S-Bahn: Weichen für Widerstand
Verfasst: Fr 22. Jun 2012, 13:59
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Kreis Freudenstadt - CDU-Kreisrat Michael Laschinger erwähnte die geplante Verlängerung der S-Bahn-Strecke von Herrenberg nach Nagold im Verwaltungsausschuss des Kreistags nur am Rande. Doch Landrat Klaus Michael Rückert nutzte den Anlass, um seinem mächtigen Ärger über dieses Thema Luft zu machen.
Das Vorhaben, so Rückert, betrachte er "mit großer Sorge". Er habe in Calw "erheblichen Widerstand" angekündigt: Man dürfe nicht "des einen Fortkommen auf Kosten des anderen verbessern". Mehr noch: Dies werde zu einer "Nagelprobe" für die Freundschaft.
"Wir haben erhebliches Geld in den ›Freudenstädter Stern‹ investiert", gab Rückert zu bedenken. Auch CDU-Kreisrat Julian Osswald sah es bei der Sitzung als "politische Aufgabe, die S-Bahn nicht so zu bauen, dass sie uns im Landkreis schadet".
Normalerweise, sagte Rückert im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, mische er sich nicht in Verkehrsprojekte in anderen Landkreisen ein. Aber die Verlängerung der S 1 würde wohl Nachteile für den "Freudenstädter Stern" mit sich bringen. Konkret: für den schnellen Regionalexpress von Freudenstadt nach Stuttgart. Der Freudenstädter Landrat befürchtet, dass für diese schnelle Direktverbindung in die Landesmetropole im Zeitfenster des Fahrplans kein Platz mehr wäre, wenn die S-Bahn von Herrenberg nach Nagold fahren würde. Diese Sorge hielten auch Experten für berechtigt.
Fahrgäste auf der Linie von Freudenstadt nach Stuttgart müssten dann möglicherweise immer in Eutingen umsteigen und kämen somit weniger komfortabel und, weil die S-Bahn öfter hält als der Regionalexpress, viel langsamer als bisher in die Landeshauptstadt. Eine "Deluxe-Verbindung" nach Stuttgart sei aber wichtig für den Landkreis Freudenstadt. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, das S-Bahn-Projekt Herrenberg – Nagold ohne Nachteile für den Kreis Freudenstadt umzusetzen, habe er allerdings nichts dagegen, versicherte Rückert. Und machte einen eigenen Vorschlag: Man könne ja auch die Strecke für ein "Stichbähnle" von Nagold nach Eutingen bauen.
Eine "vertiefte Machbarkeitsstudie", die der Landkreis Calw und die Stadt Nagold in Auftrag gegeben hatten, kam zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der S 1 nach Nagold technisch und betrieblich machbar ist. In einer Sitzung Anfang März fasste der Verwaltungsausschuss des Kreistags Calw dann den einstimmigen Beschluss, eine Nutzen-Kosten-Untersuchung für die Verlängerung der S-Bahn Herrenberg bis Nagold in Auftrag zu geben. Die Untersuchung dauert etwa ein halbes Jahr.
Bei dieser Analyse werden derzeit, wie Sarah Tonhauser vom Landratsamt in Calw auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, die Grundlagen für die weitere Planung geschaffen. Dabei werde "viel Datenmaterial gesichtet". Ermittelt wird die Nachfrage im öffentlichen Personennahverkehr und im Individualverkehr, um zu sehen, ob für die Verlängerung der S-Bahn-Strecke auch ein Bedarf besteht. Vor den Sommerferien, so Tonhauser, werde bei dem Vorhaben wohl keine weitere Entscheidung getroffen.
Eine Million Euro pro neuem S-Bahn-Kilometer
Der Investitionsbedarf für die S-Bahn-Strecke von Herrenberg nach Nagold wird auf 30 Millionen Euro geschätzt, rund eine Million Euro pro neuem S-Bahn-Kilometer. Von dem Projekt wären gleich vier Landkreise betroffen – Böblingen, Calw, Freudenstadt und Tübingen.
Vorsichtige Kritik aus den Nachbarlandkreisen ist in Calw bereits angekommen: Landrat Helmut Riegger teilte bei der Sitzung des Calwer Verwaltungsausschusses im März mit, dass er bereits seine Kollegen aus Böblingen, Freudenstadt und Tübingen zu sich eingeladen und mit ihnen über diese Schienenanbindung gesprochen habe. Diese hätten sich bislang aber "verhalten gezeigt", wie im Sitzungsprotokoll vermerkt wird, da sie befürchten, bestehende Haltepunkte von Regionalzügen entlang der Gäubahntrasse zu verlieren. Deshalb werde er versuchen, so Riegger, "die Nachbarlandkreise mit einem guten Untersuchungsergebnis für die Sache zu gewinnen".
Zumindest in Freudenstadt dürfte dies bei dem scharfen Ton, den Klaus Michael Rückert anschlägt, schwierig werden. Bei dem Thema müsse man, wie der Landrat dem Verwaltungsausschuss des Freudenstädter Kreistags ankündigte, notfalls "auf den Putz hauen". Die Weichen für Widerstand hat Rückert jedenfalls schon mal gestellt.