Bürgerinformationsabend in Nellingen zum ÖV auf der Schwäbischen Alb

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Bürgerinformationsabend in Nellingen zum ÖV auf der Schwäbischen Alb

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

in etwas mehr als in einem Jahr geht der Bahnhof Merklingen/Schwäbische Alb in Betrieb. Für den Bau des Bahnhofs und damit die (Wieder-) Erschießung dieses Raums mit der Eisenbahn hatte sich vehement der Zweckverband Bahnhof Merklingen/Schwäbische Alb eingesetzt, dem die Kommunen Laichingen, Merklingen, Westerheim, Nellingen, Heroldstatt, Berghülen und Dornstadt aus dem Alb-Donau-Kreis sowie die Gemeinden Drackenstein, Bad Ditzenbach, Mühlhausen im Täle sowie Wiesensteig aus dem Landkreis Göppingen angehören. Natürlich liegen diese nicht alle nah am Bahnhof Merklingen, dennoch versprechen sie sich vom Bahnhof Merklingen einen Nutzen für ihre Infrastruktur. Rund 40.000 Einwohner bringen diese Gemeinden zusammen auf. Pendler zieht es nach Ulm, ins Filstal, nach Laichingen, teilweise bis Reutlingen oder Kirchheim/Teck.

Bei der öffentlichen Informationsveranstaltung in der Sporthalle in Nellingen (ab 18 Uhr) wird darüber informiert, wie der rund 330 qkm große Raum an den Bahnhof Merklingen angebunden werden soll. Bekanntlich verkehren dort ab dem 11.12.22 von 5:39 Uhr bis 23:39 Uhr im Stundentakt an allen Tagen in der Woche Züge nach Ulm Hbf und nach Wendlingen (ab Ende 2025 nach Stuttgart-Flughafen - Stuttgart Hbf (tief) - Karlsruhe bzw. auch über Ulm hinaus nach Friedrichshafen - Lindau-Reutin.

Besprochen werden soll das Fahrplanangebot auf folgenden Linien:

350 Geislingen an der Steige - Türkheim - Aufhausen - Nellingen - Merklingen - Machtolsheim - Laichingen
491 Merklingen - Scharenstetten - Temmenhausen - Tomerdingen und Scharenstetten - Radelstetten - Oppingen
960 Merklingen - Hohenstadt - Wiesensteig - Mühlhausen im Täle - Gosbach - Drackenstein - Hohenstadt - Merklingen
334 Merklingen - Schnellbus Laichingen - Heroldstatt - Schelklingen
335 Merklingen - Schnellbus Laichingen - Heroldstatt - Münsingen
336 Merklingen - Machtolsheim - Berghülen - Bühlenhausen - Asch - Sonderbuch - Blaubeuren
352 Westerheim - Hohenstadt
365 Blaubeuren - Suppingen - Laichingen - Westerheim - Donnstadt - Böhringen - Bad Urach bzw. Feldstetten - Zainingen - Böhringen - Bad Urach.

Wie der Alb-Donau-Kreis berechnet hat, nimmt das Angebot gegenüber heute um 77 % zu, im Bereich Reutlingen dürfte es aus strukturellen Gründen eher noch mehr sein, im Landkreis Göppingen sowieso, denn zwischen Merklingen und Wiesensteig oder Gosbach gab es ja bislang kein Angebot.

Zukünftig wird man von Nellingen aus sicherlich noch nach 22 Uhr z.B. nach Tübingen fahren können, heute noch ist man auf ein Auto angewiesen oder muss auf der Schwäbischen Alb übernachten. Der von den Landkreisen finanzierte Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs kann somit ein wichtiger Baustein zur Verkehrswende auf der Schwäbischen Alb werden.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: Bürgerinformationsabend in Nellingen zum ÖV auf der Schwäbischen Alb

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

wie kaum anders zu erwarten war, waren die Bürgermeister, Gemeinderäte und sonstigen Besucher der öffentlichen Veranstaltung voll begeistert über das von den Landkreisen finanzierte Angebot. Es ermöglicht Verbindungen von jedem Ort in jeden anderen Ort, teils umsteigefrei, teils mit Umstiegen, in seiner Grundstruktur ist es auf den Bahnhof Merklingen ausgerichtet, aber auch auf die Bahnhöfe in Geislingen a.d.St., Bad Urach, Schelklingen, Blaubeuren, Herrlingen, Blaustein und Beimertingen. Gefahren werden soll von 5 - 24 Uhr an 7 Tagen in der Woche, in der Regel stündlich, bei Linienüberlagerungen aber auch öfters.

Befürchtungen, dass das neue Angebot wieder ausgedünnt werden könnte, wenn die Nachfrage ausbleibt, wurde vom Leiter des Nahverkehrsamts im Alb-Donau-Kreis nicht bestätigt. Wenn man eine Verkehrswende wolle, so könne man nicht auf kurzfristige Effekte setzen. Ziel des Landkreises sei es, solche Angebotskonzepte auch in anderen Teilräumen des Landkreises zu installieren (und zu finanzieren). Analoge Planungen würden aktuell in den Räumen Langenau und zwischen Ulm und Illertissen (über die baden-württembergische Seite) durchgeführt.

Dass der Bahnhof Merklingen eine hervorragende Entscheidung für die Gemeinden auf der Schwäbischen Alb war, drückte der Laichinger Stadtrat Schweitzer aus, der sich seit 25 Jahren nach seinen Worten für einen besseren ÖPNV einsetzte und sich in seinen kühnsten Träumen weit übertroffen sah.

Da die Veranstaltung in der Sporthalle in Nellingen stattgefunden hat, dem pandemiebedingt größtmöglichen Veranstaltungsraum der Gemeinde Nellingen, bin ich mit der Buslinie 350 des VVS von Geislingen an der Steige nach Nellingen gefahren. Diese führt von der Innenstadt Geislingens steil am Berg entlang auf die Hochfläche der Schwäbischen Alb hinauf. Vom Bus aus hat man einen phantastischen Blick über Geislingen und das dichtbediedelte Filstal zu den Kaiserbergen. Während in Geislingen das Wetter noch gut war, hingen die Wolken in Nellingen schon recht tief, so dass ich schon den Eindruck hatte, oben auf der Schwäbischen Alb dem Himmel deutlich näher zu sein. Es goß dann auch recht schnell ordentlich, so dass ich mich bis zum Beginn der Sitzung in das Hotel Krone zurückzog. Die Dame an der Rezeption erklärte mir, dass sie in Ihrer Jugend von Nellingen noch mit der Dampflok nach Laichingen zur Schule gefahren wäre. Vom Bahnhof Laichingen aus wären es zum Schulzentrum bald 2 km zu Fuß gewesen, aber das hätte niemanden gestört. Sie könne es nicht verstehen, dass man heute die Schüler im Prinzip immer bis vor die Schultüre "karren" würde. Da sie ein Ausbildungsbetrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes im Alb-Donau-Kreis sei, wäre sie auf gute ÖV-Verbindungen für Ihre Auszubildenden sehr angewiesen, diese wären bislang eher nicht existent. Ihre Kinder würden nach Ulm in die Schule fahren, was von Nellingen aus 70 Minuten (!) im Bus dauern würde, mit der Bahn dann 11 Minuten ab Merklingen zuzüglich 15 Minuten für die Busfahrt und den Umstieg, also deutlich weniger als die Hälfte. Nebenbei bemerkt, im Hotel Krone gab es Keller-Weizen, wobei ich glatt noch ein weiteres genossen hätte, hätte die Zeit dafür gereicht.

Die Schwäbische Alb ist also immer eine Reise wert und ab Ende 2022 optimal zu erreichen auch ohne PKW.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: Bürgerinformationsabend in Nellingen zum ÖV auf der Schwäbischen Alb

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

der neue Bahnhof Merklingen auf der Schwäbischen Alb wird ab Februar 2022 mit Testfahrten befahren. Ab 11. Dezember 2022 halten dann die ersten Regionalzüge in Merklingen. Der Verband Region Schwäbische Alb, dem 11 Gemeinden im Umkreis angehören, lässt einen Parkplatz mit insgesamt 420 Stellplätzen bauen. Vorgesehen sind 4 E-Ladestationen mit insgesamt 8 Plätzen, zwei Wartehäuschen, ein Funktionsgebäude mit WC-Anlage sowie ein Fahrrad-Parkhaus für 54 Räder, darunter 12 in abschließbaren Boxen. Auf dem Funktionsgebäude und dem Parkhaus werden Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 30 KW installiert. Im Funktionsgebäude selbst baut die Laichinger Volksbank einen Geldautomaten ein. Um die Sicherheit abseits der eigentlichen Bahnanlagen zu gewährleisten, investiert der Zweckverband weitere 80.000.- € in eine Videoanlage.

Für die Verknüpfung mit den dort mindestens stündlich abfahrenden Buslinien nach Geislingen, Wiesensteig, Scharenstetten, Blaubeuren und Laichingen-Heroldstatt wurden 5 Bussteige gebaut, die ebenfalls am 11.12.2022 in Betrieb genommen werden. An jedem Tag werden voraussichtlich 145 Busfahrten den neuen Bahnhof bedienen, der etwa 2 Kilometer außerhalb der Ortsmitte Merklingens liegt.

Bei der Besichtigung des zukünftigen Bahnhofs durch die Mitglieder des Zweckverbands wollten diese sich auf dem Bahnsteig vor dem aufkommenden Regen schützen. Dabei stellten sie fest, dass die Wartehäuschen auf dem Bahnsteig leider zu klein ausgefallen sind und keinen ausreichenden Regenschutz bieten.

Viele Grüße vom Vielfahrer
wolfgang65
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Re: Bürgerinformationsabend in Nellingen zum ÖV auf der Schwäbischen Alb

Beitrag von wolfgang65 »

Hallo Vielfahrer,

wie viele Fahrgäste erwartet man denn täglich am Bahnhof Merklingen?

Grüße

Wolfgang
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Re: Bürgerinformationsabend in Nellingen zum ÖV auf der Schwäbischen Alb

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Wolfgang,

das ist nicht leicht zu beantworten. Insgesamt denke ich schon, dass es eine kleine vierstellige Anzahl werden wird. In den ersten drei Jahren jedoch sicherlich nicht. Die Züge enden ja in Wendlingen und dort muss in Richtung Stuttgart auf die von Tübingen kommenden Züge umgestiegen werden. Da die Pendelzüge mit der Symmetrieminute 39 betrieben werden, die Tübinger Verkehre wie allen anderen Taktverkehre mit der Symmetrieminute 0 wird es in einer Richtung nicht gut klappen. Zudem sind die Bahnsteigverhältnisse in Wendlingen sehr beschränkt und es sollen zudem ja auch noch halbstündlich die ICE durchfahren. Ich denke also, dass der Wendlinger Verkehr bzw. der Stuttgarter Verkehr erst mit Eröffnung von S 21 und dem Flughafenhalt in Fahrt kommen wird. In Richtung Ulm dürfte es besser laufen, aber natürlich auch nicht so, wie man sich das vorgestellt hatte. Die Züge treffen in Ulm jeweils zur Minute 51 ein. 6:51 ist viel zu früh für den starken Schülerverkehr von der Alb nach Ulm. 7:51 hingegen ist deutlich zu spät, um in Ulm die 1. Stunde noch rechtzeitig zu erreichen. Wer den konventionellen Weg z.B. ab Laichingen über Blaubeuren wählt, fährt deutlich später ab und schafft ohne größere Wartezeiten den Schulbeginn. Die erhoffte Entlastung des sehr starken Verkehrs im Blautal durch die Neubaustrecke findet bis 2025 also zunächst mal nicht statt, was den Schülerverkehr betrifft. Für Berufspendler, die nicht so zeitgebunden sind, z.B. in Gleitzeit arbeiten, sind die 12 Minuten Fahrzeit von Merklingen nach Ulm natürlich sehr verlockend. Da wird einiges gehen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Fahrgastzahl in den ersten drei Jahren angesichts dieser Bedingungen vierstellig werden wird. Ab Ende 2025, wenn die Züge dann nullsymmetriert verkehren und deutlich nach 7 Uhr in Ulm aus Richtung Schwäbischer Alb eintreffen werden, passt es dann gut. Von den Pendlerzahlen her ist das Potential für den Regionalverkehr gut und die Bedingungen auf der Straße nach Ulm eher nicht (A 8).

Vorgesehen ist ja, dass nur die Regionalexpresszüge von Karlsruhe über S 21 - Ulm nach Lindau-Reutin in Merklingen halten werden, also 1 Zug pro Stunde und Richtung.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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