Seite 2 von 2

Re: Busverkehr Aichtal-Filderstadt wird geändert...

Verfasst: Fr 19. Nov 2021, 21:41
von Kilian
Hallo,

wobei gerechterweise gesagt werden muss, dass Fa. Lerch aus einem Bus samt dessen Fahrer bestand - der vor kurzem in Rente gegangen und seinen Bus an Fichter St.Georgen verkauft hat - und die Fa. Heim zuletzt letztlich ebenfalls aus Altersgründen nicht mehr in der Lage war, die eigene Linie 39 zu betreiben - da fuhren in den letzten Monaten mehr Petrolli als Heim-Busse, und der verbliebene Bus ist vom Zustand her ein echt abschreckendes Beispiel *8-O* *:-(* Bei Adam (das ist schon länger her) war das ja letztlich auch so, dass es sich um ein ziemlich kleines Familienunternehmen handelte (ich erinnere mich an 3 Busse, kann aber falsch liegen), dass schlichtweg mangels Nachfolger und aus Altersgründen den Betrieb eingestellt hat...

viele Grüße

Kilian

Re: Busverkehr Aichtal-Filderstadt wird geändert...

Verfasst: Sa 20. Nov 2021, 00:16
von Vielfahrer
Hallo,

bei der Fa. Adam aus Königsfeld waren es auch nach meiner Erinnerung etwa 3 Busse. Adam war bei der Zinzendorfschule in Königsfeld ganz gut im Geschäft und ist wohl auch für die SBG im Raum Schramberg - Königsfeld - Villingen unterwegs gewesen. Für die Zinzendorfschule hat er früher wöchentliche Fahrten Königsfeld - Tübingen gefahren, soweit ich weiß ins Uhland-Gymnasium an Nachmittagen zum Griechisch- oder Hebräisch-Unterricht oder so ähnlich. Nachdem dann irgendwann die Verbindungen ab Villingen über Rottweil - Horb nach Tübingen stündlich auf der Schiene geklappt haben (und damals recht zuverlässig waren), wurde diese Linie aufgegeben, weil sie vermutlich im sog. "inneren Schulbetrieb" nicht bezuschusst wurde und die Fahrkarten für die Schüler im ÖV deutlich günstiger waren.

Auch die Firma Frey war mehr oder weniger ein Busunternehmen, das schwerpunktmäßig im Umfeld der Waldorfschule tätig war. Erst mit der teilweisen Integration dieser Schülerverkehr in die Linienverkehre der SBG (z.B. auf der Strecke Tuttlingen - Schwenningen) wurde Frey Auftragnehmer der SBG und kam am Wochenende sogar bis Elzach über Villingen - Triberg - Schonach. Wirtschaftlich war das alles aber nicht und nach dem Fall der Mauer 1989 wurde er im Osten irgendwie über den Tisch gezogen und war fortwährend in seiner Existenz bedroht gewesen. Die Probleme waren so groß, dass deswegen einmal nachts um 3 Uhr bei mir das Telefon geläutet hat.

Einige der inzwischen verschwundenen Busunternehmen waren bei den Kunden sehr beliebt, allen voran die Fa. Lerch aus Peterzell. Da hat es immer gepasst, freundlich, pünktlich, zuverlässig. Und von Emil Petrolli weiß ich noch, dass er die Geburtstage seiner beförderten Schulkinder im Kopf hatte und an den Geburtstagen dann immer Bonbons verschenkt hat. Drängelei am Bus gab es bei ihm nicht. In Burgberg sind die Kinder nach der Schule in Reih und Glied gestanden und dann eingestiegen und auf der Fahrt nach Weiler oder Erdmannsweiler wurde noch ein Lied gesungen. Emil Petrollis wichtigste Fahrt führte jahrzehntelang von Burgberg nach Villingen auf Ankunft 8:25 Uhr. Ich fragte ihn mal, wer da mitfährt und er meinte, dass kaum jemand im Bus wäre, er aber in Villingen seinen Kaffee trinken wolle, weshalb er auf alle Fälle diese Fahrt anbieten würde. Und wenn einer seiner Busse mal ein gewisses Alter erreicht hatte, verschenkte er ihn in ein afrikanisches Land, wo er vermutlich heute noch seine Dienste tut.

Die Struktur der Verkehrsunternehmen damals war einfach komplett anders als heute. Vorabbekanntmachungen, Ausschreibungen, Genehmigungswettbewerb usw. waren damals noch keine Themen, wohl aber die Schulreform, die zu immer neuen Verkehren führte. Da gab es dann schon Konkurrenzverhältnisse. Es ist unheimlich spannend zu lesen, wie diese abgelaufen sind. Wo eine Einigung nicht möglich war oder nicht zustande kam, boten am 1. Schultag eben zwei Busunternehmen ihre Leistung an. Nach Berichten eines Gemeindeschreibers fuhr der eine Bus mit Tannenzweigen geschmückt vor und einem Transparent " Kinder aus ... fahren mit dem Busunternehmer aus ..." , während der andere Busunternehmer mit neuen Fahrzeugen für den Einstieg bei ihm geworben hatte. Die spannende Frage war dann, bei welchem Unternehmen die Kinder eingestiegen sind.

Überhaupt, sehr viele Vorgänge wurden damals in Akten festgehalten, die ich mal im Zusammenhang mit einem ganz anderen Fall im Archiv des damals in Bonn ansässigen Bundesverkehrsministeriums nachlesen konnte. Wir hatten über den Bundestagsabgeortneten der Region Zugang zum Archiv des Verkehrsministeriums erwirkt. Dort war man der Auffassung, dass in irgendwelchen Schränken das vorhanden sein müsste, was wir suchten und wir hatten einen Tag Zeit, das zu suchen. Binnen einer knappen Stunde waren wir aber fündig geworden und hätten nach Hause fahren können. Die Lektüre des Archivs war jedoch so interessant, dass wir den ganzen Tag ausschöpften, um die Akten zu studieren. Entsinnen kann ich mich noch an einen Fall, wo sich Fahrgäste einer Ausflugsfahrt beim Verkehrsministerium über ein Unternehmen aus einem Nachbarkreis beschwert hatten. Sie hatten in den 60er-Jahren eine Ausflugsfahrt zum "Singenden Wirt nach Riedböhringen" durchgeführt, aber bei der Rückfahrt war der Fahrer nicht da. Nach einigem Suchen fand man ihn offenbar sturzbetrunken im Straßengraben Richtung Fürstenberg ...

Viele Grüße vom Vielfahrer

Re: Busverkehr Aichtal-Filderstadt wird geändert...

Verfasst: Sa 20. Nov 2021, 11:44
von Benutzer 786 gelöscht
@ Vielfahrer
Überragende Geschichten, vielen Dank für die Ausführungen *:-)*
Genau passend zum Wochenende *daumenhoch*

Re: Busverkehr Aichtal-Filderstadt wird geändert...

Verfasst: So 21. Nov 2021, 11:41
von Vielfahrer
Hallo,

schön, dass die Geschichtchen aus dem realen ÖPNV auf Interesse stoßen. Ich könnte noch tagelang weitere Begebenheiten niederschreiben, müsste jedoch höllisch darauf aufpassen, dass keine Rückschlüsse auf bestimmte Unternehmen oder noch lebende Personen möglich sind. Andererseits ist aber die Welt nicht stehen geblieben, weshalb es doch sehr viel mehr Sinn macht, sich mit der Zukunft zu beschäftigen und nicht den alten Zeiten nachzutrauern.

Eine Ausnahme stellen aber die Reaktivierungsprojekte dar. Ich habe da das Glück, im Auftrag von Aufgabenträgern oder Kommunen an mehreren dieser Projekte mein Ohr nah an den Entwicklungen haben zu können oder werde auf anderen Wegen davon in Kenntnis gesetzt. Darunter sind mehrere Projekte im Regierungsbezirk Südbaden, aber auch in Südwürttemberg-Hohenzollern, auch solche, die im Ergebnis der Landesstudie zu Reaktivierungsstrecken bislang als aussichtslos beurteilt wurden. Bis zum Jahresende in sechs Wochen dürfte sich da schon noch was tun. Im Frühjahr beispielsweise berichtete Regio-TVetwa über die abgebaute Bahnlinie von Isny nach Leutkirch. Nunmehr befasst sich der Gemeinderat der Stadt Isny mittels einer Sondersitzung noch in diesem Monat mit dem Ziel, beim Land fristgerecht eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Schienenstrecke Isny - Leutkirch zu stellen. Näheres dazu in wenigen Tagen. Auch zur abgebauten Strecke Schiltach - Schramberg ist in der Neuen Rottweiler Zeitung ab und an was zu lesen. Und auch bei der Schwäbischen Alb Bahn (SAB) zwischen Gammertingen, Kleinengstingen, Münsingen und Schelklingen gibt es entsprechende Initiativen, den Bahngleisen durch Investitionen einen angemessenen Nutzen in Form kürzerer Fahrzeiten und damit steigender Nachfrage zu ermöglichen. Die Initiative des baden-württembergischen Verkehrsministers, stillgelegte Strecken dann zu reaktivieren, wenn sie auf ausreichendes Potential stoßen, ist also bei vielen Kommunen auf großes Interesse gestoßen.

Viele Grüße vom Vielfahrer