Ammertalbahn noch schlechter und 75% teurer
Verfasst: Fr 11. Dez 2020, 08:11
Das Schwäbische Tagblatt berichtet heute über die Zustände auf der Ammertalbahn:
Besserung nicht in Sicht. Gar kein Zug oder nur ein halber: Die Ausfälle auf der Ammertalbahn werden immer häufiger. Von Montag an fehlen auch noch die Zusatzzüge der HzL. Von Uschi Hahn.
Der Tübinger Landrat ist "stinkesauer". Die Zustände auf der Ammertalbahn "sind eine Katastrophe", sagt Joachim Walter. "Lieber heute als morgen" würde er die Verträge mit der Bahntochter DB Regio über den Betrieb der Zugstrecke zwischen Herrenberg und Tübingen und weiter auf der Ermstalbahn bis nach Bad Urach kündigen. "Aber wir haben keine Alternative."
Schon seit langem fallen auf der den Landkreisen Tübingen und Böblingen gehördenden Ammertalbahn immer wieder ganze Züge aus oder es fehlen bestellte Fahrzeuge. Denn die mit Diesel betriebenen RegioShuttles VT 650 (RS1) sind alt und müssen immer häufiger gewartet und repariert werden. Und eben da hapert es bei der DB. Walter spricht in diesem Zusammenhang von "erheblichem Mißmanagement".
Die betagten Dieselfahrzeuge sind Auslaufmodelle und werden fast nur noch von der Deutschen Bahn benutzt. Aber es sind die einzigen Zugtypen, die mit 100 Stundenkilometern schnell genug sind, um den ambitionierten Fahrplan auf der noch nicht elektrifizierten Ammertalbahn zu bedienen. Zu den Stoßzeiten fahren sie im Viertelstundentakt mit zum Teil vier hinereinander gekoppelten Fahrzeugen.
Oder besser: Sie sollten im Viertelstundentakt fahren. Doch allein am Montag dieser Woche fuhren in der prekären Stunde zwischen 7 und 8 Uhr drei Züge mit insgesamt fünf Wagen weniger im Tübinger Hauptbahnhof ein. Ein Zug fiel sogar komplett aus. In den Tagen danach war es kaum besser. Am gestrigen Donnerstag zum Beispiel fuhr der erste Zug in Herrenberg gar nicht erst los, weil der Lokführer beim Richtungswechsel die Wendeschaltung nicht betötigen konnte. Das ergab Ausfälle und erhebliche Verspätungen bis nach Bad Urach. Die Folge der Ausfälle sind komplett überfüllte Züge. Berufspendler und Schüler stehen dicht an dicht. Keine Chance, Corona-Abstandsregeln einzuahlten.
Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: "Wir haben Bedenken, dass es noch viel schlimmer wird", sagt Sarah Wüstenhöfer, die Geschäftsführerin des beim Landkreis Tübingen angesiedelten Zweckverbands für den öffentlichen Personennahverkehr im Ammertal. Denn zum Fahrplanwechsel am kommenden Montag fallen die Züge der Hohenzollerischen Landesbahn HzL weg, die als Leihfahrzeuge vor allem im Schülerverkehr eingesetzt wurden - so fuhren sie morgens zur ersten Schulstunde von Entringen bis Derendingen, um die Schüler aus dem Ammertal zum Schulzentrum Feuerhägle zu befördern.
Die HzL fährt künftig mit anderen Zügen, die für die Ammertalbahn nicht schnell genug sind. Ihre alten Fahrzeuge, ebenfalls vom Typ RS1, hat sie aussortiert und "klammheimlich nach Tschechien verkauft", sagt Gerhard Schnaitmann, versierter Bahnverkehrsexperte im Ruhestand, der vom Ammertalbahnzweckverband als Berater engagiert wurde. Vom kommenden Montag an muss die RAB den Betrieb also alleine mit ihrem Fuhrpark stemmen. Schnaitmann sieht da schwarz. "Es wird nicht ausreichend in die Wartung investiert", wirft er der Bahn vor.
Als Begründung für die seit Jahren immer häufiger werdenden Ausfälle höre man "mal dass die Ersatzteile nicht kommen, mal dass es einen hohen Krankenstand in der Werkstatt gibt", berichtet Sarah Wüstenhöfer.
Dem TAGBLATT gegenüber begründete ein Bahnsprecher die aktuellen Ausfälle mit vier Fahrzeugen, die sich mit einer "längeren Standzeit" in der Werkstatt in Tübingen befänden. Eines habe einen Wildunfallschaden, eines eine aufwändige Dachreperatur, bei zweien sei eine technische Störung zu beheben. Der Bahnsprecher räumt ein, dass es deshalb "zu überfüllten Zügen in den Hauptverkehrszeiten" komme. Aber trotz Sonderschichten in der Werkstatt, in der nun auch am Sonntag gearbeitet werden, konnte er "keine Prognose geben, wann es zu einer deutlichen Verbesserung kommt", so der Bahnsprecher. Im Übrigen verweist er auf Busse, die mman als Ersatz für ausfallende Züge einsetze.
"Diese Notbremse", sagt Gerhard Schnaitmann und lacht bitter auf. "Da steigt doch niemand ein." Und das völlig zu recht, wie der Ammertalbahn-Berater findet. "Mit denen stehen die Leute im Stau auf der Straße und brauchen länger, als wenn sie auf den nächsten Zug warten."
Abhilfe, da sind sich die Verantwortlichen im Tübinger Landratsamt einig, wird es wohl erst geben, wenn die Ammertalbahn elektrifiziert ist. Also zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022. So lange ist der Zweckverband vertraglich an die RAB gebunden. Und zahlt dafür sogar noch deutlich ehr als bisher.
Per Notvergabe sicherte der Zweckverband Ende Juli den Zugverkehr durch die Bahntochter DB Regio auf der Ammertalbahn bis zum Dezember 2022. Denn die alten Verträge laufen nur bis zum Fahrplanwechsel am kommenden Montag. Ein anderer Betreiber für die noch nicht elektrifizerte Strecke ließ sich nicht finden. Der Notbetrieb ist teuer. Statt 7,04 Euro kostet der Zugkilometer nun 12,39 Euro. Statt bisher 3,8 Millionen zahlt der Zweckverband nun 6,7 Millionen Euro im Jahr an die Deutsche Bahn.
Lautsprecher als Abhilfe - zum Fahrplanwechsel gibt es Änderungen auf der Ammertalbahn
Der Fahrplanwechsel am kommenden Montag, 13. Dezember, bringt für die Fahrgäste auf der Ammertalbahn Veränderungen. Wie der Zweckverband für den Personenverkehr im Ammertal mitteilt, wird es morgens zur ersten Schulstunde keine durchgehende Verbindung von Entringen nach Derendingen mehr geben. Wer zum Schulzentrum Feuerhägle will, muss am Tübinger Hauptbahnhof von der auf Gleis 2 ankommenden Ammertalbahn auf den Zug der Hohenzollerischen Landesbahn (HzL) umsteigen, der am selben Bahnsteig auf Gleis 3 zur Weiterfahrt bereit steht.
Die Änderungen seien dem neuen Verkehrsvertrag zwischen dem Zweckverband und der DB Regio geschuldet, heißt es in der Mitteilung. Die immer wieder ausfallenden oder geschwächten Zugverbindungen versucht der Zweckverband zu kompensieren. Neben eine vor allem abends präsenteren Kundendienst soll eine neue Lautsprecheranlage mit einem extra angestellten Sprecher die Fahrgäste besser über ausfallende Züge und Ersatzbusse informieren.
Viele Grüße vom Vielfahrer
Besserung nicht in Sicht. Gar kein Zug oder nur ein halber: Die Ausfälle auf der Ammertalbahn werden immer häufiger. Von Montag an fehlen auch noch die Zusatzzüge der HzL. Von Uschi Hahn.
Der Tübinger Landrat ist "stinkesauer". Die Zustände auf der Ammertalbahn "sind eine Katastrophe", sagt Joachim Walter. "Lieber heute als morgen" würde er die Verträge mit der Bahntochter DB Regio über den Betrieb der Zugstrecke zwischen Herrenberg und Tübingen und weiter auf der Ermstalbahn bis nach Bad Urach kündigen. "Aber wir haben keine Alternative."
Schon seit langem fallen auf der den Landkreisen Tübingen und Böblingen gehördenden Ammertalbahn immer wieder ganze Züge aus oder es fehlen bestellte Fahrzeuge. Denn die mit Diesel betriebenen RegioShuttles VT 650 (RS1) sind alt und müssen immer häufiger gewartet und repariert werden. Und eben da hapert es bei der DB. Walter spricht in diesem Zusammenhang von "erheblichem Mißmanagement".
Die betagten Dieselfahrzeuge sind Auslaufmodelle und werden fast nur noch von der Deutschen Bahn benutzt. Aber es sind die einzigen Zugtypen, die mit 100 Stundenkilometern schnell genug sind, um den ambitionierten Fahrplan auf der noch nicht elektrifizierten Ammertalbahn zu bedienen. Zu den Stoßzeiten fahren sie im Viertelstundentakt mit zum Teil vier hinereinander gekoppelten Fahrzeugen.
Oder besser: Sie sollten im Viertelstundentakt fahren. Doch allein am Montag dieser Woche fuhren in der prekären Stunde zwischen 7 und 8 Uhr drei Züge mit insgesamt fünf Wagen weniger im Tübinger Hauptbahnhof ein. Ein Zug fiel sogar komplett aus. In den Tagen danach war es kaum besser. Am gestrigen Donnerstag zum Beispiel fuhr der erste Zug in Herrenberg gar nicht erst los, weil der Lokführer beim Richtungswechsel die Wendeschaltung nicht betötigen konnte. Das ergab Ausfälle und erhebliche Verspätungen bis nach Bad Urach. Die Folge der Ausfälle sind komplett überfüllte Züge. Berufspendler und Schüler stehen dicht an dicht. Keine Chance, Corona-Abstandsregeln einzuahlten.
Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: "Wir haben Bedenken, dass es noch viel schlimmer wird", sagt Sarah Wüstenhöfer, die Geschäftsführerin des beim Landkreis Tübingen angesiedelten Zweckverbands für den öffentlichen Personennahverkehr im Ammertal. Denn zum Fahrplanwechsel am kommenden Montag fallen die Züge der Hohenzollerischen Landesbahn HzL weg, die als Leihfahrzeuge vor allem im Schülerverkehr eingesetzt wurden - so fuhren sie morgens zur ersten Schulstunde von Entringen bis Derendingen, um die Schüler aus dem Ammertal zum Schulzentrum Feuerhägle zu befördern.
Die HzL fährt künftig mit anderen Zügen, die für die Ammertalbahn nicht schnell genug sind. Ihre alten Fahrzeuge, ebenfalls vom Typ RS1, hat sie aussortiert und "klammheimlich nach Tschechien verkauft", sagt Gerhard Schnaitmann, versierter Bahnverkehrsexperte im Ruhestand, der vom Ammertalbahnzweckverband als Berater engagiert wurde. Vom kommenden Montag an muss die RAB den Betrieb also alleine mit ihrem Fuhrpark stemmen. Schnaitmann sieht da schwarz. "Es wird nicht ausreichend in die Wartung investiert", wirft er der Bahn vor.
Als Begründung für die seit Jahren immer häufiger werdenden Ausfälle höre man "mal dass die Ersatzteile nicht kommen, mal dass es einen hohen Krankenstand in der Werkstatt gibt", berichtet Sarah Wüstenhöfer.
Dem TAGBLATT gegenüber begründete ein Bahnsprecher die aktuellen Ausfälle mit vier Fahrzeugen, die sich mit einer "längeren Standzeit" in der Werkstatt in Tübingen befänden. Eines habe einen Wildunfallschaden, eines eine aufwändige Dachreperatur, bei zweien sei eine technische Störung zu beheben. Der Bahnsprecher räumt ein, dass es deshalb "zu überfüllten Zügen in den Hauptverkehrszeiten" komme. Aber trotz Sonderschichten in der Werkstatt, in der nun auch am Sonntag gearbeitet werden, konnte er "keine Prognose geben, wann es zu einer deutlichen Verbesserung kommt", so der Bahnsprecher. Im Übrigen verweist er auf Busse, die mman als Ersatz für ausfallende Züge einsetze.
"Diese Notbremse", sagt Gerhard Schnaitmann und lacht bitter auf. "Da steigt doch niemand ein." Und das völlig zu recht, wie der Ammertalbahn-Berater findet. "Mit denen stehen die Leute im Stau auf der Straße und brauchen länger, als wenn sie auf den nächsten Zug warten."
Abhilfe, da sind sich die Verantwortlichen im Tübinger Landratsamt einig, wird es wohl erst geben, wenn die Ammertalbahn elektrifiziert ist. Also zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022. So lange ist der Zweckverband vertraglich an die RAB gebunden. Und zahlt dafür sogar noch deutlich ehr als bisher.
Per Notvergabe sicherte der Zweckverband Ende Juli den Zugverkehr durch die Bahntochter DB Regio auf der Ammertalbahn bis zum Dezember 2022. Denn die alten Verträge laufen nur bis zum Fahrplanwechsel am kommenden Montag. Ein anderer Betreiber für die noch nicht elektrifizerte Strecke ließ sich nicht finden. Der Notbetrieb ist teuer. Statt 7,04 Euro kostet der Zugkilometer nun 12,39 Euro. Statt bisher 3,8 Millionen zahlt der Zweckverband nun 6,7 Millionen Euro im Jahr an die Deutsche Bahn.
Lautsprecher als Abhilfe - zum Fahrplanwechsel gibt es Änderungen auf der Ammertalbahn
Der Fahrplanwechsel am kommenden Montag, 13. Dezember, bringt für die Fahrgäste auf der Ammertalbahn Veränderungen. Wie der Zweckverband für den Personenverkehr im Ammertal mitteilt, wird es morgens zur ersten Schulstunde keine durchgehende Verbindung von Entringen nach Derendingen mehr geben. Wer zum Schulzentrum Feuerhägle will, muss am Tübinger Hauptbahnhof von der auf Gleis 2 ankommenden Ammertalbahn auf den Zug der Hohenzollerischen Landesbahn (HzL) umsteigen, der am selben Bahnsteig auf Gleis 3 zur Weiterfahrt bereit steht.
Die Änderungen seien dem neuen Verkehrsvertrag zwischen dem Zweckverband und der DB Regio geschuldet, heißt es in der Mitteilung. Die immer wieder ausfallenden oder geschwächten Zugverbindungen versucht der Zweckverband zu kompensieren. Neben eine vor allem abends präsenteren Kundendienst soll eine neue Lautsprecheranlage mit einem extra angestellten Sprecher die Fahrgäste besser über ausfallende Züge und Ersatzbusse informieren.
Viele Grüße vom Vielfahrer