landrat Erich-Josef Gessner, während dessen Amtszeit die Strecke Senden – Weißenhorn reaktiviert wurde. Auch Vertreter des Landtags und der Regierung sowie führende Mitarbeiter der Bahn aus München waren zugegen, ebenso viele Stadt- und Kreisräte.

Zunächst gab Herr Ralf Gummersbach, Geschäftsführer der Stadtwerke Ulm, einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte der Bahn nach Weißenhorn. Für den einen oder anderen dürfte es neu gewesen sein, dass zunächst daran gedacht gewesen war, den heutigen Landkreis Neu-Ulm aus Richtung Augsburg über Günzburg – Weißenhorn in Richtung Memmingen zu erschließen. Es setzte sich später aber dann die Illertalbahn von Neu-Ulm über Senden nach Memmingen durch. Weißenhorn wurde dann über die Stichstrecke ab Senden an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Interessant waren die Aufnahmen, die Herr Gummersbach vom Betrieb der Bahn Senden – Weißenhorn aus deren Anfangsjahren zeigen konnte, aber auch die Aufnahmen von der letzten Fahrt vor der Einstellung des Personenverkehrs am 25.09.1966. Die Strecke wurde danach nur noch im Güterverkehr bedient, ehe am 15.12.2013 die Reaktivierung erfolgte. Aufnahmen, die kurz vor den Arbeiten zur Reaktivierung der Strecke im Bahnhof Weißenhorn entstanden, zeigten, wie rasch die Natur die nahezu aufgegebene Bahnlinie sich zurückgeholt hatte. Trostlos sah das Gelände aus, nur an einigen Stellen standen abgestellte Pkw auf dem Bahngelände herum. Fotos, die wenige Tage vor Eröffnung der reaktivierten Strecke gemacht wurden, zeigten deutlich, was die SWU in kurzer Zeit geleistet hatte. Die SWU, die schon auf einigen Anschlussgleisen im Raum Ulm gewisse Erfahrungen mit Eisenbahnverkehrsinfrastrukturen hatte, richtete die Strecke Senden – Weißenhorn mit einem überschaubaren Aufwand von ca. 13 Mio. € so her, dass Geschwindigkeiten von 100 km/h gefahren werden konnten. Die Streckengleise wurden damals allerdings nicht grundlegend erneuert. Erst in diesem Herbst wurden zwischen Senden und Weißenhorn die 120 Jahre alten Bahngleise erneuert. Dazu war die Strecke in den Sommerferien für fünf Wochen komplett gesperrt. Pünktlich wurden die Erneuerungsarbeiten abgeschlossen und seither rollt der Bahnverkehr wieder von früh bis nach Mitternacht im Stundentakt.

Hauptteil der Reaktivierungsfeier waren Statements von 8 Gästen, die auf das Podium geladen waren. Neben Herrn Gummersbach waren dies die Geschäftsführerin der Bayrischen Eisenbahn Gesellschaft (BEG) Bärbel Fuchs, der Geschäftsführer Dr. Oliver Dümmler von der Regiostadtbahn Donau-Iller, Herr Karsten Reinema vom Betreiber DB Regio Schwaben-Allgäu, Frau Bürgermeisterin Claudia Schäfer-Rudolf von der Stadt Senden, Herr Bürgermeister Dr. Wolfgang Fendt von der Stadt Weißenhorn, Herr Landrat a.D. Thorsten Freudenberger vom Landkreis Neu-Ulm (jetzt Abgeordneter der CSU im bayrischen Landtag) und Herr Bernhard Jüstel aus Weißenhorn, Stadt- und Kreisrat und Aktivist bei der Agenda, die sich u.a. mit Sonderzügen jahrelang für die Reaktivierung der Strecke im Personenverkehr eingesetzt hat und 400 Unterschriften für die Reaktivierung der Bahnlinie gesammelt hatte.

Aus Sicht von Frau Bärbel Fuchs ist die Reaktivierung der Bahnlinie Senden – Weißenhorn erfolgreich verlaufen. Als einen Grund dafür nannte sie die direkte Verbindung von Weißenhorn in das Oberzentrum Ulm/Neu-Ulm. Da die Fahrzeiten im Vergleich zur früheren Busverbindung nahezu halbiert werden konnten und von früh bis spät ein täglicher Stundentakt angeboten werden konnte, haben sich die Fahrgastzahlen so positiv entwickelt, dass mit dem Fahrplanwechsel am 10.12.2023 das Fahrplanangebot zu verschiedenen Tageszeiten an Werktagen auf einen Halbstunden-Takt verdichtet werden kann. Sie führte auch aus, dass es sich um ein Gesamtprojekt von Bahn und Bus handele, welches in Weißenhorn und in Senden über sehr gute Verknüpfungen in viele nicht an der Schiene liegende Ortschaften biete. In Räumen ohne direkte Anbindung an zentrale Orte, also in ländlichen Räumen, sei es viel kritischer, Schienenstrecken zu reaktivieren. Dort würden Buslinien mit vielen Haltestellen häufig einen größeren Kundennutzen zu viel geringeren Kosten ermöglichen.

Herr Dr. Oliver Dümmler sah in der Reaktivierung der Schienenstrecke Senden – Weißenhorn ein ganz wichtiges Element der Konzeption der Regio-S-Bahn Donau-Iller. Der jetzt erfolgte Einstieg in den 30-Minuten-Takt läge genau auf der Linie der Regio-S-Bahn-Planungen, ebenso die Vernetzung mit dem Umland an den Drehscheiben in Senden und Weißenhorn. Sein Verband werde sich für eine Ausweitung des 30-Minuten-Takts einsetzen, wobei steigende Fahrgastzahlen dafür ein gutes Argument wären.

Herr Karsten Reinema von DB-Regio konnte sich darüber freuen, dass seine Strecke im bayrischen Qualitätsranking in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. War der „Weißenhorner“ zunächst ganz unten im Qualitätsranking in Bayern, so belegt er jetzt einen guten Mittelplatz, was auch auf den Tausch der Fahrzeuge zurückzuführen ist (VT 622 anstatt RegioShuttle des RAB).

Herr Jüstel berichtete, dass er sich früher immer gewundert hätte, dass zwischen Senden und Weißenhorn Schienen liegen, aber kein Personenverkehr angeboten wird. Zusammen mit anderen Gleichgesinnten organisierte er jährlich Sonderfahrten, um das Interesse an der Bahnlinie zu wecken bzw. wach zu halten. Mit der nunmehr vor 10 Jahren erfolgten Reaktivierung habe sich für ihn sein Traum verwirklicht.

Frau Claudia Schäfer-Rudolf berichtete, dass die Stadt Senden im kommenden Jahr das ganze Bahnhofsumfeld aufwerten wolle. Nachdem die Bahn die Bahnsteige erneuert und eine barrierefreie Überführung mit drei Aufzügen erstellt habe, werde die Stadt Senden nunmehr 8 Bushaltestellen unmittelbar an den Bahnsteigzugängen anlegen, für attraktive Fahrradabstellmöglichkeiten und auch für sonstige Aufenthaltsqualität sorgen. Den Bahnhof Senden sieht sie als Aushängeschild ihrer Stadt, der eine wichtige Drehscheibenfunktion mit dem Umland erfüllt. Die Reaktivierung der Bahnlinie nach Weißenhorn hätte die Zusammenarbeit mit der Nachbarkommune weiter verstärkt. Viele Aufgaben würden sich ohnehin nur gemeinschaftlich lösen lassen.

Bürgermeister Dr. Wolfgang Fendt von der Stadt Weißenhorn berichtete, dass er schon immer für die Reaktivierung der Bahn gewesen sei, zunächst allerdings eher nicht daran geglaubt hätte, dass dies tatsächlich passieren wird. Er hätte aber verfolgen können, wie vor nunmehr über 10 Jahren das Engagement des Landkreises Schwung in die Reaktivierungsbemühungen gebracht hätte. Die Stadt Weißenhorn hätte dann mitgezogen und unter anderem den neuen Busbahnhof am Bahnhof Weißenhorn gebaut. Alle Ortschaften im Umland Weißenhorns seien seither gut an die Schiene angebunden. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass die Infrastruktur einer Kommune stimmt. Mit der Reaktivierung der Schienenstrecke und dem guten Angebot würden auch die in Weißenhorn ansässigen Industrie- und Gewerbebetriebe Vorteile haben, denn die Gewinnung zusätzlicher Arbeitskräfte sei mit einem guten Bahnanschluss leichter zu bewerkstelligen.

Abschließend wurde Herr Gummersbach von den SWU noch gefragt, ob neben dem prosperierenden Personenverkehr auch der Güterverkehr auf der Schiene eine Rolle spiele. Herr Gummersbach berichtete, dass es leider nur noch einen Güterverkehrskunden (Westfalengas) geben würde. Die anderen früheren Kunden (z.B. Peri, Bundeswehr, Landhandel usw.) seien alle abgesprungen und setzen auf die Straße.

Als SWU aber freue er sich, dass mit der beabsichtigten Elektrifizierung der Illertalbahn auch die Strecke nach Weißenhorn elektrifiziert wird. Er erwähnte auch, dass die SWU bei anderen Reaktivierungsprojekten in der nähren und weiteren Umgebung tätig ist (z.B. Staudenbahn) und bedankte sich auch für die gute Zusammenarbeit mit DB-Netz und BEG.

Abschließend gab es noch ein Buffet, bei welchem Gespräche mit Referenten und Gästen geführt werden konnten.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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