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Elektrifizierung und Ausbau von Bahnlinien in BW

Verfasst: Fr 25. Nov 2011, 19:47
von Vielfahrer
Am heutigen Tag wurde bestätigt, dass der Bund zum Ausbau der Rheintalbahn, der Elektrifizierung der Südbahn und zum abschnittsweisen Ausbau der Gäubahn steht und dafür Gelder im aktuellen Investitionsrahmenplan eingestellt hat. Dies meldete u.a. der SWR, wurde aber so auch auf einer Tagung des Interessensverbands Südbahn in Friedrichshafen bekannt. Ministerialdirektor Bäumler vom Ministerium für Infrastruktur und Verkehr meinte, dass er selten genug Gelegenheit habe, gute Nachrichten bekannt zu geben. Aber die Gespräche zwischen Bund und Land hätten gezeigt, dass der Bund zur Südbahn und den anderen Strecken stehe.

Rund 253 km Fahrdraht und ca. 3.000 Masten sollen nunmehr entlang der Südbahn Ulm - Lindau gezogen bzw. aufgestellt werden. An der Planung sind Dutzende von Ingenieuren der Bahn tagein, tagaus beschäftigt. Die Arbeiten sollen spätestens 2016 abgeschlossen sein. Die Fahrzeit der Regionalexpresszüge wird dann von Ulm nach Friedrichshafen bei 62 Minuten liegen, die Höchstgeschwindigkeit auf der Südbahn wird 160 km/h betragen.

Mit dieser Zusage steht fest, dass der Bund tatsächlich weitere Investitionsmittel für den Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur im Land Baden-Württemberg bereit stellt und es nicht so ist, wie vielfach behauptet, dass das Großprojekt S 21 andere wichtige Ausbaumaßnahmen kannibalisiert. Skeptiker mögen den Zeitpunkt der Bekanntmachung zwei Tage vor der Volksabstimmung kritisieren, zumal in jüngerer Zeit irgendwelche Entwürfe des Investitionsrahmenplans kursierten, bei denen davon nicht die Rede gewesen war.

Für das Land also wirklich gute Nachrichten, da der Bahnverkehr durch die Elektrifizierung der Südbahn eine riesigen Modernisierungsschub erhalten wird, denn der Lückenschluss an der Bodenseegürtelbahn wird eine weitere Folge sein. Auch bei der Allgäubahn stehen die Signale für die Elektrifizierung auf grün. Vermutlich wird es hier aber noch etwas länger als bei der Südbahn dauern. Freunde röhrender BR 218-Motoren müssen sich also sputen...

viele Grüße vom Vielfahrer

Re: Elektrifizierung und Ausbau von Bahnlinien in BW

Verfasst: Fr 25. Nov 2011, 20:11
von Goldberger
Dann kann ich ja morgen beruhigt gegen S21 Stimmen, denn das Geld für den weiteren Bahnausbau kommt ja dann trotzdem, ist ja beschlossen ;-)

Aber mal ehrlich, "gesicherte Finanzierung" einen Tag vor der Abstimmung anzukündigen, damit niemand glaubt, andere Projekte stünden zurück - wie seriös das ist, mag jeder selber beurteilen. Er sollte dabei gerne die sonstige Wahrheitstreue der dies verlautbarenden Politiker einbeziehen, und seit wievielen Jahren genau diese den Durchbruch verkünden, ohne das ein km gebaut wurde.

Ich glaube nicht, dass wirklich bereits eine Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen wurde, und das ist das einzig wirklich rechtssichere und damit relevante. Zusagen wurden schon viel gemacht: Ich erinnere an das "Anti-Stau-Programm" (damals von Rot/Grün) - das vom rechlichen Status her ungefähr wie ein IRP einzuordnen ist. Damals war der zweigleisige Ausbau zwischen Lindau und Friedrichshafen also ebenfalls konkret in einem Investitionsrahmenplan. Und wieviel wurde wurde davon bis heute gebaut ? 0km ! Die Aussage ist also NICHTS wert !

Trotzdem, ganz versöhnlich: Egal wie es morgen ausgeht, die Welt geht nicht unter ! Und wir hoffen, dass einfach so viele sinnvolle Bahnprojekte wie möglich in den nächsten Jahren realisiert werden. Es gibt genug !

Ein bisschen Meinung noch zum "Investitionsrahmenplan"

Verfasst: Fr 25. Nov 2011, 20:29
von Goldberger
Auf der Seite des zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist (Stand 25.11.2011) der
"Investitionsrahmenplan bis 2010 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) ". Man weiß also was man gedenkt bis 2010 ausgegeben zu haben ;-)
"Die Projektlisten ermöglichen die Disponibilität, welche angesichts der Dynamik bei der Planung und Realisierung der großen Anzahl der Projekte erforderlich ist." [Sprich: Er ist massiv überzeichnet]
"Der IRP trifft hinsichtlich des konkreten Zeitpunktes der Realisierung einer Maßnahme keine detaillierten Festlegungen."
[Sprich: Der berühmte St.-Nimmerleins-Tag]

Wenn man sich obigen Investitionsrahmenplan 2006 – 2010 einmal ansieht, so sieht man auf Seite 6 (im PDF Seite 9), dass für Schienenwege des Bundes BVWP-Mittel (also ohne die Bestandsnetzinvestitionen) als
"Finanzbedarf für im IRP abzuschließende bzw. zu beginnende Bedarfsplanprojekte ab 2006" von 28Mrd aufgeführt sind. Bei der Laufzeit von 5 Jahren entspricht dies 5,6Mrd/Jahr. Es werden aber weniger als 2 Mrd Euro pro Jahr an Haushaltsmitteln für Bedarfsplanprojekte bereitgestellt. Es wird also noch ewig dauern, allein diese Projekte abzuschließen. Damit ist die der IRP eine politische Priorisierung, als Planungsinstrument aber ungefähr so gut geeignet wie der Haushaltsplan von Griechenland ;-)

Etwas genauer analysiert, waren in dem bis vor 1 Jahr gültigen (2006-2010) IRP folgende Projekte enthalten:
"der weitere Ausbau der Strecke Berlin – Frankfurt (Oder),
...
– der Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke Hoyerswerda – Horka – Grenze D/PL,
> Trotz extrem hohen Kosten/Nutzen-Faktor noch kein echter Baubeginn
– der Ausbau der POS mit den Abschnitten Straßburg – Kehl – Appenweier (Südast) und Saar-
brücken - Ludwigshafen (Nordast),
> Südast: Karlsruher Kurve fehlt noch komplett
– der Ausbau der Strecke Köln – Aachen – Grenze D/B im Rahmen des Hochgeschwindigkeits-
verkehrs Köln – Brüssel,
> Buschtunnel erhielt 2. Röhre. Weitere Ausbauten wurden noch nicht realisiert
– der Aus- bzw. Neubau der Strecke Karlsruhe – Offenburg – Freiburg – Basel,
> Bekanntlich nur Katzenbergtunnel in Bau. Trotz vertraglicher Verpflichtungen mit der Schweiz - ich erinnere mich an Aussagen wie "Verträge müssen auch eingehalten werden" oder "Genehmigte Pläne heißen auch Baupflicht" - tut sich sonst noch gar nichts.
– der Ausbau der Strecke Grenze D/NL – Emmerich – Oberhausen,
> Ein ESTW wurde gebaut. Die 90% Kosten des dreigleisigen Ausbaus: Noch keine Bautätigkeit
– der Ausbau der Strecke Freilassing – Salzburg.
> Seit 2010 (also nach Ablauf des IRP) im Bau

"Im Anti-Stau-Programm werden die problematischsten Engpässe im Schienen-, Bundesfern-
straßen- und Bundeswasserstraßennetz aufgezeigt. Deswegen werden diese Engpässe im IRP
vorrangig beseitigt. Die Projekte sind ausnahmslos im Vordringlichen Bedarf eingestuft."
- Ausbau der Knoten, z.B. Frankfurt/M., Köln, Berlin, Halle/Leipzig, Magdeburg und Erfurt,
> Erfurt tut sich was, Mannheim nur Sportfeld, Berlin bis heute kein Ausbau der Nordbahn oder Dresdner bahn
- ABS Düsseldorf – Duisburg (im Rahmen Rhein-Ruhr-Express Köln/Bonn – Dortmund).
> Bis heute tut sich nix.

"Als wichtige Küstenländer übergreifende Verkehrsinfrastrukturprojekte zur Verbesserung der
Hinterlandanbindungen enthält der Investitionsrahmenplan im Bereich Schiene unter anderem
die Projekte:"

– Elektrifizierung und Ausbau der Strecke Hamburg – Lübeck – Travemünde
> Gut, ist erledigt
– dreigleisiger Ausbau der Strecke Stelle – Lüneburg
> Gut, in Bau (2011 begonnen, nach Ende IRP)
– zweigleisiger Ausbau der Strecke Oldenburg – Wilhelmshaven
(Jade-Weser-Port)
> In Bau (nach 2010) Elektrifizierung fehlt noch
– den Aus- und Neubau der Verbindung Hamburg/Bremen – Hannover
(Y-Trasse)
rd. 1280 Mio. €. (sic!)
> Noch keinerlei Bauarbeiten.
...

Bei Betrachtung der Projekte muss man diese nun auch noch nach Volumen eingruppieren:
-vom teuerste Projekt, Offenburg-Basel, wird bis 2012 - 2 Jahre nach Ende des IRP - ca. 20% (Katzenbergtunnel) realisiert werden
-Die 2 nächsten Projekte mit Mrd-Volumen, Y-Trasse und RRX, wurden auch 2 Jahre nach Ende des damaligen IRP noch nichtmal begonnen. Allein für die Realisierung der im IRP 2006-2010 enthaltenen Projekte wird bei gleich bleibendem Mittelzufluss noch etliche Jahre vergehen. Und man kann sich vorstellen, wie viele Versprechungen noch für den Rest der Republik gemacht wurden.
Und nun behauptet jemand für die "wichtige Gäubahnstrecke" sei Geld vorhanden !

Re: Elektrifizierung und Ausbau von Bahnlinien in BW

Verfasst: Fr 25. Nov 2011, 20:47
von Vielfahrer
Hallo Goldberger,

die Aufnahme in den IRP ist eine notwendige, keine hinreichende Maßnahme, das war schon immer so. Bekanntlich gibt es da noch die sog. Fulda-Liste. Es dürfte für Außenstehende und andere relativ schwierig sein, da noch durchzublicken. Zunächst war die Gäubahn in internationalen Verträgen enthalten, dann, weil das Geld nicht international bereit gestellt wird, sondern national, im entsprechenden vordringlichen Bedarf des Bundesschienenwegsplans, der bekanntlich vom Bundestag beschlossen wird. Der Investitionsrahmenplan umfasst die Vorhaben, für die aus Sicht der Bundesregierung im genannten Zeitraum Mittel für die Umsetzung bereitgestellt werden sollen, natürlich vorausgesetzt, es liegen baureife bzw. umsetzungsreife Planungen vor. Aus diesem Grund hat ja die kommunale Seite Gelder für die Leistungsphasen I und II nach HOAI vorfinanziert und das Land BW ist mit der Vorfianzierung der Leistungsphasen III und IV gefolgt. Mit Abschluss der Leistungsphase IV kann die Baumaßnahme planfestgestellt werden, was eine notwendige Voraussetzung für Investitionen, in denen Planungsmittel in pauschalierter Form enthalten sind, ist. Wenn dann gebaut wird, dann fließen Planungsmittel, die von Kommunen und Land vorfinanziert wurden, zurück und der Zweck wurde erreicht. Aus diesem Grund ist jeder, der für die Infrastruktur in seinem Raum etwas positives bewegen will, gut beraten, so an die Sache heranzugehen. Dies ist meine Erfahrung nunmehr in vielen Jahren. Andere Strategien (z.B. die Kannibalisierung durch Großprojekte zum Thema zu machen) empfehle ich eher nicht. Klar, man kann sich darüber streiten, ob kommunale Aktivitäten sinnvoll sind, um Bundesschienenwege voranzubringen. Aber wie sagte neulich in Tuttlingen ein Mitglied einer Regierungspartei auf diese Frage: "Das ist gelebte Praxis". Wer also an einem Vorankommen in der Sache interessiert ist, der muss m. E. diesen Weg beschreiten.

Viele Grüße vom Vielfahrer