VAG zieht sich vermutlich aus der Breisgau-S-Bahn zurück

Alles zur Strecke Freiburg - Donaueschingen kann hier rein.
Überschneidungen mit KBS 742 und KBS 755 sind möglich.
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Hannes
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Re: VAG zieht sich vermutlich aus der Breisgau-S-Bahn zurück

Beitrag von Hannes »

Hallo,
wie auch in dem älteren Artikel aus der BZ geschrieben und auf den ich auch meine Meldung im Bahn-Report gestützt habe (Ausgabe 5/12, S. 66, Meldung zur SWEG), sind die Fahrgastzahlen von ursprünglich 1,9 Mio. auf 7,5 Mio. jährlich angestiegen. Zahlungen werden jedoch anhand der Zahlen für Zug- und Wagenkm von 1997 für die Breisacher und von 2001 für die Elztalstrecke geleistet und orientieren sich damit nicht am Fahrgastzuspruch. Insofern könnte es ja sogar sein, sollte der Fahrgastanstieg im Stadtverkehr der VAG niedriger ist als der bei der BSB, dass die VAG durch einen veralteten Einnahmeschlüssel finanziell vom Erfolg der BSB profitiert, das Geld aber salopp gesagt "für sich behält" und nun aus dem gemeinsamen Unternehmen aussteigt, wo es schwierig geworden ist.

Grüße, Hannes
"Deutsche siegen im Fußball, aber bei der Bahn ist täglich Cordoba."
ÖBB-Chef Christian Kern in der Kronenzeitung vom 8.11.14
Goldberger
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Re: VAG zieht sich vermutlich aus der Breisgau-S-Bahn zurück

Beitrag von Goldberger »

Die gleiche Situation haben wir im Raum Stuttgart mit der Schönbuchbahn. Hier kann man auch die Größenordnungen des Problems veranschaulichen.

Gerechnet wurden mit ca. 3000 Fahrgäste/Tag, sind inzwischen ~9000 (*300%)
Bezahlt werden - aus Verbunderlösen - die gefahrenen Trassen-km. Diese hab sich nur wenig - vielleicht 20% - gesteigert (Ausweitung im Abend- und Feierabendverkehr).
Um die Fahrgastmassen einigermaßen abzutransportieren, wurde massiv in die Fahrzeuge - und einem Ausbau der Bahnsteige auf 3fach-Traktion) investiert, ich schätze einfach mal Wagen-mehr-km ~100%

In einer echten Marktwirtschaft würde es sich hier um eine tolle Situation für den Betreiber handeln:
-Fixkosten (Verwaltung und der größte Teil der Infrastrukturkosten, da der Verschleiß im PV eine untergeordnete Rolle spielt): 0%
-Personalmehrkosten: 20% (Tf, Fahrplan-km-abhängig)
-Fahrzeugmehrkosten: 100% (Abschreibung, Wartung)
Je nach Kostenmix reden wir hier von Betriebs-Kostenteigerungen* von vielleicht 30-50%. Dem gegenüber entstehen Mehreinnahmen von ca. 300% ! Und dieses Geld fließt nun zum allergrößten Teil in die Taschen derer, die praktisch nichts zum Erfolg auf der Schönbuchbahn beigetragen haben - DB AG (DB Regio und RBS Bus), SSB und einige private Busunternehmer.
Ich glaube sogar, dass diese Bahnstrecke - isoliert betrachtet - privatwirtschaftlich ohne Zuschüsse betrieben werden könnte, wenn die Einnahmen auch dort verbleiben.

Ich weiß nicht ob es rechtlich möglich ist - politisch durchsetzbar ist es auf keinen Fall - aber vielleicht sollte man seitens des Zweckverbandes einmal aus dem VVS austreten. Selbst wenn dann durch das Tarifchaos - der Fahrgast braucht mehrere Fahrscheine und hat keinen preislichen Umsteigebonus - um vielleicht 20% zurückgehen, wäre es bei diesen Größenordnungen wahrscheinlich sogar wirtschaftlicher, nur noch einen Haustarif anzubieten. Klar kann das keine ernsthafte Lösung sein, es soll einfach mal die Folgen dieser hirnrissigen Verkehrsverbund-"Pfründe"-Politik aufzeigen. Da das Geld vom Land kommt (Verbundförderung und Bestellerentgelte SPNV), könnte hier deutlich mehr Druck aufgebaut werden.

Das selbe gilt für aus Fahrgastsicht unverständliche Tarifkooperationen ("RTK") oder nur schwach integrierte "Feigenblatt-Verbünde" (OstalbMobil). Hier sollte die neue Landesregierung deutlich aktiver werden.


*Zugegeben ohne die Infrastrukturkosten durch Bahnsteigausbau, LST-Verbesserungen
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Re: VAG zieht sich vermutlich aus der Breisgau-S-Bahn zurück

Beitrag von Vielfahrer »

Goldberger hat geschrieben:
Das selbe gilt für aus Fahrgastsicht unverständliche Tarifkooperationen ("RTK") oder nur schwach integrierte "Feigenblatt-Verbünde" (OstalbMobil). Hier sollte die neue Landesregierung deutlich aktiver werden.
Hallo Goldberger,
so ganz verstehe ich nicht, was an der RTK nicht verständlich ist. Der vom Kunden verlangte Preis ist offenbar mehr als in Ordnung, denn sonst wäre das Mengenwachstum nicht so ausgeprägt. Wie der Tarif zustande kommt, bei dem im Übrigen gerade die Fehler, die bei der Breisgau-S-Bahn oder bei der Schönbuchbahn gemacht werden, vermieden wurden, interessiert doch den Kunden nicht. Wer zählt schon zuhause auf dem Papier irgendwelche Zonen zusammen und ermittelt in einer Matrix den entsprechenden Tarif, wenn er am Automaten problemlos sein Ziel eingibt (oder im Internet) und dann die entsprechende Tarifübersicht geliefert bekommt. Der Hintergrund, nämlich die Zonenzahlen, die Sockelbeträge, die Glättung zu 8 Preisstufen usw. ist erforderlich, damit eben nutzungsgerecht zugeschieden wird und genau das nicht passiert, was zurecht bei der Breisgau-S-Bahn kritisiert wird. Wenn die Landesregierung hier tätig wird, dann wird sie erkennen, dass das Modell funktioniert. Von jeder Bushaltestelle im gesamten Tarifgebiet des RTK (= Regionale Tarifkkoperation der Verbünde VSB, VVR und TUTicket) zu jeder anderen Bushaltestelle ist es möglich, einen preisgünstigen Fahrschein zu lösen. Dahinter steht ein aufwändiges Zahlenwerk mit strukturierten Haltestellennummern, die z.B. unterschieden sind nach Haltestellen auf Zonengrenzen usw., um die erlösten Tarifeinnahmen exakt zuscheiden zu können.

Ein anderes Beispiel, das wie die Schönbuchbahn schlechte Ergebnisse liefert, ist die Ammertalbahn. Auch hier haben massive Fahrgastzuwächse nicht zu einem Abbau des Defizits geführt. Die Züge sind in der Verkehrsspitze brechend voll und das ganze Angebot kann nur durch den Kunstgriff am Leben gehalten werden, dass der vierteilige HzL-Zug am Morgen geschickt eingebunden wird. So stehen in der Verkehrsspitze 10 Shuttle zur Verfügung, wobei eigentlich nur 6 kalkuliert waren.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Benutzer 14 gelöscht

Re: VAG zieht sich vermutlich aus der Breisgau-S-Bahn zurück

Beitrag von Benutzer 14 gelöscht »

Hallo,

ich weiss nicht, wieso in dieser Sache alle Diskussionen (auch bei DSO oder der ICE-Fanpage) sich so auf die angeblichen Mehrkosten fixieren. Ich sehe den Hauptgrund vielmehr in der gewünschten Direktvergabe der Stadtverkehrsleistungen an die VAG. Diese kann bekanntlich nach EU-Verordnung 1370 als kommunales Unternehmen die Nahverkehrsleistungen auf ihrem eigenen Gebiet direkt d.h. ohne Ausschreibung vergeben bekommen, vorausgesetzt sie ist nicht außerhalb ihres eigenen Gebietes unterwegs.
Die letzte Bedingung wäre derzeit noch durch das Engagement bei der BSB verletzt, also steigt man dort jetzt aus.
Das ist nichts Ungewöhnliches und zahlreiche andere Unternehmen haben in den letzten 2-3 Jahren Ähnliches gemacht, bspw. die Üstra in Hannover.

Dass das 1998er Konzept der BSB für die aktuellen Fahrgastzahlen nicht mehr passt, ist ja nichts Neues und ein weiterer Ausbau mit Elektrifizierung und neuen Fahrzeugen ist ja bereits fest geplant. Hier im Übrigen noch ein Link zu einer recht informativen Broschüre des ZRF über die geplanten Maßnahmen.

Gruß
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