Bodenseegürtelbahn im Plan
Verfasst: Mi 20. Nov 2019, 19:15
Hallo,
heute fand im Rathaus der Stadt Radolfzell die Herbst-Sitzung der Interessengemeinschaft Bodenseegürtelbahn (Vertreter der Landkreise Bodenseekreis und Konstanz, des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben und der Städte und Gemeinden entlang des Sees) statt. Wieder einmal mehr hat sich gezeigt, dass es richtig ist, nicht zu warten, bis sich irgendwo beim Bund, der DB oder beim Land was tut, sondern die Sache selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn man dafür formal gar nicht zuständig ist. So haben die beiden Landkreise Bodenseekreis und Konstanz einen siebenstelligen Betrag in die Hand genommen und DB-Netz, den Eigentümer der Bodenseegürtelbahn, damit beauftragt, die Planungen für die Elektrifizierung voranzutreiben. Dies hat dazu geführt, dass man hier jetzt weiter vorangekommen ist als an vielen anderen Stellen im noch nicht elektrifizierten Bahnnetz.
Seitens DB-Netz wurde über den Stand der Planungsarbeiten informiert, seitens des Landes über die Fahrplanentwicklungen im Laufe der kommenden 10 Jahre und die Konsequenzen für die Bodenseegürtelbahn. Es gibt vom Grundsatz her zwei verschiedene Ansätze: Die kommunale Seite wünscht sich die als „Vorzugsvariante“ bezeichnete Angebotsstruktur, also einen schnellen Stundentakt von Ulm über Friedrichshafen – Singen nach Basel und zusätzlich einen 30-Minuten-Takt mit RB-Leistungen zwischen Friedrichshafen und Radolfzell. Das Land sieht bislang eher seine „Referenzvariante“ vor, die ebenfalls einen Stundentakt von Ulm bis Basel beinhaltet, die RB jedoch nur stündlich (wie heute) anbietet. Es gibt dann noch Zwischenvarianten mit HVZ-Verstärkern von Friedrichshafen bis Markdorf.
DB-Netz hat alle diese Varianten geprüft und festgestellt, dass sie grundsätzlich fahrbar und auch je nach Zielsetzung sinnvoll sind, was die Anschlüsse in Friedrichshafen bzw. in Singen oder Radolfzell betrifft. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die kommunale Seite weitere Haltepunkte wünscht (z. B. Espasingen, Industriegebiet Lipbach) und dass ferner das Seehäsle zwischen Radolfzell und Stahringen, das ja auch elektrifiziert werden wird, mit betrachtet werden muss. Im Abschnitt Radolfzell – Stahringen ist die Bodenseegürtelbahn ja zweigleisig bis auf den Brandbühltunnel, der vor etlichen Jahrzehnten bei einer Rationalisierungsmaßnahme auf Eingleisigkeit zurückgebaut wurde. Ich habe bei mir zuhause noch eine Ausgabe der früher monatlich erschienenen Zeitschrift "Die Bundesbahn" aufgehoben, in welcher diese Form der Rationalisierung in höchsten Tönen angepriesen wurde. Just dies muss man nun rückgängig machen, wenn man das Seehäsle sinnvoll betreiben möchte. Alternativ ginge nur ein Wackeltakt, der zugleich mit einem Fahrzeugmehrbedarf einher ginge.
Insgesamt wurden von DB-Netz ein Variantenfächer mit unter dem Strich 9 verschiedenen Ausbauvarianten ausgearbeitet, die alle fahrbar sind, jedoch zu unterschiedlichen Kostenfolgen führen. Ziel der Sitzung war es, den breit angelegten Variantenfächer durch bestimmte Weichenstellungen auf sinnvolle aufwärtskompatible Planungsinhalte zu begrenzen, um effektiv weiter planen zu können. Dies ist auch gelungen.
Derzeit arbeitet die DB-Netz an den Planungsphasen I und II nach HOAI und wird gegen Ende des nächsten Jahres diese Arbeiten abschließen. Dann wird eine einigermaßen qualifizierte Kostenabschätzung vorliegen. Anschließend finden die Leistungsphasen III und IV statt, an deren Ende dann noch genauere Kostenberechnungen stehen werden. Zugleich kann dann der Antrag auf Planfeststellung gestellt werden. Ziel ist es, möglichst rasch diese letzte Elektrifizierungslücke zwischen Basel und München zu schließen. Vielleicht glückt dies bis ins Jahr 2026/27.
Überlegungen interessierter Kreise, mit Hybridfahrzeugen in Teilabschnitten die Elektrifizierung überflüssig zu machen, sind nicht dauerhaft zielführend und werden auch nicht weiter geplant. Insbesondere im Raum Sipplingen kam ja der Wunsch auf, auf eine Oberleitung zu verzichten, weil sie angeblich den freien Blick auf den See trüben würde. Aber auch wirtschaftliche Interessen, in diesem Fall von MTU aus Friedrichshafen, dürften mit hinter diesen Überlegungen gestanden haben.
Die Arbeiten beinhalten ähnlich wie bei der Hochrheinbahn bei weitem nicht nur die Elektrifizierung der knapp 60 km. Es müssen etliche Abschnitte mit Doppelspuren versehen werden, die so bemessen sein werden, dass robuste Fahrplanstrukturen gefahren werden können. Ebenso müssen die Bahnsteige in Analogie zur Hochrheinstrecke auf generell 155 m verlängert werden, die Höhe der Bahnsteige wurde auf 55 cm festgelegt. Der Ausbau soll auch so erfolgen, dass vom Grundsatz her Güterzüge verkehren können, also entsprechende Trassen geschaffen werden.
Unter dem Strich war das eine gute Sitzung, die gezeigt hat, dass durchaus der Wille besteht, nicht nur auf Kante zu planen und danach ein böses Erwachen zu erleben.
Interessant natürlich waren auch immer die Gespräche am Rande der Sitzung, die u.a. gezeigt haben, dass auch bei der Gäubahn es nun voran geht und zwar nicht nur zwischen Horb und Neckarhausen, sondern auch im Bereich südlich von Rottweil.
Landrat Wölfle vom Bodenseekreis gerät immer wieder ins Schwärmen, wenn er es mit der Bahn zu tun hat. In seiner Eigenschaft als früherer Bürgermeister der Stadt Trossingen hatte er die dankbare Aufgabe, den von seinem Vorgänger und Gemeinderat gefassten Stilllegungsbeschluss der Trossinger Eisenbahn rückgängig zu machen und als Vorsitzender des Regionalverbands Schwarzwald-Baar-Heuberg den Ringzug mit aufs Gleis zu setzen. Er sei immer wieder überwältigt, wenn er sehe, dass auf der Trossinger Eisenbahn nicht nur ein halbes Dutzend Zugfahrten wie früher verkehren, sondern 70 Fahrten pro Tag und dass diese auch gut genutzt werden.
Viele Grüße vom Vielfahrer
heute fand im Rathaus der Stadt Radolfzell die Herbst-Sitzung der Interessengemeinschaft Bodenseegürtelbahn (Vertreter der Landkreise Bodenseekreis und Konstanz, des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben und der Städte und Gemeinden entlang des Sees) statt. Wieder einmal mehr hat sich gezeigt, dass es richtig ist, nicht zu warten, bis sich irgendwo beim Bund, der DB oder beim Land was tut, sondern die Sache selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn man dafür formal gar nicht zuständig ist. So haben die beiden Landkreise Bodenseekreis und Konstanz einen siebenstelligen Betrag in die Hand genommen und DB-Netz, den Eigentümer der Bodenseegürtelbahn, damit beauftragt, die Planungen für die Elektrifizierung voranzutreiben. Dies hat dazu geführt, dass man hier jetzt weiter vorangekommen ist als an vielen anderen Stellen im noch nicht elektrifizierten Bahnnetz.
Seitens DB-Netz wurde über den Stand der Planungsarbeiten informiert, seitens des Landes über die Fahrplanentwicklungen im Laufe der kommenden 10 Jahre und die Konsequenzen für die Bodenseegürtelbahn. Es gibt vom Grundsatz her zwei verschiedene Ansätze: Die kommunale Seite wünscht sich die als „Vorzugsvariante“ bezeichnete Angebotsstruktur, also einen schnellen Stundentakt von Ulm über Friedrichshafen – Singen nach Basel und zusätzlich einen 30-Minuten-Takt mit RB-Leistungen zwischen Friedrichshafen und Radolfzell. Das Land sieht bislang eher seine „Referenzvariante“ vor, die ebenfalls einen Stundentakt von Ulm bis Basel beinhaltet, die RB jedoch nur stündlich (wie heute) anbietet. Es gibt dann noch Zwischenvarianten mit HVZ-Verstärkern von Friedrichshafen bis Markdorf.
DB-Netz hat alle diese Varianten geprüft und festgestellt, dass sie grundsätzlich fahrbar und auch je nach Zielsetzung sinnvoll sind, was die Anschlüsse in Friedrichshafen bzw. in Singen oder Radolfzell betrifft. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die kommunale Seite weitere Haltepunkte wünscht (z. B. Espasingen, Industriegebiet Lipbach) und dass ferner das Seehäsle zwischen Radolfzell und Stahringen, das ja auch elektrifiziert werden wird, mit betrachtet werden muss. Im Abschnitt Radolfzell – Stahringen ist die Bodenseegürtelbahn ja zweigleisig bis auf den Brandbühltunnel, der vor etlichen Jahrzehnten bei einer Rationalisierungsmaßnahme auf Eingleisigkeit zurückgebaut wurde. Ich habe bei mir zuhause noch eine Ausgabe der früher monatlich erschienenen Zeitschrift "Die Bundesbahn" aufgehoben, in welcher diese Form der Rationalisierung in höchsten Tönen angepriesen wurde. Just dies muss man nun rückgängig machen, wenn man das Seehäsle sinnvoll betreiben möchte. Alternativ ginge nur ein Wackeltakt, der zugleich mit einem Fahrzeugmehrbedarf einher ginge.
Insgesamt wurden von DB-Netz ein Variantenfächer mit unter dem Strich 9 verschiedenen Ausbauvarianten ausgearbeitet, die alle fahrbar sind, jedoch zu unterschiedlichen Kostenfolgen führen. Ziel der Sitzung war es, den breit angelegten Variantenfächer durch bestimmte Weichenstellungen auf sinnvolle aufwärtskompatible Planungsinhalte zu begrenzen, um effektiv weiter planen zu können. Dies ist auch gelungen.
Derzeit arbeitet die DB-Netz an den Planungsphasen I und II nach HOAI und wird gegen Ende des nächsten Jahres diese Arbeiten abschließen. Dann wird eine einigermaßen qualifizierte Kostenabschätzung vorliegen. Anschließend finden die Leistungsphasen III und IV statt, an deren Ende dann noch genauere Kostenberechnungen stehen werden. Zugleich kann dann der Antrag auf Planfeststellung gestellt werden. Ziel ist es, möglichst rasch diese letzte Elektrifizierungslücke zwischen Basel und München zu schließen. Vielleicht glückt dies bis ins Jahr 2026/27.
Überlegungen interessierter Kreise, mit Hybridfahrzeugen in Teilabschnitten die Elektrifizierung überflüssig zu machen, sind nicht dauerhaft zielführend und werden auch nicht weiter geplant. Insbesondere im Raum Sipplingen kam ja der Wunsch auf, auf eine Oberleitung zu verzichten, weil sie angeblich den freien Blick auf den See trüben würde. Aber auch wirtschaftliche Interessen, in diesem Fall von MTU aus Friedrichshafen, dürften mit hinter diesen Überlegungen gestanden haben.
Die Arbeiten beinhalten ähnlich wie bei der Hochrheinbahn bei weitem nicht nur die Elektrifizierung der knapp 60 km. Es müssen etliche Abschnitte mit Doppelspuren versehen werden, die so bemessen sein werden, dass robuste Fahrplanstrukturen gefahren werden können. Ebenso müssen die Bahnsteige in Analogie zur Hochrheinstrecke auf generell 155 m verlängert werden, die Höhe der Bahnsteige wurde auf 55 cm festgelegt. Der Ausbau soll auch so erfolgen, dass vom Grundsatz her Güterzüge verkehren können, also entsprechende Trassen geschaffen werden.
Unter dem Strich war das eine gute Sitzung, die gezeigt hat, dass durchaus der Wille besteht, nicht nur auf Kante zu planen und danach ein böses Erwachen zu erleben.
Interessant natürlich waren auch immer die Gespräche am Rande der Sitzung, die u.a. gezeigt haben, dass auch bei der Gäubahn es nun voran geht und zwar nicht nur zwischen Horb und Neckarhausen, sondern auch im Bereich südlich von Rottweil.
Landrat Wölfle vom Bodenseekreis gerät immer wieder ins Schwärmen, wenn er es mit der Bahn zu tun hat. In seiner Eigenschaft als früherer Bürgermeister der Stadt Trossingen hatte er die dankbare Aufgabe, den von seinem Vorgänger und Gemeinderat gefassten Stilllegungsbeschluss der Trossinger Eisenbahn rückgängig zu machen und als Vorsitzender des Regionalverbands Schwarzwald-Baar-Heuberg den Ringzug mit aufs Gleis zu setzen. Er sei immer wieder überwältigt, wenn er sehe, dass auf der Trossinger Eisenbahn nicht nur ein halbes Dutzend Zugfahrten wie früher verkehren, sondern 70 Fahrten pro Tag und dass diese auch gut genutzt werden.
Viele Grüße vom Vielfahrer