KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
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Vielfahrer
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KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Beitrag von Vielfahrer »

Am heutigen Samstag wurden in Nagold die beiden neuen Haltepunkte Nagold Stadtmitte (neu) und Nagold-Iselshausen (Reaktivierung nach ca. 35 Jahren) eingeweiht. Die Bahnsteige sind 55 cm hoch und 80 m lang, reichen also gerade für eine Dreifachtraktion RegioShuttle. Heute waren natürlich so viele Gäste da, dass sie gerade noch in den Sonderzug gepasst haben, der von Nagold-Stadtmitte nach Nagold-Iselshausen und zurück gefahren ist. Der Haltepunkt Nagold-Stadtmitte liegt über dem sogenannten "Durchlass", also auf der Brücke über die Herrenberger Straße. Die Bahnsteige können über einen Aufzug sowie über mehrere Treppen (ca. 100 Stufen schätze ich) erreicht werden. Zudem gibt es einen nahezu ebenerdigen Zugang aus der Richtung, in die früher das "Altensteigerle" in Richtung Nagold-Stadt fuhr.
In Nagold hielt der Konzernbevollmächtigte der DB für Baden-Württemberg die erste Rede und bedankte sich bei allen, die dazu beigetragen hätten, dass die Baumaßnahmen an der Nagoldtalbahn rechtzeitig fertig geworden wären, also bei DB-Netz, DB Station&Service, aber auch beim RAB bzw. dem Teilnetzmanager Glässer. Natürlich vergaß er nicht, die Geldgeber mit zu loben, allen voran das Land, den Landkreis und die Stadt Nagold.
Minister Hermann ließ es sich nicht nehmen, mit launigen Worten die beiden neuen Haltepunkte selbst einzuweihen. Er meinte, dass man ja in den letzten Monaten fast hätte glauben können, in Baden-Württemberg gebe es nur einen Bahnhof, aber dieser Eindruck trüge. Es wäre ihm eine ganz besondere Freude, hier in der Fläche Haltepunkte einweihen zu können, denn genau hier müsse die Bahn besser werden. Es sei leider das Schicksal von Verkehrsministern, dass die Dinge einweihen müssten, die andere veranlasst hätten, aber seinen Nachfolgern werde es später dann auch so gehen. Er stehe für den Ausbau der Bahn in der Fläche. Die große Zahl an Zuhörern (sie passten kaum auf die Bahnsteige bzw. die Zugänge) sei Zeugnis dafür, dass die Bahn auch in der Fläche die Leute interessiere. An den Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, den Nagolder CDU-MdB Hans-Joachim Fuchtel, gewandt, meinte Hermann, dass es ganz wichtig sei, dass der Bund auch nach 2019, wenn das GVFG bzw. Entflechtungsgesetz auslaufe, sich der Bund nicht aus der Finanzierung von Investitonen in den ÖPNV zurückziehen dürfe. Dann könnten solche Projekte wie heute nicht mehr finanziert werden. Ohne Bundesmittel könne das Land alleine etwa aus Regionalisierungsmitteln die notwendige Modernisierung von Bahnlinien in der Fläche nicht schultern. In seiner Rede ging er weiter darauf ein, dass er am Bahnhof Nagold sogar noch einen funktionierenden Güterbahnhof in der Fläche gesehen hätte. Dies hätte ihn besonders gefreut, weil die notwendige Verlagerung von Güterverkehren von der Straße auf die Schiene eben auch entsprechende Infrastrukturen voraussetze, die im Falle Nagolds offenbar noch gegeben wären.
Es sprach auch der Calwer Landrat Riegger, der das Bekenntnis des Ministers Hermann zur Schieneninfrastruktur in der Fläche aufnahm und die Verlängerung der S-Bahn nach Calw sowie die Strecke Nagold - Herrenberg einforderte. Auch er bedankte sich bei allen am Bau Beteiligten und bezifferte die Aufwändungen für die Nagoldtalbahn in diesem Jahr auf insgesamt 22 Mio € (einschließlich kommunaler Anteile). Er forderte die Anwesenden auf, zukünftig viele Fahrten mit der Nagoldtalbahn zu unternehmen, die jetzt ja bis auf wenige Ausnahmen im 30-Minuten-Takt verkehren würde. So würde attraktiver Nahverkehr aussehen. Ein Studium der Fahrpläne wäre nicht mehr notwendig. Man könne sich einfach auf das Angebot verlassen.
Nagolds OB Jürgen Großmann freute sich ganz besonders, dass die Haltepunkte rechtzeitig fertig geworden sind. Damit kann im nächsten Jahr die Landesgartenschau kommen und wir können die Anreise mit der Bahn bestens empfehlen. Von der erhöht liegenden Nagoldtalbahn aus bietet sich ein wunderbarer Blick über die Altstadt und zum Schloßberg und mit wenigen Schritten ist man von einem der nunmehr 4 Haltestellen (Iselshausen, Steinberg, Stadtmitte und Bahnhof) in der Stadt bzw. bei der dann stattfindenden Landesgartenschau.
In Nagold-Iselshausen wurde dann nach rund 35 Jahren der Haltepunkt wieder in Betrieb genommen. Wie der Iselshauser Ortsvorsteher ausführte, hätte nach der Schließung damals niemand geglaubt, dass man ab Iselshausen jemals wieder in einen Zug einsteigen könne. Nunmehr hätte man wieder mitten im Ort einen Bahnhof, der überdies auch für das Umland (Haiterbach, Schwandorf, Mötzingen, Vollmaringen usw.) günstig liegen würde. Notwendig wäre nun nur noch die S-Bahn, ergänzte Nagolds OB Jürgen Großmann. An den Bahnsteigen müsse man dann nur noch Kleinigkeiten ändern. "Die Gleise liegen schon" meinte er zu Minister Hermann, "es fehlen uns nur noch 9 km Fahrdraht".
Im Anschluss an die Einweihung der beiden Haltepunkte wurde noch ein roter RegioShuttle mit Werbung für die im nächsten Jahr stattfindenden Landesgartenschau auf die Reise geschickt.
Wie nicht anders zu erwarten, konnte man zu diesem erfreulichen Anlass natürlich wieder viele Weggenossen treffen, die teils schon seit 22 Jahren hinter dem Bau dieser beiden Haltepunkte her waren. So berichtete Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, dass er im Anschluss an eine Bereisung der Nagoldtalbahn mit Vertretern des Bundesverkehrsministeriums im Jahr 1989 damals ein Weißbuch zur Situation der Haltestellen in seinem Wahlkreis erstellt habe. Man habe damals alle Bahnhöfe, selbst die Toiletten, inspiziert und eine Mängelliste erstellt. Die Vorort-Aktion damals war ein Vorläufer zur Erkenntnis, dass die Regionalisierung der Bahn in der Fläche dringend notwendig sei. Auch war er damals bereits beim Vorstand der DB in Frankfurt vorstellig geworden, um die Schließung des Güterbahnhofs Nagold zu verhindern. In Nagold wurde damals dann ein privat getragener Containerumschlagpunkt eingerichtet, der sich bis heute gehalten hat.

Viele Grüße aus dem Nagoldtal vom Vielfahrer
Karl Müller
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Re: KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Beitrag von Karl Müller »

Danke für den ausführlichen Bericht !
Gruß Oli
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Re: KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Beitrag von Villinger »

[ot]Ich wusste gar nicht, dass Nagold sooo groß ist, um eine Landesgartenschau für ein Jahr zu beheimaten :Frol: :Frol:[/ot]


Danke Vielfahrer für die ausführlichen Bezeichnungen! :daumen hoch:
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Re: KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Beitrag von Vielfahrer »

@Fridinger: groß ist relativ. Es gibt aber aus Nagold ausgesprochen viele Berufspendler (Stand 2010):
nach Stuttgart 346, Böblingen 236, Herrenberg 299, Mötzingen 181, Sindelfingen 848, Jettingen 181, Altensteig 378, Haiterbach 262, Ebhausen 113, Wildberg 163, Calw 210, Horb 346, Rottenburg 121, Tübingen 101. Insgesamt sind es 5.286 Berufsauspendler. Umgekehrt fahren nach Nagold 6.877 Pendler zur Arbeit, davon 127 aus Gäufelden, 229 aus Herrenberg, 292 aus Mötzingen, 320 aus Jettingen, 651 aus Altensteig, 560 aus Ebhausen, 143 aus Egenhausen, 570 aus Haiterbach, 135 aus Neubulach, 329 aus Rohrdorf, 402 aus Wildberg, 178 aus Calw, 183 aus Eutingen im Gäu, 487 aus Horb, 175 aus Pfalzgrafenweiler, 224 aus Rottenburg. Dazu kommen natürlich sehr viele Ausbildungspendler noch hinzu. Meines Wissens befindet sich in Nagold das zweitgrößte Gymnasium Baden-Württembergs (gemessen an der Schülerzahl). Dazu hin gibt es natürlich auch alle anderen Schularten von den Grundschulen bis zu den Beruflichen Schulen.
Aus verkehrlicher Sicht ist weiterhin interessant, dass die Innenstadt von Nagold durch kluge Politik sich zum sogenannten Kaufhaus Nagold entwickelt hat. Jede Menge Einzelhandelsgeschäfte säumen die Straßen der Innenstadt, die im Übrigen verkehrsberuhigt ist oder komplett zur Fußgängerzone umgestaltet wurde. Insofern wird besonders viel Kaufkraft gebunden, d.h. es kommen auch von auswärts noch mehr Einkäufer als Nagolder in andere Städte ihr Geld tragen. Für alle Kommunalpolitiker, die immer meinen, man müsse mit dem PKW bis vor die Geschäfte fahren müssen, damit diese wirtschaftlich überleben können, ist Nagold ein sehr gutes Gegenbeispiel. Der früher verkehrsreichste Platz in Nagold, der Vorstadtplatz, auf dem die Marktstraße, die Bahnhofstraße, die Herrenberger Straße, die Haiterbacher Straße und die Freudenstädter Straße zusammen kam, ist inzwischen Fußgängerzone, auf der große Feste stattfinden.
Falls also mal der eine oder andere Lust hat, mit der Kulturbahn nach Nagold zu fahren, man kann dort wirklich interessantes sehen, nicht erst bei der Landesgartenschau 2012.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Beitrag von Vielfahrer »

Im Schwarzwälder Boten kam diese Woche ein interessanter Beitrag zur Bahngeschichte im Nagoldtal

Historisches zum Durchlass. Die Lok, die auf dem Durchlass zu sehen ist, war eine Schmalspurlokomotive. Die frühere Strecke Nagold - Altensteig (1.000 mm) war u.a. Teststrecke für Lokomotivfabriken, die ihre Meterspurloks in alle Welt exportierten.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Re: KBS 774 Bahnhof mit Aussicht eingeweiht

Beitrag von Vielfahrer »

Und hier folgt noch der Pressebericht zur Einweihung der beiden neuen Haltepunkte.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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