Land will ÖPNV stärker fördern
Verfasst: So 6. Apr 2014, 13:59
Hallo,
unlängst hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur eingehend darüber informiert, wie in Zukunft die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs auf der Straße sichergestellt werden soll. Während heute 198,6 Mio. €/Jahr für die Vergünstigung von Schülermonatskarten vom Land an die Verkehrsunternehmen bezahlt werden (Berechnung läuft über den sog. § 45a PBefG), soll zukünftig dieser bzw. ein etwas höherer Betrag (im Gespräch sind 243,6 Mio. €/Jahr) an die Aufgabenträger (also an die Stadt- und Landkreise) ausbezahlt werden. Diese müssen mit einem Teil der ihnen zugewiesenen Mittel den Verkehrsunternehmen die tarifliche Differenz zwischen Schülerzeitkarte und entsprechender Erwachsenenzeitkarte ausgleichen und den überschießenden Betrag weiterhin für den ÖPNV einsetzen.
Die Bezahlung der heutigen Ausgleichsbeträge in Höhe von 198,6 Mio. €/Jahr erfolgt über die Verkehrsverbünde auf der Basis einer Festschreibung aus dem Jahr 2007 in pauschalierter Form. Über die Verkehrsverbünde können die ausbezahlten Beträge näherungsweise auf die Aufgabenträger heruntergebrochen werden. Damit steht quasi fest, welche Summen heute in die Verkehre der jeweiligen Aufgabenträger fließen.
Zukünftig stellt sich das Land vor, von den heutigen Zahlungen abzuweichen, um Anreize zu schaffen, mehr Fahrgäste für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen. Weil aber große strukturelle Unterschiede zwischen Flächenlandkreisen und Stadtkreisen bestehen, sollen ungefähr 35% der finanziellen Mittel entsprechend der Fläche der Aufgabenträger vergeben werden. Landkreise mit großer Fläche benötigen mehr Gelder zur Aufrechterhaltung eines attraktiven Verkehrsangebots als Stadt- oder Landkreise mit kleinerer Fläche. Da sich in der Regel die Fläche der Aufgabenträger nicht ändert, wirkt dieser Faktor stabilisierend.
Weiter soll die Angebotsqualität mit ca. 35% in die Verteilung der Gelder eingehen. Die Berechnung der Angebotsqualität soll so vonstatten gehen, dass die Summe aller Taktverkehre im Land ermittelt wird und die jeweiligen Taktverkehre eines Aufgabenträgers dann prozentual daran ermittelt werden. Zielsetzung des Landes ist es dabei, die Aufgabenträger stärker als bisher zu Produktion von Taktverkehren zwischen 5 und 24 Uhr zu bewegen. Weil Taktverkehre in Ballungsräumen leichter angeboten werden können als auf dem flachen Land, möchte das Ministerium hier zu einer Abstufung über sog. Regionalfaktoren kommen. Taktverkehre in Verdichtungsräumen gehen in die Berechnung beispielsweise im Verhältnis 1:1 ein, Taktverkehre in ländlichen Räumen beispielsweise im Verhältnis 2:1 ein, weil es dort ungleich schwieriger ist als in Verdichtungsräumen, entsprechende Taktverkehre vorzuhalten. Die Regionalfaktoren lehnen sich an die Gebietskulissen der Raumplanung an (Verdichtungraum, Randzone des Verdichtungsraums, Verdichtungsbereich im ländlichen Raum, ländlicher Raum). Für jeden Aufgabenträger soll dann seine Taktstruktur ausgewertet werden und daraus der Anteil an Fördermitteln errechnet werden.
Mit ca. 30% Gewichtung sollen die Fahrgastzahlen in die Verteilung der Finanzmittel eingehen. Aber auch hier soll über einen Demographiefaktor eine gewisse Steuerung stattfinden. Wenn in einem ländlichen Raum z.B. die Bevölkerungszahl um 5% absinkt, die Fahrgastzahl aber nur um 3%, so käme dies einer Fahrgaststeigerung um 2% gleich. Wenn umgekehrt in Verdichtungsräumen aufgrund des Zuzugs usw. die Bevölkerung um 8% steigt, die Fahrgastzahl aber nur um 5%, so würde der Demographiefaktor so wirken, wie wenn 3% weniger Fahrgäste befördert worden wären. Bei den Fahrgastzahlen sollen die tatsächlichen Fahrgastzahlen berücksichtigt werden, nicht irgendwelche statistisch hochgerechneten Werte. Aus diesem Grund regt das Land an, über ein bestimmtes Stichprobenverfahren kontinuierlich (wie in der Schweiz längst üblich) laufend die Fahrgastzahlen zu erheben, um im Nebeneffekt zugleich bessere Planungsgrundlagen zu schaffen. Es ist daran gedacht, wie bei den Ringzügen an den Türen der Busse automatische Fahrgastzähleinrichtungen anzubringen. Auf diese Art und Weise werden die tatsächlichen Fahrgastzahlen laufend ermittelt. Pro Bus wird mit Kosten von 4.000 bis 6.000.- Euro gerechnet. Zusätzlich wird eine Zentrale für die Auswertung benötigt, so dass ein mittlerer fünfstelliger Betrag pro Aufgabenträger erforderlich werden wird, um die geforderten Nutzerzahlen liefern zu können.
Aus dem Mix von Fläche, Angebotsqualität und Fahrgastzahl sollen dann die zukünftigen Mittel pro Aufgabenträger berechnet werden. Im Vergleich zu den Mitteln des Status quo sollen sie allerdings im Sinne einer Härtefallregelung in den ersten 5 Jahren nur um maximal 3% nach oben oder unten von den bisherigen § 45a-Mitteln abweichen.
Die Finanzierung der Schiene erfolgt weiterhin über die Regionalisierungsmittel. Soweit nichtbundeseigene Eisenbahnen oder Straßenbahnen betroffen sind, soll der § 6a AEG unverändert weiterbestehen.
Berechnungen der Verbünde haben ergeben, dass die Umstellung der Finanzierung, wenn sie so erfolgt, wie vom Land vorgesehen, dazu führt, dass es praktisch keine eigenwirtschaftlichen Verkehrsangebote von Busunternehmen auf der Straße mehr geben wird. Die Folge wird sein, dass diese dann zur Aufrechterhaltung ihres Leistungsangebots Zuschüsse der Aufgabenträger benötigen, was in vielen Fällen wiederum öffentliche Dienstleistungsverträge voraussetzen wird. Diese wiederum müssen den Bestimmungen der EU-Verordnung 1370 entsprechen, also können nur nach vorherigen Ausschreibung gewährt werden.
Das Land teilt die Einschätzung, dass mit der Finanzierungsreform in der Tat eine stärkere Hinwendung zu einem Aufgabenträger-initiierten ÖPNV stattfindet und der unternehmensorientierte ÖPNV dadurch zumindest ein Stück weit zurückgedrängt wird. An der bisherigen Berechnungsmethode, die sehr stark am Schülerverkehrsaufkommen fixiert war, muss man aus Sicht des Landes ohnehin aus demographischen Gründen etwas ändern, weil die Schülerzahlen in den kommenden Jahren um ca. 20% einbrechen werden und damit die Hauptfinanzierungsquelle des öffentlichen Verkehrs wegzubrechen droht. Zugleich wird es immer mehr Ältere geben, die ihrerseits wiederum auf einen funktionierenden ÖPNV angewiesen sein werden - und zwar auf einen ÖPNV, der nicht nur an Schultagen funktioniert sondern im Idealfall täglich von 5 - 24 Uhr im Stundentakt.
Es wird also in den kommenden Jahren zu einem gewaltigen Umbruch in der ÖPNV-Landschaft kommen.
Viele Grüße vom Vielfahrer
unlängst hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur eingehend darüber informiert, wie in Zukunft die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs auf der Straße sichergestellt werden soll. Während heute 198,6 Mio. €/Jahr für die Vergünstigung von Schülermonatskarten vom Land an die Verkehrsunternehmen bezahlt werden (Berechnung läuft über den sog. § 45a PBefG), soll zukünftig dieser bzw. ein etwas höherer Betrag (im Gespräch sind 243,6 Mio. €/Jahr) an die Aufgabenträger (also an die Stadt- und Landkreise) ausbezahlt werden. Diese müssen mit einem Teil der ihnen zugewiesenen Mittel den Verkehrsunternehmen die tarifliche Differenz zwischen Schülerzeitkarte und entsprechender Erwachsenenzeitkarte ausgleichen und den überschießenden Betrag weiterhin für den ÖPNV einsetzen.
Die Bezahlung der heutigen Ausgleichsbeträge in Höhe von 198,6 Mio. €/Jahr erfolgt über die Verkehrsverbünde auf der Basis einer Festschreibung aus dem Jahr 2007 in pauschalierter Form. Über die Verkehrsverbünde können die ausbezahlten Beträge näherungsweise auf die Aufgabenträger heruntergebrochen werden. Damit steht quasi fest, welche Summen heute in die Verkehre der jeweiligen Aufgabenträger fließen.
Zukünftig stellt sich das Land vor, von den heutigen Zahlungen abzuweichen, um Anreize zu schaffen, mehr Fahrgäste für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen. Weil aber große strukturelle Unterschiede zwischen Flächenlandkreisen und Stadtkreisen bestehen, sollen ungefähr 35% der finanziellen Mittel entsprechend der Fläche der Aufgabenträger vergeben werden. Landkreise mit großer Fläche benötigen mehr Gelder zur Aufrechterhaltung eines attraktiven Verkehrsangebots als Stadt- oder Landkreise mit kleinerer Fläche. Da sich in der Regel die Fläche der Aufgabenträger nicht ändert, wirkt dieser Faktor stabilisierend.
Weiter soll die Angebotsqualität mit ca. 35% in die Verteilung der Gelder eingehen. Die Berechnung der Angebotsqualität soll so vonstatten gehen, dass die Summe aller Taktverkehre im Land ermittelt wird und die jeweiligen Taktverkehre eines Aufgabenträgers dann prozentual daran ermittelt werden. Zielsetzung des Landes ist es dabei, die Aufgabenträger stärker als bisher zu Produktion von Taktverkehren zwischen 5 und 24 Uhr zu bewegen. Weil Taktverkehre in Ballungsräumen leichter angeboten werden können als auf dem flachen Land, möchte das Ministerium hier zu einer Abstufung über sog. Regionalfaktoren kommen. Taktverkehre in Verdichtungsräumen gehen in die Berechnung beispielsweise im Verhältnis 1:1 ein, Taktverkehre in ländlichen Räumen beispielsweise im Verhältnis 2:1 ein, weil es dort ungleich schwieriger ist als in Verdichtungsräumen, entsprechende Taktverkehre vorzuhalten. Die Regionalfaktoren lehnen sich an die Gebietskulissen der Raumplanung an (Verdichtungraum, Randzone des Verdichtungsraums, Verdichtungsbereich im ländlichen Raum, ländlicher Raum). Für jeden Aufgabenträger soll dann seine Taktstruktur ausgewertet werden und daraus der Anteil an Fördermitteln errechnet werden.
Mit ca. 30% Gewichtung sollen die Fahrgastzahlen in die Verteilung der Finanzmittel eingehen. Aber auch hier soll über einen Demographiefaktor eine gewisse Steuerung stattfinden. Wenn in einem ländlichen Raum z.B. die Bevölkerungszahl um 5% absinkt, die Fahrgastzahl aber nur um 3%, so käme dies einer Fahrgaststeigerung um 2% gleich. Wenn umgekehrt in Verdichtungsräumen aufgrund des Zuzugs usw. die Bevölkerung um 8% steigt, die Fahrgastzahl aber nur um 5%, so würde der Demographiefaktor so wirken, wie wenn 3% weniger Fahrgäste befördert worden wären. Bei den Fahrgastzahlen sollen die tatsächlichen Fahrgastzahlen berücksichtigt werden, nicht irgendwelche statistisch hochgerechneten Werte. Aus diesem Grund regt das Land an, über ein bestimmtes Stichprobenverfahren kontinuierlich (wie in der Schweiz längst üblich) laufend die Fahrgastzahlen zu erheben, um im Nebeneffekt zugleich bessere Planungsgrundlagen zu schaffen. Es ist daran gedacht, wie bei den Ringzügen an den Türen der Busse automatische Fahrgastzähleinrichtungen anzubringen. Auf diese Art und Weise werden die tatsächlichen Fahrgastzahlen laufend ermittelt. Pro Bus wird mit Kosten von 4.000 bis 6.000.- Euro gerechnet. Zusätzlich wird eine Zentrale für die Auswertung benötigt, so dass ein mittlerer fünfstelliger Betrag pro Aufgabenträger erforderlich werden wird, um die geforderten Nutzerzahlen liefern zu können.
Aus dem Mix von Fläche, Angebotsqualität und Fahrgastzahl sollen dann die zukünftigen Mittel pro Aufgabenträger berechnet werden. Im Vergleich zu den Mitteln des Status quo sollen sie allerdings im Sinne einer Härtefallregelung in den ersten 5 Jahren nur um maximal 3% nach oben oder unten von den bisherigen § 45a-Mitteln abweichen.
Die Finanzierung der Schiene erfolgt weiterhin über die Regionalisierungsmittel. Soweit nichtbundeseigene Eisenbahnen oder Straßenbahnen betroffen sind, soll der § 6a AEG unverändert weiterbestehen.
Berechnungen der Verbünde haben ergeben, dass die Umstellung der Finanzierung, wenn sie so erfolgt, wie vom Land vorgesehen, dazu führt, dass es praktisch keine eigenwirtschaftlichen Verkehrsangebote von Busunternehmen auf der Straße mehr geben wird. Die Folge wird sein, dass diese dann zur Aufrechterhaltung ihres Leistungsangebots Zuschüsse der Aufgabenträger benötigen, was in vielen Fällen wiederum öffentliche Dienstleistungsverträge voraussetzen wird. Diese wiederum müssen den Bestimmungen der EU-Verordnung 1370 entsprechen, also können nur nach vorherigen Ausschreibung gewährt werden.
Das Land teilt die Einschätzung, dass mit der Finanzierungsreform in der Tat eine stärkere Hinwendung zu einem Aufgabenträger-initiierten ÖPNV stattfindet und der unternehmensorientierte ÖPNV dadurch zumindest ein Stück weit zurückgedrängt wird. An der bisherigen Berechnungsmethode, die sehr stark am Schülerverkehrsaufkommen fixiert war, muss man aus Sicht des Landes ohnehin aus demographischen Gründen etwas ändern, weil die Schülerzahlen in den kommenden Jahren um ca. 20% einbrechen werden und damit die Hauptfinanzierungsquelle des öffentlichen Verkehrs wegzubrechen droht. Zugleich wird es immer mehr Ältere geben, die ihrerseits wiederum auf einen funktionierenden ÖPNV angewiesen sein werden - und zwar auf einen ÖPNV, der nicht nur an Schultagen funktioniert sondern im Idealfall täglich von 5 - 24 Uhr im Stundentakt.
Es wird also in den kommenden Jahren zu einem gewaltigen Umbruch in der ÖPNV-Landschaft kommen.
Viele Grüße vom Vielfahrer