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Ölzüge auf dem Schienennetz unter Druck

Verfasst: So 23. Nov 2014, 13:59
von Vielfahrer
In der Neuen Zürcher Zeitung von diesem Wochenende findet sich ein Beitrag von Paul Schneeberger, dem NZZ-Spezialisten für den Schienenverkehr. Er beschäftigt sich mit einem Thema intensiv, das auch hierzulande aktuell werden könnte.

"Der fortschreitende Ausbau des regionalen Personenverkehrs reduziert den Platz für Güterzüge auf dem Schienennetz. Ob die beabsichtigten planerischen Maßnahmen dagegen wirksam sein werden, wird sich weisen. Es gibt in der Schweiz kaum ein Gut, das sich besser für den Transport mit dem Massenverkehrsmittel Bahn eignet als Öl. Just diese Transporte geraten aber zunehmend unter Druck. Grund dafür sind die ganztägigen Verdichtungen der Fahrpläne im regionalen Personenverkehr. Sie reduzieren vor allem Zeitfenster für das Rangieren zwischen Bahnhöfen und Anschlussgleisen.

Mit diesen Ausbauten sind auch Anpassungen der Bahnanlagen verbunden, die aber oft nur auf die Bedürfnisse des Personenverkehrs zugeschnitten sind. Wenn die SBB und die Westschweizer Kantone am Samstag in Rennes den Startschuss geben für das Ausbauprojekt >> Leman 2030 <<, wird sich zu den strahlenden Gesichtern, die sich über den Angebotsausbau im Personenverkehr im Genferseebogen freuen, zumindest eine skeptische Miene gesellen, jene der Erdölvereinigung.

Zwar ist bei der Planung der punktuellen Ausbauten, die zwischen Genf und Lausanne bis ins Jahr 2030 eine Verdoppelung der heutigen Fahrgastzahlen auf 100.000 pro Tag ermöglichen sollen, der Güterverkehr nicht vergessen gegangen: Vorgesehen sind zusätzliche Gleise, auf denen sich die langsameren Güterzüge von den schnelleren Personenzügen überholen lassen können. >> So werden wir nicht gerade von den Schienen gefegt, aber die Fahrzeit unserer Züge wird länger <<, sagt Marcel Ott, beim Branchenverband der Öl-Industrie zuständig für den Schienenverkehr. Laut SBB ist dabei von maximal 10 zusätzlichen Minuten auszugehen.

Erschwert wird bald auch die Fahrt auf der letzten Meile in Genf vom Güterbahnhof La Praille zum Tanklager Vernier. Die Züge mit jeweils 20 Kesselwagen müssen für diesen Abschnitt geteilt werden, weil die Diesellokomotiven die Last auf der Steigung dort nicht anders bewältigen können. Mit der 2017 vorgesehenen Inbetriebnahme der neuen S-Bahn-Verbindung Genf - Annemasse (Ceva) werden in La Praille die Trassen für Güterzüge reduziert. Dort stellt sich nun die Frage der Elektrifizierung, so dass die ganzen Züge dank der höheren Leistungsfähigkeit elektrischer Lokomotiven auf einmal bis ins Lager geführt werden könnten.

Mit solchen Fragen verbunden ist auch immer jene der Finanzierung - eine, die im Rappen-Geschäft mit dem Öl von grosser Bedeutung ist. In Bettwiesen im Thurgau wurde die Station für den regionalen Personenverkehr so umgebaut, dass das Tanklager Tägerschen pro Mal nur noch mit einer reduzierten Anzahl Kesselwagen bedient werden kann. Nun müssen für 4,5 Millionen Franken ergänzende Arbeiten durchgeführt werden, um wieder jene Gleislänge herzustellen, die vor dem Ausbau des Personenverkehrs die effiziente Bedienung des Anschlussgleises erlaubte. Daran muss sich das Tanklager mit 1,3 Millionen Franken beteiligen.

Die Erdölvereinigung und der Verladerverband VAP kritisieren die Kostenbeteiligung des Bahnkunden. Auf diese Weise werde ein Streckengleis de facto zu einem von den Anschließern mitzufinanzierendem Anschlussgleis, sagt VAP-Generalsekretär Frank Furrer. Das sei vor allem stoßend, weil pro Jahr rund eine Milliarde Franken aus der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe in Unterhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur fliesse; diese vom Güterverkehr auf der Straße abgeschöpften Mittel würden zugunsten des Personenverkehrs auf der Schiene zweckentfremdet. Furrer und Ott argwöhnen, dass Benzin-Transporte vermehrt auf die Straße verlegt werden könnten, wenn sich die Effizienzverlustew auf der Schiene nicht stoppen lassen - allenfalls wäre dann ihres Erachtens morgens ein früheres Ende des Nachtfahrverbots für Lastwagen ins Auge zu fassen.

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) verweist wie die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs im Hinblick auf diese Problematik auf das Nutzungskonzept des Bundes, in das die Bedürfnisse von Personen- und Güterverkehr auf der Schiene gleichberechtigt einfließen sollen. Dabei soll es dem BAV obliegen, die verschiedenen Interessen gegeneinander abzuwägen. Das Konzept ist Bestandteil des Gütertransportgesetzes, das im Frühling ins Parlament kommt. Der Umbau in Bettwiesen samt seiner >> Reparatur << sei ein Einzelfall, der nicht zur Regel werden solle, heißt es beim BAV.

Viele Grüße vom Vielfahrer

Re: Ölzüge auf dem Schienennetz unter Druck

Verfasst: So 23. Nov 2014, 17:31
von KBS720
Hallo,

na wenn die Schweizer das schon merken! Und da gibts meistens mehr Kreuzungs- und Überholmöglichkeiten als in Deutschland. Was schließen wir daraus? Deutschlands Bahnstrecken müssen mehr ausgebaut werden.

Grüße Andreas