29-Euro-Ticket für Tübinger?

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
Antworten
Vielfahrer
Örtlicher Betriebsleiter
Örtlicher Betriebsleiter
Beiträge: 4786
Registriert: So 1. Aug 2010, 13:32
Wohnort: Tübingen Weststadt

29-Euro-Ticket für Tübinger?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

im Schwäbischen Tagblatt Tübingen von heute berichtet die Redakteurin Sabine Lohr über jüngste Überlegungen in der Stadt:

Es sei „nur mal so dahingesprochen“, aber doch schon so weit, dass er die Idee öffentlich ausspreche: „Wer als Tübinger in Tübingen das 49-€-Deutschlandticket kauft, soll dafür nur 29 € bezahlen“. Oberbürgermeister Boris Palmer setzte am Donnerstag im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats eine Idee, die dieser erst mal sacken lassen muss. Eine Erwiderung oder Nachfragen gab es jedenfalls nicht.

Finanziert wäre dieses 29-€-Ticket bereits, zumindest weitgehend. Denn der Gemeinderat hatte bei den Haushaltsberatungen für dieses Jahr beschlossen, das 365-€-Ticket für den Tübus einzuführen. Damit sollte jeder Busnutzer für 365 Euro im Jahr – vorausgesetzt er schließt ein Abo ab – das gesamte Stadtbusnetz nutzen können. Die Kosten, die den Stadtwerken damit entgehen – rund 1,2 Millionen Euro im Jahr – hat der Gemeinderat für die Jahre bis 2026 in den Haushalt eingestellt.

„Damals war von einem 9-Euro-Ticket oder einem 49-Euro-Ticket noch nicht die Rede“, sagte Palmer. Mit dem Deutschlandticket sei aber vielleicht eine neue Sonderregelung für Tübingen nicht mehr so wichtig. Nun würde er selbst ja sowieso nur das Tübinger Busnetz nutzen und „niemals die Stadt verlassen“, wie er scherzhaft bemerkte, aber es gebe ja auch Tübinger, die sehr wohl mal Tübingen mit dem Zug verlassen würden. Für diese wäre das 29.-Euro-Ticket attraktiver als das 365-Euro-Ticket. Und als das 49-Euro-Ticket allemal.

Ob der Gemeinderat diese Idee umsetzt, ist noch völlig offen. Und auch, ob trotzdem im März wie geplant das Tübinger 365-Euro-Ticket eingeführt wird. „Wir können das umsetzen, es jederzeit zurücknehmen und das 29-Euro-Ticket einführen, sagte Palmer gegenüber dem TAGBLATT.
Dass es das 49-Euro-Ticket überhaupt gebe, zeige, so Palmer, „erstmals die Akzeptanz durch den Bund, dass der ÖPNV zu teuer ist“. Der Preis habe eben sehr wohl eine Auswirkung auf die Nutzung, nicht nur der Takt und die Pünktlichkeit.

Palmer ist übrigens nicht der Einzige, der diesen Gedanken hatte. Dietmar Schöning (FDP) leitete dem Tagblatt einen Mailverkehr mit Ernst Gumrich (Tübinger Liste) vom 4. November weiter. Gumrich fragte Schönig darin, ob man angesichts des 49-Euro-Tickets nicht einiges neu strukturieren müsse, ob es nicht auch Spielräume für lokale Sonderregelungen geben könnte, die das Deutschlandticket noch weiter verbilligen. Schöning schlägt daraufhin vor, das Tübinger 365-Euro-Ticket in ein 29-Euro-Ticket umzuwandeln.

Man müsste auch rechnen, ob ein 19-Euro-Ticket für Kinder und Jugendliche zu finanzieren sei. Auf Nachfrage schrieb Schöning dem TAGBLATT, dass diese Idee ganz unabhängig von Palmer entstanden sei, „aber eben doch weitgehend in die gleiche Richtung“ gehe.

Anlass für die ÖPNV- und Ticketdebatte war ein Antrag der Gemeinderatsfraktionen AL/Grüne, SPD, Linke und „Fraktion“ auf ticketfreien Stadtverkehr im Dezember. Hans-Dieter Zeutschel und Sabine Boßdorf von den Stadtwerken – sie schalteten sich aus einem Tübus mit Wlan zu – erklärten, warum dieser Antrag so schnell nicht umgesetzt werden könne. Da sei zunächst einmal das Geld. Ein ticketloser Monat würde die Stadtwerke rund 1 Million Euro kosten. Doch die ÖPNV-Sparte der Stadtwerke erwirtschaftete in diesem Jahr voraussichtlich ein Defizit von 6,2 Millionen Euro – das sei so hoch wie nie zuvor. „Und das geht in den nächsten Jahren so weiter“, sagte Zeutschel.

Boßdorf erläuterte das Verfahren für eine derartige Änderung beim Verkehrsverbund Naldo, dem der Stadtverkehr vertraglich angehört. Da gebe es Vorberatungen, eventuell seien Gutachten nötig, dann müsse die Naldo-AG beraten und beschließen. Außerdem müsste es Rückerstattungen für die Semestertickets geben, ein aufwändiges Verfahren, für das kein Personal vorhanden sei. Ein ticketfreier Monat brauche mindestens ein halbes Jahr Vorlauf – und sei für die Stadtwerke finanziell nicht machbar.

„Es ist eine schöne Idee“, bilanzierte Palmer, „aber es geht halt nicht“.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Antworten