ZM: "Rosskur" für die Ammertalbahn
Verfasst: Sa 2. Dez 2017, 11:23
Guten Morgen,
ein sehr interessanter und ausführlicher Artikel im heutigen "Gäuboten" aus Herrenberg zu den altbekannten Problemen, mit denen der Ammertalpendler täglich konfrontiert wird...
"02.12.2017
Betriebsleiter regt eine "Rosskur" an
Herrenberg/Tübingen: Grundsätzliche Ideen für stabilere Ammertalbahn
Wie lässt sich die Ammertalbahn noch stabiler und pünktlicher gestalten? Wann der große Wurf - die elektrifizierte Regionalstadtbahn - gelingt, ist noch offen. Bei der Sitzung des Zweckverbandes ÖPNV im Ammertal ging es deshalb um Qualitätsverbesserungen für den aktuellen Betrieb - beispielsweise genügend Fahrzeuge und die Anschluss-Sicherheit in Herrenberg.
Konrad Buck
Der Entringer Andreas Steinacker, Grünen-Vertreter im Tübinger Kreistag, wollte kürzlich via Herrenberg zur Kreistagssitzung nach Tübingen reisen. Die S-Bahn kam in Herrenberg mit fünf Minuten Verspätung um 14.18 Uhr an, die Ammertalbahn fuhr pünktlich um 14.18 Uhr los - die Folge: eine halbe Stunde Wartezeit, wieder einmal Frust bei Steinacker und anderen Umsteigern. Noch schlimmer, so Steinacker, ergehe es den Fahrgästen, wenn der Zug den umsteigewilligen Kunden abends um 23.18 Uhr vor der Nase wegfährt, denn daraus resultiert dann eine Wartezeit von einer ganzen Stunde. In der Regel warten die Züge der Ammertalbahn tagsüber wenige Minuten auf eine verspätete S-Bahn und machen sich um bis zu drei Minuten später auf die Fahrt nach Tübingen. "Es ist aber nicht immer eine einfache Entscheidung, wie lange man maximal warten kann", verdeutlichte Alexander Bleher von der Bahn-Tochter Regionalverkehr Alb Bodensee GmbH. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Gegenzug den Anschluss in Herrenberg verpasst, weil sich die beiden Bahnen auf der eingleisigen Strecke frühestens in Entringen "kreuzen" können. "Die Lokführer werden bei der Aus- und Fortbildung für dieses Thema sensibilisiert, und sie müssen sich in Herrenberg die Information beschaffen, wann die S-Bahn ankommt", erläuterte Bleher.
Die angesprochenen Fälle zeigen indes auch ein grundsätzliches Problem auf, das der in Herrenberg wohnende Ammertalbahn-Betriebsleiter Frank von Meißner unverblümt benannte: "Wir haben hohe Fahrgastzahlen und unglaublich enge Fahrpläne, so dass wir null Reserven haben." Die Crux in Herrenberg besteht darin, dass der Erfolg der Ammertalbahn auch von der verspätungsanfälligen S-Bahn abhängt - unterbrochene Reiseketten schrecken Fahrgäste ab. "Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die S-Bahn pünktlicher wird", sagte Frank von Meißner ebenso unverblümt. Der verstärkte 15-Minuten-Takt bei den S-Bahnen ermöglicht zwar mehr Fahrten und mehr Kapazitäten, genau darin sieht der Bahnexperte aber auch eine Gefahr für noch mehr Verspätungen: Denn je mehr Züge durch die Tunnelstrecke in Stuttgart geschleust werden, desto störanfälliger sei das System. "Man sieht heute schon, dass die S-Bahnen während des 15-Minuten-Takts am unpünktlichsten sind", sagte Frank von Meißner. Auch die Elektro-Triebwagen, die im Zuge der Regionalstadtbahn auf der Ammertalbahn eingesetzt werden, könnten dieses Problem nicht grundsätzlich lösen: "Elektrozüge haben viele Vorteile, aber sie können die Gesetze der Physik nicht aushebeln und können nicht wie eine Rakete durchs Ammertal schießen."
Frank von Meißner bediente sich deshalb bei der gestrigen Zweckverbands-Sitzung mehrfach des Wortes "Rosskur". Er warf also die Frage auf, ob der Fahrplan und das Betriebssystem der Ammertalbahn nicht grundsätzlich zu verändern sind. Im Gespräch ist beispielsweise, den Takt der Ammertalbahn um 15 Minuten zu verschieben, um verlässlichere Übergänge von und zur S-Bahn zu gewährleisten. Angedacht ist auch, die Ammertalbahn-Triebwagen im "Inselbetrieb" nur zwischen Tübingen und Herrenberg verkehren zu lassen - und nicht wie bisher darüber hinaus bis Plochingen/Wendlingen und Bad Urach. Immer wieder sorgen nämlich auch solche "eingeschleppten" Verspätungen für Verdruss auf der Ammertalbahn - so etwa vor wenigen Wochen, als eine Baustelle zwischen Wendlingen und Nürtingen auch den Ammertalbahn-Fahrplan gehörig durcheinanderbrachte. "In diesem Fall wäre ein Inselbetrieb die bessere Alternative gewesen", stellte Markus Kaupper (DB Regio) fest. Auch Zweckverbands-Geschäftsführer Dieter Braun hält pünktliche Züge zwischen Herrenberg und Tübingen für wichtiger als die Möglichkeit, ohne Umsteigen aus und in Richtung Reutlingen zu fahren: "Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem pünktlichen Verkehr im Ammertal oder einer Durchbindung, würde ich mich eindeutig für den pünktlichen Verkehr entscheiden."
Der Zweckverband hatte sich zudem beim Verband Region Stuttgart und bei der Deutschen Bahn darum bemüht, Einfluss auf den S-Bahn-Fahrplan zu nehmen, um die Umsteigerei in Herrenberg erträglicher zu gestalten (der "Gäubote" berichtete). "Bisher waren wir aber nicht sehr erfolgreich, dort werden die Prioritäten anders gesetzt", resümierte Landrat Joachim Walter.
Ein weiteres Problem: Immer wieder fährt auch während der Hauptverkehrszeiten nur ein einziger Triebwagen, der dann überfüllt ist. Wegen der Schmierfilmbildung im Herbst entstünden mitunter unglatte Räder - und die Anlage, die dieses Problem beheben kann, sei zeitweise nicht verfügbar gewesen, benannte Markus Kaupper einen Grund für den Engpass. Ersatzfahrzeuge gibt es gar nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße. Auch technische Störungen bremsen die Triebwagen immer wieder aus. Für Oktober und November listete Alexander Bleher 14 Teil- und 22 Komplettausfälle auf bei insgesamt 4 354 Fahrten, was einer Quote von 0,8 Prozent entspricht. 341 Züge verkehrten "geschwächt", also mit weniger Wagen als vorgesehen - dabei handelt es sich um 7,8 Prozent aller Fahrten."
Die Taktverschiebung um 15 Minuten habe ich mir auch schon oft gewünscht und empfinde ich als äußerst sinnvollen Gedanken, könnte man so doch in Herrenberg zusätzlich zum S-Bahnanschluß auch noch einen sehr eleganten Anschluß mit einer Übergangszeit von 14-15 Minuten auf den RE (zukünftig Metropolexpreß) von/nach Stuttgart einrichten, den man bislang leider gerade so verpaßt...
Und die Durchbindung der Züge über Tübingen hinaus Richtung Reutlingen und weiter ist in der Tat ein großer Unzuverlässigkeitsfaktor, wenn, wie eigentlich jeden Abend in der HVZ, der Neitech-612 aus Stuttgart ordentlich Verspätung auf die KBS 760 schleppt und alle nachfolgenden Züge verklemmt...
Im Übrigen habe ich kürzlich irgendwo gelesen (wenn ich doch noch wüßte wo, dann könnte ich die Quelle belegen), daß tatsächlich nur 7% der Fahrgäste auf der Ammertalbahn über Tübingen hinaus sitzenbleiben, von daher wäre auch die Option eines "Inselbetriebs" Tübingen-Herrenberg durchaus eine richtige Überlegung, wenn dadurch die Zuverlässigkeit im Ammertal erhööht werden könnte...
Gruß
Tannenrainer
ein sehr interessanter und ausführlicher Artikel im heutigen "Gäuboten" aus Herrenberg zu den altbekannten Problemen, mit denen der Ammertalpendler täglich konfrontiert wird...
"02.12.2017
Betriebsleiter regt eine "Rosskur" an
Herrenberg/Tübingen: Grundsätzliche Ideen für stabilere Ammertalbahn
Wie lässt sich die Ammertalbahn noch stabiler und pünktlicher gestalten? Wann der große Wurf - die elektrifizierte Regionalstadtbahn - gelingt, ist noch offen. Bei der Sitzung des Zweckverbandes ÖPNV im Ammertal ging es deshalb um Qualitätsverbesserungen für den aktuellen Betrieb - beispielsweise genügend Fahrzeuge und die Anschluss-Sicherheit in Herrenberg.
Konrad Buck
Der Entringer Andreas Steinacker, Grünen-Vertreter im Tübinger Kreistag, wollte kürzlich via Herrenberg zur Kreistagssitzung nach Tübingen reisen. Die S-Bahn kam in Herrenberg mit fünf Minuten Verspätung um 14.18 Uhr an, die Ammertalbahn fuhr pünktlich um 14.18 Uhr los - die Folge: eine halbe Stunde Wartezeit, wieder einmal Frust bei Steinacker und anderen Umsteigern. Noch schlimmer, so Steinacker, ergehe es den Fahrgästen, wenn der Zug den umsteigewilligen Kunden abends um 23.18 Uhr vor der Nase wegfährt, denn daraus resultiert dann eine Wartezeit von einer ganzen Stunde. In der Regel warten die Züge der Ammertalbahn tagsüber wenige Minuten auf eine verspätete S-Bahn und machen sich um bis zu drei Minuten später auf die Fahrt nach Tübingen. "Es ist aber nicht immer eine einfache Entscheidung, wie lange man maximal warten kann", verdeutlichte Alexander Bleher von der Bahn-Tochter Regionalverkehr Alb Bodensee GmbH. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Gegenzug den Anschluss in Herrenberg verpasst, weil sich die beiden Bahnen auf der eingleisigen Strecke frühestens in Entringen "kreuzen" können. "Die Lokführer werden bei der Aus- und Fortbildung für dieses Thema sensibilisiert, und sie müssen sich in Herrenberg die Information beschaffen, wann die S-Bahn ankommt", erläuterte Bleher.
Die angesprochenen Fälle zeigen indes auch ein grundsätzliches Problem auf, das der in Herrenberg wohnende Ammertalbahn-Betriebsleiter Frank von Meißner unverblümt benannte: "Wir haben hohe Fahrgastzahlen und unglaublich enge Fahrpläne, so dass wir null Reserven haben." Die Crux in Herrenberg besteht darin, dass der Erfolg der Ammertalbahn auch von der verspätungsanfälligen S-Bahn abhängt - unterbrochene Reiseketten schrecken Fahrgäste ab. "Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die S-Bahn pünktlicher wird", sagte Frank von Meißner ebenso unverblümt. Der verstärkte 15-Minuten-Takt bei den S-Bahnen ermöglicht zwar mehr Fahrten und mehr Kapazitäten, genau darin sieht der Bahnexperte aber auch eine Gefahr für noch mehr Verspätungen: Denn je mehr Züge durch die Tunnelstrecke in Stuttgart geschleust werden, desto störanfälliger sei das System. "Man sieht heute schon, dass die S-Bahnen während des 15-Minuten-Takts am unpünktlichsten sind", sagte Frank von Meißner. Auch die Elektro-Triebwagen, die im Zuge der Regionalstadtbahn auf der Ammertalbahn eingesetzt werden, könnten dieses Problem nicht grundsätzlich lösen: "Elektrozüge haben viele Vorteile, aber sie können die Gesetze der Physik nicht aushebeln und können nicht wie eine Rakete durchs Ammertal schießen."
Frank von Meißner bediente sich deshalb bei der gestrigen Zweckverbands-Sitzung mehrfach des Wortes "Rosskur". Er warf also die Frage auf, ob der Fahrplan und das Betriebssystem der Ammertalbahn nicht grundsätzlich zu verändern sind. Im Gespräch ist beispielsweise, den Takt der Ammertalbahn um 15 Minuten zu verschieben, um verlässlichere Übergänge von und zur S-Bahn zu gewährleisten. Angedacht ist auch, die Ammertalbahn-Triebwagen im "Inselbetrieb" nur zwischen Tübingen und Herrenberg verkehren zu lassen - und nicht wie bisher darüber hinaus bis Plochingen/Wendlingen und Bad Urach. Immer wieder sorgen nämlich auch solche "eingeschleppten" Verspätungen für Verdruss auf der Ammertalbahn - so etwa vor wenigen Wochen, als eine Baustelle zwischen Wendlingen und Nürtingen auch den Ammertalbahn-Fahrplan gehörig durcheinanderbrachte. "In diesem Fall wäre ein Inselbetrieb die bessere Alternative gewesen", stellte Markus Kaupper (DB Regio) fest. Auch Zweckverbands-Geschäftsführer Dieter Braun hält pünktliche Züge zwischen Herrenberg und Tübingen für wichtiger als die Möglichkeit, ohne Umsteigen aus und in Richtung Reutlingen zu fahren: "Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem pünktlichen Verkehr im Ammertal oder einer Durchbindung, würde ich mich eindeutig für den pünktlichen Verkehr entscheiden."
Der Zweckverband hatte sich zudem beim Verband Region Stuttgart und bei der Deutschen Bahn darum bemüht, Einfluss auf den S-Bahn-Fahrplan zu nehmen, um die Umsteigerei in Herrenberg erträglicher zu gestalten (der "Gäubote" berichtete). "Bisher waren wir aber nicht sehr erfolgreich, dort werden die Prioritäten anders gesetzt", resümierte Landrat Joachim Walter.
Ein weiteres Problem: Immer wieder fährt auch während der Hauptverkehrszeiten nur ein einziger Triebwagen, der dann überfüllt ist. Wegen der Schmierfilmbildung im Herbst entstünden mitunter unglatte Räder - und die Anlage, die dieses Problem beheben kann, sei zeitweise nicht verfügbar gewesen, benannte Markus Kaupper einen Grund für den Engpass. Ersatzfahrzeuge gibt es gar nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße. Auch technische Störungen bremsen die Triebwagen immer wieder aus. Für Oktober und November listete Alexander Bleher 14 Teil- und 22 Komplettausfälle auf bei insgesamt 4 354 Fahrten, was einer Quote von 0,8 Prozent entspricht. 341 Züge verkehrten "geschwächt", also mit weniger Wagen als vorgesehen - dabei handelt es sich um 7,8 Prozent aller Fahrten."
Die Taktverschiebung um 15 Minuten habe ich mir auch schon oft gewünscht und empfinde ich als äußerst sinnvollen Gedanken, könnte man so doch in Herrenberg zusätzlich zum S-Bahnanschluß auch noch einen sehr eleganten Anschluß mit einer Übergangszeit von 14-15 Minuten auf den RE (zukünftig Metropolexpreß) von/nach Stuttgart einrichten, den man bislang leider gerade so verpaßt...
Und die Durchbindung der Züge über Tübingen hinaus Richtung Reutlingen und weiter ist in der Tat ein großer Unzuverlässigkeitsfaktor, wenn, wie eigentlich jeden Abend in der HVZ, der Neitech-612 aus Stuttgart ordentlich Verspätung auf die KBS 760 schleppt und alle nachfolgenden Züge verklemmt...
Im Übrigen habe ich kürzlich irgendwo gelesen (wenn ich doch noch wüßte wo, dann könnte ich die Quelle belegen), daß tatsächlich nur 7% der Fahrgäste auf der Ammertalbahn über Tübingen hinaus sitzenbleiben, von daher wäre auch die Option eines "Inselbetriebs" Tübingen-Herrenberg durchaus eine richtige Überlegung, wenn dadurch die Zuverlässigkeit im Ammertal erhööht werden könnte...
Gruß
Tannenrainer