IHK-Veranstaltung zum Thema Umschlagbahnhof Trossingen

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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IHK-Veranstaltung zum Thema Umschlagbahnhof Trossingen

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

am Dienstag dieser Woche war bei der Industrie- und Handelskammer in Villingen ein interessanter Termin zum Güterverkehr in der Region. IHK und Regionalverband haben gemeinsam das auf Logistik im Schienengüterverkehr (SGV) und Kombinierten Ladungsverkehr (KLV) spezialisierte Fraunhofer-Institut aus Berlin mit einer Potentialstudie zum Güterverkehrsaufkommen in der Region und zu möglichen Schlüssen hinsichtlich eines Umschlagbahnhofs in Trossingen DB-Bahnhof beauftragt. Diese Studie wurde vorgestellt. Das Publikum bestand größtenteils aus Mitgliedern der IHK, also der verladenden Wirtschaft, Spediteuren und auch Mitarbeitern von anderen Umschlagterminals (Konkurrenz?), was zu einer ausgesprochen interessanten Diskussion führte.

Festgestellt wurde bei der Potentialstudie zunächst, dass es im 50 km Umkreis um Trossingen ein hohes Güterverkehrsaufkommen gibt, welches durchaus für einen Umschlagbahnhof relevant wäre. Derzeit müssen Spediteure ja bis Kornwestheim, Singen, Ulm-Dornstadt oder Offenburg fahren, um auf die Schiene zu gelangen. Ein Sonderfall ist noch die Verlademöglichkeit von Börsig in Fridingen. Aber auch in Horb-Heiligenfeld sowie in Reutlingen bemüht man sich um einen Umschlagbahnhof. Das Terminal-Einzugsgebiet ist in der Regel so, dass 83% im Umkreis von 10 km liegen, also recht kurze LKW-Vorläufe erforderlich sind.

Zunächst erläuterten die beiden Vertreter des Fraunhofer-Instituts nochmals, was man unter kombiniertem Verkehr versteht, also der Verkehr, bei dem Güter vom Straßenverkehr auf den Schienenverkehr umgeschlagen werden, sei es mit herkömmlichen Containern, Spezialcontainern, Wechselbrücken, Sattelanhängern oder sogar mit kompletten LKW auf der Schiene (RoLa).

Unterscheiden müssen man, ob es sich um Seehafen-Hinterlandverkehre handelt oder um Kontinentaltransporte. Seehafen-Hinterlandverkehre wären automatisch Containerverkehre, während Landtransporte vielfach anders durchgeführt würden. Bei Seehafen-Hinterlandverkehren würde ab Entfernungen von ca. 200 Kilometern die Bahn gut im Rennen liegen, allerdings sei das abhängig von den zu befördernden Produkten, den Standorten und auch den Playern.
In der Region herrschen die Landverkehre vor, also nicht unbedingt die für den kombinierten Verkehr idealen Verkehrsarten. Hier wären Sattelanhänger vorherrschend, weil sie u.a. eine größtmögliche Volumenkapazität bieten würden.

Für den Umschlag gäbe es Portalkräne, Reachstacker, Rollende Landstraßen, aber auch innovative Umschlagsysteme wie etwa den Cargobeamer. Für einen Umschlagbahnhof sei wichtig, dass sich das Umschlaggerät auch lohnt, d.h. es sollten auf alle Fälle mehrere Züge pro Tag abgefertigt werden, ca. 6 – 8 Züge pro Tag wären viel besser als nur 1 Zug wöchentlich.

Der kombinierte Verkehr sei aus politischer Sicht gewollt, um die Straßen zu entlasten. Er würde deswegen finanziell unterstützt, da volkswirtschaftlich sinnvoll. Für die verladende Wirtschaft sei die hohe Transportsicherheit der Schiene (im Vergleich zur Straße) auch ein nicht zu vernachlässigender Faktor, daneben die Umweltfreundlichkeit, insbesondere die viel bessere CO2-Bilanz der Schiene. Betriebswirtschaftlich betrachtet wäre positiv, dass auf der Schiene eine größere Tonnage befördert werden könne, dass die im kombinierten Verkehr für den Vor- und Nachlauf eingesetzten Fahrzeuge von der KFZ-Steuer befreit wären, sie geringere Mautkosten bezahlen müssten und auch an Sonn- und Feiertagen fahren dürften. Daneben müsse man sehen, dass der kombinierte Verkehr sozialverträglicher sei, weil die Fahrer in der Regel nur im 50 km-Umkreis unterwegs wären, also am Abend in der Regel bei ihren Familien zuhausen wären, ganz im Gegensatz zu den LKW-Fernfahrern.
Nachteilig bei KLV wäre die notwendige Mindestdistanz der Transporte, um wirtschaftlich zu sein. Ferner müsse ein Gegenverkehr vorhanden sein, um nicht mit Leercontainern die Züge zu füllen. Mindestens sollten 80 Container oder 3 Züge pro Woche gefüllt werden, um zu sinnvollen Umlaufzeiten zu kommen. Negativ sei auch die Fahrplan-Abhängigkeit von DB-Netz sowie die extrem schlechte Pünktlichkeit des Güterverkehrs. Das würde sich laut DB-Netz perspektivisch erst um das Jahr 2040 herum verbessern, wenn ein optimales Netz in Betrieb sei.

Wichtigste Grundlage für die Gutachter war der Bundesverkehrswegeplan. Er stellt aus ihrer Sicht die beste Grundlage für die Ermittlung von Güterströmen dar. In der Region gibt es keine Firmen mit chem. Erzeugnissen, die z.B. in Tankcontainern zu befördern wären. Die sehr hohe Sicherheit der Schiene bei solchen Transporten greift in unserer Region also nicht. Es sei auch sonst bei weitem nicht alles verlagerbar, was man so auf der A 81 sehen würde. Wenn dort 1.000 Lkw verkehren, so sei das kein Potential. Wichtig wäre, dass die zurückzulegenden Strecken keine Kurzstrecken von z.B. weniger als 300 km wären, dass die KV-affin wären und von dem was dann übrig bleibt, könne man realistisch 30% erreichen. Insofern müsse man die Erwartungshaltung stark dämpfen. Im Durchschnitt käme eine Transporteinheit auf 16 Tonnen. 96 Transporteinheiten passen auf einen Zug.

Gemäß dem Bundesverkehrswegeplan, der in Städte und Landkreise als Verkehrszellen untergliedert ist, gäbe es im 50 km-Umkreis um Trossingen ein beachtliches Potential. Alleine nach Bad Hersfeld würden 6.285 LKW-Fahrten im Jahr durchgeführt. Der Versandhandel hätte dort seine Zentrallager. Stark sei auch der Bereich Automotive mit Ziel Nürnberg, Mailand als Logistiker für Italien, dann Spaniern, Aschaffenburg und auch Frankreich. Seehafen-Transporte würden aus der Region weniger als 10% ausmachen.

Die Prognose des Bundesverkehrswegeplans zeigt, dass bis zum Prognosehorizont 2030 deutliche Mengen vorhanden sind. Aktuell würde das Sammelgut von Logistikern den Löwenanteil ausmachen, im Jahr 2030 hingegen wären Marktanteile von Metallen, Halbzeugen stärker vertreten und das Sammelgut nur noch auf dem 2. Rang. In der Diskussion wurde dies stark bezweifelt, weil sich die Anzeichen deutlich mehren würden, dass Metalle und Halbzeuge infolge des Strukturwandels in der Automobilindustrie deutlich rückläufig sein dürften. Bei den Sammelverkehren, also Gütern, die auf Paletten geladen sind und beim Spediteur gesammelt und teils im Nachtsprung in die großen Verteilerzentren gefahren werden, geht es vielfach um die Zeit. Waren, die beim Spediteur bis 20 Uhr verladen würden, wären am nächsten Morgen am Bestimmungsort. Die Schiene würde beim kombinierten Verkehr hier wesentlich mehr Zeit benötigen, da Vorlauf, Umschlag, Bahntrasse, Umschlag und Nachlauf doch erheblich zeitintensiver wären.

Sammelgüter eignen sich aus Sicht der Spediteure für den Kombinierten Verkehr leider nicht. Sie würden dem Motto „Spät rein – früh raus“ nicht folgen können. Der LKW würde zwischen 18 und 20 Uhr Verladeschluss haben und zwischen 3:30 und 5:30 Uhr im Nachtsprung zustellen. Es sei einfach unmöglich, das auf der Schiene abzubilden.

In der Region sei aber der Abfall ein wichtiges Thema. Dies sehe man am Beispiel der Fa. Schuler aus Deisslingen. Vorteil seien die großen Mengen und die zeitunkritische Struktur.

Der Spediteur Markus Neininger (früher Spedition Bächle, jetzt übernommen von der Schweizer Post) sah in der Region viele verlagerungsfähige Güter, auch in die Räume Kassel, Bad Hersfeld oder Fulda. Man müsse das geschickt planen. 1 nächtlicher Zug dorthin meinte er, sei möglich. Er sei aber auch notwendig, denn das Fahrerpersonal für den LKW würde fehlen. Die Speditionen müssten reagieren. Das sie die Chance für den kombinierten Verkehr. Politisches Ziel sei es, 25% der Güter im kombinierten Verkehr zu befördern. Um dies zu erreichen, müsse man es jetzt anstoßen, damit wir in 20 Jahren das so haben, auch wenn klar sei, dass der Kombinierte Verkehr den Verkehr verlangsame und höhere Lagerhaltungskosten und höhere Zinsen mit sich brächte. Die CO2-Bepreisung sah er als nicht wirksam an. Die Mehrkosten der Kapitalbindung und der teuren Lagerkosten würden dadurch nicht wettgemacht.

Beim Terminal in Horb steht wohl der Seehafen-Verkehr an erster Stelle. Aber auch das seien zeitkritische Konzepte und man müsse über sehr gute Kontakte zu den Reedern verfügen, die ihre eigne Politik betreiben würden.

Eutingen sei eigentlich gesetzt gewesen und wäre ideal gewesen, aber durch politische Winkelzüge von Gemeinderäten wäre es zu einem Bürgervotum gekommen, bei welchem sich Mehrheiten gegen einen Umschlagbahnhof in Eutingen ergeben hätten.

Für einen kleineren Umschlagbahnhof wird man nicht mit einem (teuren) Portalkran beginnen. Zweckmäßig wären hier Reachstacker mit Greifarmen. Diese könne man für 5.000.- €/Monat mieten. Dabei wären 2 Reachstacker zweckmäßig, um beim Ausfall von einem nicht ohne Umschlagsmöglichkeit dazustehen. Reachstacker würden zu 80% gefördert werden, also die Anschaffung, nicht der Betrieb.

Als Starkapital für Umschlagsmaschinen müsse man schon mit 400.000.- € rechnen, da könne man dann 2 gebrauchte Reachstacker erwerben. Man könne durchaus klein anfangen.

Diskutiert wurde über die Infrastruktur, etwa auch am Beispiel der Transporte der in Villingen ansässigen Fa. Wieland. Deren Stammwerk liegt in Vöhringen an der Iller. Die über die Schiene beförderten Güter würden den Weg von Villingen über Offenburg – Mannheim Rbf nach Ulm – Vöhringen nehmen, was eigentlich absurd sei. Im Donautal gäbe es eine Schiene, aber kein Verkehrsangebot.

Festgestellt wurde, dass es bundesweit keine Planung für Terminal-Netze geben würde. Der Spediteur Neiniger riet dazu, dass sich kleinere Spediteure zusammen schließen und miteinander kooperieren. Vielleicht könnte Schuler dann anstatt 3 Verbindungen pro Woche nach Köln 5 Verbindungen nutzen, was die Sache interessanter machen würde.

Aber auch so Großkunden wie die BASF würden zunehmend Fremdladungen akquirieren, um die Verkehre besser auszulasten. Die Mischung führt zum Erfolg. Nur etwa 40% der Güter in den BASF-Zügen kämen von BASF selbst.

Ein anderer Spediteur beklagte die hohen Transportkosten auf der Schiene. So hätte etwa die HzL für einen Holzzug von Donaueschingen nach Immendingen mit 20 Waggons 4.500.- € berechnet.

Der Logistiker Börsig sprach sich für einen Umschlag in Immendingen aus. Hier müsse man ca. 900.000.- € in die Hand nehmen, 500.000 € für den Platz und 400.000.- € für zwei Reachstacker. Vorteilhaft sei, dass Immendingen wächst und bei Bedarf die DB aus Villingen aushelfen kann.

Dann wurden in der Diskussion von Praktikern Beispielsrechnungen aufgemacht. So kriegt einer der Spediteure den Umschlag zu Kosten von 17,80 € hin. Je 100 € setzt er für Vor- und Nachlauf mit dem LKW an. Also betragen die Kosten ohne die Schiene 250.- €. Es kommt der Gegenlauf hinzu, so dass 500.- € Kosten durchschnittlich da sind. Wenn es der LKW für 700.- € hin und zurück macht, dann bleiben für die Schiene 200.- € pro Container. Da muss ein Zug ganz ordentlich ausgelastet sein, um hier nicht rote Zahlen zu schreiben.

Ein Spediteur sprach davon, dass sich Holztransporte schon über viel kürzere Strecken als 200 km lohnen würden. Nicht umsonst ging ab Immendingen jede Woche ein Holzzug mit ca. 20 Waggons Rundholz weg.

Alles in allem kam der Eindruck auf, als säße eine Allianz der Willingen bei der IHK. Der Standort Trossingen wurde allgemein begrüßt und angesichts seiner zentralen Lage in der Mitte der Region und der sehr guten Straßenanbindung als vorteilhaft erachtet. Als sehr positiv wurde auch die kommunale Unterstützung durch den Deißlinger Bürgermeister gewertet, auf dessen Gemeindegebiet der Umschlagbahnhof zu liegen kommen könnte.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Re: IHK-Veranstaltung zum Thema Umschlagbahnhof Trossingen

Beitrag von KBS720 »

Hallo,
Vielfahrer hat geschrieben: Fr 6. Mär 2020, 23:15In der Region sei aber der Abfall ein wichtiges Thema. Dies sehe man am Beispiel der Fa. Schuler aus Deisslingen. Vorteil seien die großen Mengen und die zeitunkritische Struktur.
Der Schrotti in Schuler macht je nach Preislage als eine ordentliche Tonage je Tag. 10 Wagen kann es in Spitzenzeiten schon geben und dann sind das mal gut 800t~ Ladung (ohne Wageneigengewicht) in einem Zug. Das wären sonst einige Lkwladungen auf der B27 und Umgebung.
Vielfahrer hat geschrieben: Fr 6. Mär 2020, 23:15Diskutiert wurde über die Infrastruktur, etwa auch am Beispiel der Transporte der in Villingen ansässigen Fa. Wieland. Deren Stammwerk liegt in Vöhringen an der Iller. Die über die Schiene beförderten Güter würden den Weg von Villingen über Offenburg – Mannheim Rbf nach Ulm – Vöhringen nehmen, was eigentlich absurd sei. Im Donautal gäbe es eine Schiene, aber kein Verkehrsangebot.
Das liegt aber an DB Cargos Struktur, die Wagen gehen mit der V90 nach Ulm, von dort mit einem Mischer auf Kornwestheim und dort wiederum auf einem anderen Mischer (mittlerweile meine ich wieder direkt gen Offenburg Gbf). Dort wird dann die Villinger Übergabe gebildet welche die Wagen an ihr Ziel bringt. Das Donautal wäre sicher der logischere Weg, aber Cargo fährt dort ja nichts bzw die SWEG im Auftrag ja auch nur bis Fridingen. Jemand privates würde den Zug sicher direkt mit Diesel fahren und wäre schneller. Allerdings scheint es dort auch nicht immer auf Stunden anzukommen. Mir scheint es eher so als wären die Wagen manchmal das rollende Lager.

Vielfahrer hat geschrieben: Fr 6. Mär 2020, 23:15Der Logistiker Börsig sprach sich für einen Umschlag in Immendingen aus. Hier müsse man ca. 900.000.- € in die Hand nehmen, 500.000 € für den Platz und 400.000.- € für zwei Reachstacker. .
Immendingen hätte den Vorteil das wenn die Ortsumfahrung fertig ist, man von dort aus direkt eine Anbindung an die Gütergleise schaffen kann und somit kein LKW Verkehr durch den Ort müsste.

Bleibt abzuwarten wie das weitergeht, aber Hauptsache es geht was.

Grüße Andreas
*schaffner* Das Bahnkutscher Wiki last update Juni 2014
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Stinkt und macht en hufe Krach, 218 des isch halt ä Sach
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