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Re: [766] Bauarbeiten

Verfasst: Do 31. Okt 2013, 09:19
von Villinger
@Schwellenschraube/GHC: Hier findet ihr die gewöhnlichen Fahrzeiten :zwinker:

Re: [766] Bauarbeiten

Verfasst: Do 31. Okt 2013, 20:14
von Friederich
Heute Mittag lagen dann die Schienen - noch etwas krumm, aber das wird schon.

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Grüßle
Friederich

Re: [766] Bauarbeiten

Verfasst: Do 31. Okt 2013, 21:53
von Vielfahrer
Hallo,

über Bauarbeiten an den Gleisen freue ich mich eigentlich immer. Habe da gerade was gelesen, was mich schier umgehauen hat. Nach dem Abitur bin ich mit InterRail auf meine erste große Reise gegangen und damals u.a. mit dem Hellas-Express bis Athen gefahren. War eine tolle Fahrt gewesen. Nunmehr habe ich heute in der NZZ vom Journalist Paul Schneeberger folgendes gelesen:

"Die Bahnverbindung nach Süosteuropa war das Prestigeträchtigste, was es auf europäischen Schienen gab. Heute bildet sie die Mangelwirtschaft auf dem Balkan ab. Wer sich auf sie einlässt, wird entschleunigt.

Das Unzeitgemäße einer Fahrt per Bahn auf den Balkan reicht bis nach Zürich. Und mit ihm verloren geglaubte Qualitäten. Bis nach Belgrad lässt sich nach wie vor über Nacht reisen. Weshalb also eine Reise nach Athen nicht zum Anlass nehmen, um zu erfahren, was vom glamourösen Orientexpress übrig geblieben ist? Gefragt, getan: Als Logbuch die letzte Ausgabe des European Timetable von Thomas Cook unter dem Arm und die Billette in der Tasche, die wir beim Regionalverkehr Bern-Solothurn gekauft haben, wo es das spesenfrei gibt, brechen wir auf.

Wenn unsere Vorfahren vor 60 Jahren eine Griechenland-Fahrt unternahmen, bauchten sie dafür samt Übernachtung in Mailand zweieinhalb Tage und drei Nächte. Hätten wir heute die Aufenthalte minimieren wollen, wären wir inklusive eines nicht zu vermeidenden Tages in Skopje gleich lang unterwegs gewesen. Unter anderem, um Stress wegen Anschlüssen zu vermeiden, legten wir aber zwischen allen Etappen geplante Pausen ein.

Bis Zagreb, im moderen Schlafwagen der kroatischen Staatsbahn, ist der klassische Orientexpress noch nicht weit entfernt, sowohl was Geschwindigkeit als auch was Komfort angeht. Zelimo Vam sretanput! steht auf einem Kärtchen. Die guten Wünsche für die Reise sind ernst gemeint. Die Passagiere bis Zagreb sind spärlich, hörbar gut gebucht ist der Wagen durch Österreich bis Villach. In der Früh begrüsst uns in einem grünen slowenischen Tal die Save; sie wird uns bis Belgrad begleiten. In Dobava, an der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien, erwartet uns ein Lokomotivwechsel. Diese bahntechnische Akt ist der erste von dreien, die wir im ehemaligen Jugoslawien mitverfolgen, und der einzige, der zwingend ist. Auf Gleichstrom folgt hier Wechselstrom. An den Grenzen zu Serbien und Mazedonien ist er nur politisch bedingt, er fällt dort zusammen mit Personalwechsel und Grenzkontrollen.

Das Stromsystem und die meisten Lokomotiven von Kroatien bis Mazedonien sind identisch, alles stammt noch aus der Zeit des gemeinsamen Staates. Die schleichende Fahrt bis in den Bahnhof Zagreb gibt uns einen Vorgeschmack auf die folgende Entschleunigung und die wachsende Distanz zum Paradezug von einst.

Die 400 Kilometer lange Reise Zagreb - Belgrad nimmt sechseinhalb Stunden in Anspruch. Auf dieser einstigen jugoslawischen Magistrale werden pro Tag noch zwei Zugspaare angeboten. Verpflegung an Bord gibt es nicht. Die Scheiben unseres rund 20-jährigen Wagens sind gebleicht oder blind, die unmittelbarste Erfahrung machen wir mit Wanzen im Sitzpolster. Mit uns und dem schlurfenden Zugbegleiter, der schon den jugoslawischen Staatsbahnen gedient haben dürfte, sind ältere Menschen unterwegs. Bahn fährt nur noch, wer den Bus nicht mag oder vermag. Im öffentlichen Fernverkehr hat er in diesen Breiten längst das Zepter übernommen.
Sanfte Hügel weichen einer Ebene, aber unser Tempo ist weniger von der Topographie beeinflusst als vom Unterbau und von Bauarbeiten. Sie sind Bestandteil der Metamorphose, durch die der europäische (Güter-)Transitkorridor nach Thessaloniki vom Papiertiger zur Realität werden soll. Kontrast dazu ist der Hauptbahnhof von Belgrad. Trotz bröckelndem Putz gäbe er eine glaubhafte Kulisse über die goldene Zeit des Orientexpress.
Der einzige Tageszug Belgrad-Skopje ist ein Bummler mit einer Lokomotive und zwei Abteilwagen, die daherkommen, als hätten sie seit dem Ende Jugoslawiens keine Aussenreinigung mehr gesehen. Sonnenschutz gibt es keinen, wir sind froh, ist der Himmel bedeckt. Immer wieder schleichen wir mit 20 km/h über Gleise in desolatem Zustand. Die Reise über 460 Kilometer ersteckt sich auf neueinhalb Stunden.
Nach Nis, wo sich die Strecken nach Istanbul und Athen trennen, rattern wir mit Mitpassagieren, von denen viele nur kurze Teilstrecken zurücklegen, durch eine wilde Schlucht. In Skopje treffen wir um halb sechs Uhr abends einen menschenleeren Bahnhof an. Der Betonbau aus den 1960er-Jahren dämmert vor sich hin. Hier ist unsere Bahnreise vorerst zu Ende. Der Personenverkehr nach Griechenland ist eingestellt. Dorthin fahren wir mit wenigen Mitreisenden in einem kleinen Autocar.
In Thessaloniki haben uns Wagen, Verpflegung und Geschwindigkeiten wieder, wie wir sie von zu Hause kennen. Die Probleme der griechischen Staatsbahnen unter den Vorzeichen der Schuldenkrise tangieren uns im klimatisierten Intercity nicht. Es sei denn, die Verspätung von 20 Minuten, mit der wir im dörflich anmutenden Hauptbahnhof von Athen ankommen, hätte damit zu tun. Sie ist und bleibt die größte auf der ganzen Reise."

Viele Grüße vom Vielfahrer