Dreimal Gäubahn in einer Woche
Verfasst: Sa 16. Jul 2022, 15:31
Hallo,
am Dienstag und am Donnerstag der nächsten Woche gibt es zwei Veranstaltungen mit Staatssekretär Michael Theurer vom Berliner Verkehrsministerium u.a. zur Gäubahn. Die erste Veranstaltung findet am Dienstag im Landratsamt in Böblingen statt, die zweite im Rahmen des Singener Bahngipfeles im Rathaus in Singen. Bereits am Montag findet eine Sitzung des Lenkungskreises statt (Land, Stadt Stuttgart, Region Stuttgart, Flughafen, Bahn), bei welcher es natürlich auch um die Gäubahn geht.
Viele der Teilnehmer dieser Sitzungen haben sich am Donnerstag dieser Woche im Rahmen einer Sitzung des Interessenverbands Gäubahn bereits im Rathaus besprochen. Die Positionen sind teilweise unterschiedlich. Wichtig war aber allen Teilnehmern, dass die Gemeinsamkeiten betont wurden. Nach meiner Einschätzung liegen diese primär darin, dass sich keiner der Anwesenden gegen eine zukünftige Führung der Gäubahn über den Flughafen in den Tiefbahnhof ausgesprochen hat. Seitens der Stadt Stuttgart wurde nochmals auf die Volksabstimmung eingegangen. Dabei zeigte sich, dass die Zustimmung zu S 21 zwar in Stuttgart mehrheitlich gegeben war, jedoch viel schwächer als etwa entlang der Gäubahn in südlicher Richtung. Die Zustimmung zum Projekt S 21 war also entlang der Gäubahn besonders hoch, was damit erläutert wurde, dass die Führung der Gäubahn über den Flughafen ein wesentliches Ziel darstellt, welches in den Augen der Abstimmenden offenbar einen hohen Nutzen erwarten lässt. Keine Stimme fand sich dafür, die Flughafenvariante (Pfaffensteigtunnel) aufzugeben und dauerhaft über die Panoramabahn zu fahren.
Eine weitere Gemeinsamkeit war, dass alle sich dafür ausgesprochen haben, die IC-Züge nicht in Stuttgart-Vaihingen enden zu lassen, sondern nach Möglichkeit bis zu einem neuen Nordhalt (liegt unmittelbar westlich des heutigen S-Bahnhofs Stuttgart-Nord) fahren zu lassen. Wie der Verbandsvorsitzende Thomas Bopp von der Region Stuttgart erläuterte, soll der Nordhalt sicherstellen, dass Fahrgäste von der Gäubahn weiterhin mit nur einem Umstieg die S-Bahnen erreichen können (S 1 bis S 3 in Stuttgart-Vaihingen, S4 - S6 am Nordhalt. Dadurch ist sichergestellt, dass für Fahrgäste von der Gäubahn in die Stadt Stuttgart weiterhin gute, d.h. schnelle Reisezeiten angeboten werden können. Nach Bopps Ausführungen ist die Stadt Stuttgart zu rund 50% das Ziel von Fahrgästen der Gäubahn. Der Nordhalt sei nicht sinnvoll, um in die Innenstadt zu fahren. Er solle primär für den nördlichen regionalen Bereich vorteilhaft sein, also die Richtung Leonberg, Bietigheim-Bissingen oder auch Marbach-Backnang.
Wie Bopp weiter ausführte, wäre die Region Stuttgart das Ziel von ca. 1.500 Gäubahnfahrgästen im Tagesschnitt. Hier gäbe es je nach Ziel Reisezeitgleichheit, aber auch Reisezeitverlängerungen und Reisezeitverkürzungen. Etwas schlechter als bislang gewohnt würden die Verbindungen in Richtung Würzburg und Nürnberg.
Bei den 900 Fernverkehrsfahrgästen (18% der 5.000 täglichen Gäubahnfahrgäste) wäre es so, dass die Richtung Frankfurt teilweise Einbußen erleiden würde, während es ab der Streckenführung über den Flughafen etwa in Richtung München deutliche Reisezeitverkürzungen geben würde. In der Interimsphase jedoch müsse man schon sehen, dass der zusätzliche Umstieg in Stuttgart-Vaihingen eine Zumutung darstelle.
Für die Städte entlang der Gäubahn in Richtung Schweiz sprach der Böblinger OB Dr. Stefan Belz diese Zumutung an und wandte sich entschieden gegen einen Umstieg etwa in Stuttgart-Vaihingen. Betroffen seien im Süden insgesamt 1,4 Mio. Einwohner. Seitens der Stadt Stuttgart kritisierte Frau Klett-Eininger diese Zahlen. Der Großraum Stuttgart würde 2,8 Mio. Einwohner aufweisen, darunter würden tagtäglich ca. 300.000 nach Stuttgart einpendeln. Sowohl die Bewohner als auch die Pendler würden seit 2010 erheblich durch die Bauarbeiten zu S 21 belastet. Dies dürfe nicht vergessen werden. Die Zumutung eines - überwiegend bahnsteiggleichen - Umstiegs in Stuttgart-Vaihingen auf die S-Bahn für täglich maximal 5.000 Fahrgäste sei da durchaus im Rahmen, zumal sich nach der Interimsphase ja vielerlei Verbesserungen gegenüber dem Status quo ergeben würden.
Irgendwie war es schon abzusehen gewesen, dass jeder Diskussionsteilnehmer die Sichtweise seiner Klientel in den Vordergrund stellte.
Baubürgermeister Peter Pätzold kam auch auf lokale Gesichtspunkte zu sprechen. So sieht die Konzeption der Stadt Stuttgart vor, dass die Schillerstraße (Arnulf-Klett-Platz) bis auf Taxi und Busse verkehrsberuhigt wird. Der Verkehr soll zukünftig über die Wolframstraße (etwa 800 m weiter nordöstlich) geführt werden, um den neuen Bahnhof optimal an die Innenstadt anbinden zu können. Würde man nun oberirdisch oder unterirdisch die Gäubahngleise beibehalten, so käme es zu einem Konflikt mit der Wolframstraße aus topographischen Gründen. Berücksichtigen müsse man auch, dass es unter Straßen auch Leitungen gibt. Die Planungen der Stadt Stuttgart sehen vor, dass ab Ende 2025 die Gleisanlagen gänzlich entfernt werden und die Topografie angepasst wird. Dann müssten neue Leitungen gelegt werden, das Gebiet erschlossen werden usw. und das alles dauere seine Zeit. Bis die 5000 bis 6000 Wohneinheiten dann gebaut werden könnten, würde es schon Jahre dauern. Wenn man die Gäubahngleise liegen lassen würde, vielleicht bis 2035, so könnte erst danach mit der Beseitigung der Topografie begonnen werden und entsprechend würden sich die Wohneinheiten verzögern. Der Bedarf an Wohnungen in Stuttgart sei aber riesig groß.
Diesen Ball - wohl nicht ganz ernst gemeint - griff der Freudenstädter Landrat Dr. Rückert auf und bot an, dass die Wohnungssuchenden ja in den Landkreis Freudenstadt ziehen könnten und dann mit perfekten Bahnverbindungen täglich nach Stuttgart pendeln könnten.
Der Böblinger Landrat prophezeite, dass sein Kreistag eine einstimmige Resolution gegen eine Alternativführung der Gäubahn via Horb - Tübingen - Nürtingen - Flughafen nach Stuttgart verabschieden werde, sprach sich jedoch dafür aus, die Gemeinsamkeiten und nicht die Differenzen zu betonen.
Der Horber Oberbürgermeister Peter Rosenberger, Stellvertreter von Guido Wolf im Vorstand des Interessenverbands GNBB, sagte, dass die Strecke Horb - Tübingen natürlich ausgebaut und elektrifiziert werden solle, je früher desto besser. Nach seiner Ansicht seien aber das zwei unterschiedliche Projekte. Die Gäubahn solle über den kurzen Weg nach Stuttgart geführt werden, die Strecke Horb - Tübingen wäre für die Regionalstadtbahn Neckar Alb enorm wichtig.
Aus vielen Wortmeldungen ging hervor, dass die Sitzung im Rathaus Stuttgart den Blick auf viele neue Aspekte eröffnet habe. Der Vorschlag von Herrn Hickmann, sich ausführlich und in aller Ruhe mit den denkbaren Varianten und auch Zeitplänen zu befassen, wurde rundum für gut befunden. Angestrebt wird nun, dass nach der Sommerpause eine Art Faktencheck zur Gäubahn während der Interimsphase stattfindet, bei welcher auch die erwarteten Kosten dargestellt werden sollen. Klarheit bestand auch darin, dass juristische Auseinandersetzungen nicht zielführend sein werden, jedenfalls nicht, was das Ziel betrifft, die Interimszeit möglichst kurz zu halten.
Viele Grüße vom Vielfahrer
am Dienstag und am Donnerstag der nächsten Woche gibt es zwei Veranstaltungen mit Staatssekretär Michael Theurer vom Berliner Verkehrsministerium u.a. zur Gäubahn. Die erste Veranstaltung findet am Dienstag im Landratsamt in Böblingen statt, die zweite im Rahmen des Singener Bahngipfeles im Rathaus in Singen. Bereits am Montag findet eine Sitzung des Lenkungskreises statt (Land, Stadt Stuttgart, Region Stuttgart, Flughafen, Bahn), bei welcher es natürlich auch um die Gäubahn geht.
Viele der Teilnehmer dieser Sitzungen haben sich am Donnerstag dieser Woche im Rahmen einer Sitzung des Interessenverbands Gäubahn bereits im Rathaus besprochen. Die Positionen sind teilweise unterschiedlich. Wichtig war aber allen Teilnehmern, dass die Gemeinsamkeiten betont wurden. Nach meiner Einschätzung liegen diese primär darin, dass sich keiner der Anwesenden gegen eine zukünftige Führung der Gäubahn über den Flughafen in den Tiefbahnhof ausgesprochen hat. Seitens der Stadt Stuttgart wurde nochmals auf die Volksabstimmung eingegangen. Dabei zeigte sich, dass die Zustimmung zu S 21 zwar in Stuttgart mehrheitlich gegeben war, jedoch viel schwächer als etwa entlang der Gäubahn in südlicher Richtung. Die Zustimmung zum Projekt S 21 war also entlang der Gäubahn besonders hoch, was damit erläutert wurde, dass die Führung der Gäubahn über den Flughafen ein wesentliches Ziel darstellt, welches in den Augen der Abstimmenden offenbar einen hohen Nutzen erwarten lässt. Keine Stimme fand sich dafür, die Flughafenvariante (Pfaffensteigtunnel) aufzugeben und dauerhaft über die Panoramabahn zu fahren.
Eine weitere Gemeinsamkeit war, dass alle sich dafür ausgesprochen haben, die IC-Züge nicht in Stuttgart-Vaihingen enden zu lassen, sondern nach Möglichkeit bis zu einem neuen Nordhalt (liegt unmittelbar westlich des heutigen S-Bahnhofs Stuttgart-Nord) fahren zu lassen. Wie der Verbandsvorsitzende Thomas Bopp von der Region Stuttgart erläuterte, soll der Nordhalt sicherstellen, dass Fahrgäste von der Gäubahn weiterhin mit nur einem Umstieg die S-Bahnen erreichen können (S 1 bis S 3 in Stuttgart-Vaihingen, S4 - S6 am Nordhalt. Dadurch ist sichergestellt, dass für Fahrgäste von der Gäubahn in die Stadt Stuttgart weiterhin gute, d.h. schnelle Reisezeiten angeboten werden können. Nach Bopps Ausführungen ist die Stadt Stuttgart zu rund 50% das Ziel von Fahrgästen der Gäubahn. Der Nordhalt sei nicht sinnvoll, um in die Innenstadt zu fahren. Er solle primär für den nördlichen regionalen Bereich vorteilhaft sein, also die Richtung Leonberg, Bietigheim-Bissingen oder auch Marbach-Backnang.
Wie Bopp weiter ausführte, wäre die Region Stuttgart das Ziel von ca. 1.500 Gäubahnfahrgästen im Tagesschnitt. Hier gäbe es je nach Ziel Reisezeitgleichheit, aber auch Reisezeitverlängerungen und Reisezeitverkürzungen. Etwas schlechter als bislang gewohnt würden die Verbindungen in Richtung Würzburg und Nürnberg.
Bei den 900 Fernverkehrsfahrgästen (18% der 5.000 täglichen Gäubahnfahrgäste) wäre es so, dass die Richtung Frankfurt teilweise Einbußen erleiden würde, während es ab der Streckenführung über den Flughafen etwa in Richtung München deutliche Reisezeitverkürzungen geben würde. In der Interimsphase jedoch müsse man schon sehen, dass der zusätzliche Umstieg in Stuttgart-Vaihingen eine Zumutung darstelle.
Für die Städte entlang der Gäubahn in Richtung Schweiz sprach der Böblinger OB Dr. Stefan Belz diese Zumutung an und wandte sich entschieden gegen einen Umstieg etwa in Stuttgart-Vaihingen. Betroffen seien im Süden insgesamt 1,4 Mio. Einwohner. Seitens der Stadt Stuttgart kritisierte Frau Klett-Eininger diese Zahlen. Der Großraum Stuttgart würde 2,8 Mio. Einwohner aufweisen, darunter würden tagtäglich ca. 300.000 nach Stuttgart einpendeln. Sowohl die Bewohner als auch die Pendler würden seit 2010 erheblich durch die Bauarbeiten zu S 21 belastet. Dies dürfe nicht vergessen werden. Die Zumutung eines - überwiegend bahnsteiggleichen - Umstiegs in Stuttgart-Vaihingen auf die S-Bahn für täglich maximal 5.000 Fahrgäste sei da durchaus im Rahmen, zumal sich nach der Interimsphase ja vielerlei Verbesserungen gegenüber dem Status quo ergeben würden.
Irgendwie war es schon abzusehen gewesen, dass jeder Diskussionsteilnehmer die Sichtweise seiner Klientel in den Vordergrund stellte.
Baubürgermeister Peter Pätzold kam auch auf lokale Gesichtspunkte zu sprechen. So sieht die Konzeption der Stadt Stuttgart vor, dass die Schillerstraße (Arnulf-Klett-Platz) bis auf Taxi und Busse verkehrsberuhigt wird. Der Verkehr soll zukünftig über die Wolframstraße (etwa 800 m weiter nordöstlich) geführt werden, um den neuen Bahnhof optimal an die Innenstadt anbinden zu können. Würde man nun oberirdisch oder unterirdisch die Gäubahngleise beibehalten, so käme es zu einem Konflikt mit der Wolframstraße aus topographischen Gründen. Berücksichtigen müsse man auch, dass es unter Straßen auch Leitungen gibt. Die Planungen der Stadt Stuttgart sehen vor, dass ab Ende 2025 die Gleisanlagen gänzlich entfernt werden und die Topografie angepasst wird. Dann müssten neue Leitungen gelegt werden, das Gebiet erschlossen werden usw. und das alles dauere seine Zeit. Bis die 5000 bis 6000 Wohneinheiten dann gebaut werden könnten, würde es schon Jahre dauern. Wenn man die Gäubahngleise liegen lassen würde, vielleicht bis 2035, so könnte erst danach mit der Beseitigung der Topografie begonnen werden und entsprechend würden sich die Wohneinheiten verzögern. Der Bedarf an Wohnungen in Stuttgart sei aber riesig groß.
Diesen Ball - wohl nicht ganz ernst gemeint - griff der Freudenstädter Landrat Dr. Rückert auf und bot an, dass die Wohnungssuchenden ja in den Landkreis Freudenstadt ziehen könnten und dann mit perfekten Bahnverbindungen täglich nach Stuttgart pendeln könnten.
Der Böblinger Landrat prophezeite, dass sein Kreistag eine einstimmige Resolution gegen eine Alternativführung der Gäubahn via Horb - Tübingen - Nürtingen - Flughafen nach Stuttgart verabschieden werde, sprach sich jedoch dafür aus, die Gemeinsamkeiten und nicht die Differenzen zu betonen.
Der Horber Oberbürgermeister Peter Rosenberger, Stellvertreter von Guido Wolf im Vorstand des Interessenverbands GNBB, sagte, dass die Strecke Horb - Tübingen natürlich ausgebaut und elektrifiziert werden solle, je früher desto besser. Nach seiner Ansicht seien aber das zwei unterschiedliche Projekte. Die Gäubahn solle über den kurzen Weg nach Stuttgart geführt werden, die Strecke Horb - Tübingen wäre für die Regionalstadtbahn Neckar Alb enorm wichtig.
Aus vielen Wortmeldungen ging hervor, dass die Sitzung im Rathaus Stuttgart den Blick auf viele neue Aspekte eröffnet habe. Der Vorschlag von Herrn Hickmann, sich ausführlich und in aller Ruhe mit den denkbaren Varianten und auch Zeitplänen zu befassen, wurde rundum für gut befunden. Angestrebt wird nun, dass nach der Sommerpause eine Art Faktencheck zur Gäubahn während der Interimsphase stattfindet, bei welcher auch die erwarteten Kosten dargestellt werden sollen. Klarheit bestand auch darin, dass juristische Auseinandersetzungen nicht zielführend sein werden, jedenfalls nicht, was das Ziel betrifft, die Interimszeit möglichst kurz zu halten.
Viele Grüße vom Vielfahrer