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Frankenbahn - Betreiberwechsel geplatzt:

Verfasst: Mo 11. Mai 2020, 08:45
von Karl Müller
Wie der GEA berichtet:

Stuttgart (dpa/lsw) - Angesichts der Anlaufschwierigkeiten in den Stuttgarter Netzen soll die Zuglinie Stuttgart-Würzburg (Frankenbahn) vorübergehend einen anderen Betreiber bekommen. Das Verkehrsministerium und der Betreiber Go-Ahead verständigten sich nach Informationen des Ministeriums einvernehmlich darauf, für die Linie RE 8 »eine vorübergehende Entlastung durch einen anderen Betreiber zu suchen«. Weiter hieß es am Sonntagabend, dass es Go-Ahead Baden-Württemberg seit der Betriebsaufnahme im Dezember 2019 nicht gelungen sei, einen zuverlässigen Betrieb sicherzustellen.
Im baden-württembergischen Schienennahverkehr kommt es immer wieder zu Zugausfällen, Verspätungen und überfüllten Waggons. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) war deswegen zunehmend in Bedrängnis geraten.

Als Zeitraum für die Interimslösung gab das Ministerium am Sonntag zwei Jahre an. Der Betreiber werde in einem verkürzten Verfahren gesucht. Bereits seit April 2020 würden als Notmaßnahme zwei Zugumläufe des RE 8 ersatzweise von DB Regio erbracht.

»Wir haben seit dem vergangenen Dezember mit dem neuen Verkehrskonzept das Angebot auf der Frankenbahn auf einen Stundentakt verdoppelt, um möglichst viele Fahrgäste zu gewinnen«, sagte Hermann. »Das klappt aber nur, wenn die Zuverlässigkeit stimmt. Deshalb haben wir für einen längeren Übergang eine neue Lösung entwickelt.«

Stefan Krispin, Geschäftsführer von Go-Ahead Deutschland, sagte laut Mitteilung: »Mit der Betriebsaufnahme im Juni und Dezember 2019 übernahmen wir die fünf wohl anspruchsvollsten Regionalbahnstrecken in Baden-Württemberg. Verbunden mit der zeitgleich erfolgten Taktverdichtung ist dies eine Herausforderung, der wir uns stellen. Nicht ohne Grund kündigte das Land im März/April 2020 Planungsaufträge zur Frankenbahn und Filstalbahn an, um die bekannten Schwächen der überlasteten Infrastruktur dieser Strecken zu beheben.« Zeitgleich herrsche ein Personalmangel an Triebfahrzeugführern, so dass der notwendige Bedarf nicht komplett gedeckt werden könne. Berichterstattungen über eine Kündigung der Verkehrsverträge wies Go-Ahead entschieden zurück.


Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was soll man dazu sagen?
Personalmangel - war vorher schon bekannt.
Dazu ein NEUES Netz aufbauen - dafür hat die DB 150 Jahre benötigt.
Mit NEUEN Fahrzeugen (Flirt 3) umgehen, das dazu als Anfänger (fahren und bremsen)
Hätte DB Regio nicht von Anfang an ausgeholfen (Heilbronn hat noch ca 50 P) wäre es vom 1. Tag an in die Hose gegangen.
Tja, das ausgerechnet ein VM der Partei der Grünen den Eisenbahnverkehr dem Wettbewerb aussetzt stimmt mich zutiefst traurig, denn, der Eigentümer der DB- der BUND hat die DB leider nie mit ausreichenden Mitteln versorgt, die Folgen daraus bekommen wir nahezu jeden Tag zu spüren.

Intersant auch der Artikle aus der Heilbronner Stimme dazu:

https://www.stimme.de/heilbronn/nachric ... 97,4350752

und, es gab Tage da fuhr über 5h KEIN Zug zwischen Würzburg und Heilbronn - wégen Personalmangel....unbd das bei einem bestellten Stundentakt!

Gruß Oli

Re: Frankenbahn - Betreiberwechsel geplatzt:

Verfasst: Mo 11. Mai 2020, 09:26
von Villinger
Oli hat geschrieben: Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was soll man dazu sagen?
Personalmangel - war vorher schon bekannt.
Dazu ein NEUES Netz aufbauen - dafür hat die DB 150 Jahre benötigt.
Mit NEUEN Fahrzeugen (Flirt 3) umgehen, das dazu als Anfänger (fahren und bremsen)
Hätte DB Regio nicht von Anfang an ausgeholfen (Heilbronn hat noch ca 50 P) wäre es vom 1. Tag an in die Hose gegangen.
Tja, das ausgerechnet ein VM der Partei der Grünen den Eisenbahnverkehr dem Wettbewerb aussetzt stimmt mich zutiefst traurig, denn, der Eigentümer der DB- der BUND hat die DB leider nie mit ausreichenden Mitteln versorgt, die Folgen daraus bekommen wir nahezu jeden Tag zu spüren.
Die Kleinstaaterei mit Wettbewerbszwang im Nahverkehr sehe ich auch sehr kritisch. Der Kostendruck wird überwiegend auf das Fahrpersonal und grundsätzliche Sozialangebote heruntergebrochen, oftmals muss noch eine Marge einer Mutterfirma eingerechnet werden. Ich kann da gut nachvollziehen, wenn Tf zu Leihfirmen oder zum Güterverkehr wechseln, wo es nicht regelmäßig Anbieterwechsel gibt.
Als ich letzten Juni in einer Sitzung des Verkehrsausschusses im Bundestag war, haben die Grünen ausdrücklich (fast in FDP-Manier) den Wettbewerb auf der Schiene (Nah- und Fernverkehr) forciert - es werde dadurch ja alles besser. Dass das kein objektiver Wettbewerb ist und es auch kein Anbieter besser als das Lastenheft des Bestellers macht, wird dabei gerne unterschlagen. Fast alle Preise in diesem Gewerbe (bis auf die Personalkosten) sind fix, Stellschrauben gibt es eigentlich keine. Und der spätere Gewinner der Ausschreibung fährt nicht unter Wettbewerbsbedingungen, sondern hat mit seinem 10-20 Jahre geltenden Vertrag im Grunde ein Monopol, muss sich also keinem Wettbewerber anpassen.

Der einzig wirklich stattfindende Wettbewerb im Fernverkehr funktioniert momentan auch nicht, denn Flixtrain (und -bus) hat recht schnell den Betrieb komplett eingestellt. Nur die DB hält auf Wunsch der Politik den Betrieb aufrecht. Abgesehen davon, dass dieser Wettbewerb auch nur auf wirklichen Paradestrecken funktioniert und die danebenliegende Wüste nicht bedient wird, weil kaum einer hin will.

Aber wenn ich manche Verkehrspolitiker der Bundesgrünen so anschaue, wird lieber auf die desolate DB eingehauen, Zerschlagung und Wettbewerb gefordert. Dass mitunter der Wettbewerb die Firma so desolat gemacht hat und der niedrige Personalbestand aus dieser Wettbewerberei resultiert, interessiert nicht - das beste Beispiel war der RAB vor dem Fahrplan- und Anbieterwechsel im Dezember 2019.
Was im Busgewerbe noch funktionieren mag dass man sich Busfahrer aus dem Ausland rekrutiert, geht bei dem hohen Sicherheitsstand der Bahn nicht mehr.

Re: Frankenbahn - Betreiberwechsel geplatzt:

Verfasst: Mo 11. Mai 2020, 09:42
von Vielfahrer
Hallo Oli,
Tja, das ausgerechnet ein VM der Partei der Grünen den Eisenbahnverkehr dem Wettbewerb aussetzt stimmt mich zutiefst traurig, denn, der Eigentümer der DB- der BUND hat die DB leider nie mit ausreichenden Mitteln versorgt, die Folgen daraus bekommen wir nahezu jeden Tag zu spüren.
Zum Wettbewerb bei den Regionalverkehrsleistungen auf der Schiene kann man meines Erachtens Deine Position nicht akzeptieren. Es hat nichts mit der Partei der Grünen oder deren Verkehrsminister zu tun. Es ist ganz einfach EU-Recht, das die Aufgabenträger umsetzen müssen. Wo kämen wir denn hin, wenn die Regierungen die Gesetze nicht mehr beachten würden?

Das EU-Recht besagt, dass Dienstleistungen (also beispielsweise das Fahren von Regionalverkehren) dann ausgeschrieben werden müssen, wenn die Verkehre nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können. Dazu zählt ganz sicher der Betrieb von Regionalverkehrslinien. Grund für diese Ausgangslage ist, dass sich jeder Dienstleister innerhalb der EU auf einen Auftrag bewerben können muss, bei dem es um staatliche Subventionen gibt. Das ist beim Busverkehr keinen Deut anders, nur mit der Einschränkung, dass kleinere Aufträge (bis zu 200.000 €) ohne Ausschreibung vergeben werden können. Bei der Schiene mit Losgrößen von weit über 1 Million Zugkilometern und Laufzeiten von bis zu 15 und mehr Jahren sprechen wir da von oftmals Hunderten von Millionen Auftragssummmen, also erheblich mehr als nur über der Bagatellgrenze liegend.

Dass die Ausschreibungen alles andere als spaßig sind, weder für den Ausschreibenden noch für den Bieter, dürfte auf der Hand liegen. Aber das Land (als Aufgabenträger) oder die Landkreise beim Busverkehr müssen sich, ganz gleich welcher Couleur die Minister oder Landräte sind, an die Gesetze halten.

Im Falle der Stuttgarter Netze, wo die DB alle Strecken verloren hat trotz dem günstigsten Angebot, haben ja Gerichte geurteilt, dass die Entscheidung des Verkehrsministeriums, die DB nicht zu berücksichtigen, rechtens war, weil deren Angebot aufgrund von Formfehlern nicht berücksichtigt werden konnte. Der Fehler liegt also nicht beim Ministerium, sondern bei der Bahn. Auch beim Busverkehr gibt es das. Es gibt günstige Angebote, die nicht berücksichtigt werden können, weil zum Beispiel der Bieter nur die Unterschrift vergessen hat oder nicht alle Unterlagen eingereicht hat, die gefordert waren.

Nun hätte allenfalls das Ministerium die eingegangenen Angebote der Drittanbieter ablehnen können, wenn erkennbar gewesen wäre, dass sie nicht funktionieren. Da aber alle Anbieter einschließlich der DB sie akzeptiert haben und mutmaßlich nur Fahrpläne angefragt wurden, die von DB-Netz als fahrbar testiert wurden, sehe ich auch hier keine Versäumnisse beim Land und schon gar nicht beim aus meiner Sicht dem öffentlichen Verkehr sehr zugeneigten Verkehrsminister.

Dass der Bund als Eigentümer der DB erst seit jüngstem in deutlich erhöhtem Maß Haushaltsmittel (GVFG-Aufstockung) für bessere Infrastrukturen bereit stellt, kann auch dem Stuttgarter Ministerium nicht angelastet werden. Im Gegenteil, es wird alles getan, um die zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel auch abzurufen (z.B. Elektrifzierungen bei der Südbahn, Hochrhein, Bodenseegürtelbahn, Allgäubahn und wohl auch beim Ringzug) und weiterer Ausbau von Doppelspuren, neue Kreuzungsbahnhöfe usw.

Schlimmer ist, dass die Parteien, die ehedem in der Regierungsverantwortung beim Bund waren oder sind, mit ihren "Autokanzlern", wie Gerhard Schröder beispielsweise einer war, die Rahmenbedingungen so gesetzt haben, dass die Zeichen auf Abbau von Infrastrukturen gestellt waren. Und die Leute, die das umgesetzt haben, sind heute immer noch an der Arbeit. Einer von ihnen sagte mir mal, dass er mit viel Erfolg alles nicht Benötigte wegrationalisiert hätte und dass man doch jetzt nicht von ihm verlange könnte, das Gegenteil wieder mit Erfolg zu tun. Irgendeiner hätte da nicht recht.

Viele Grüße vom Vielfahrer

Re: Frankenbahn - Betreiberwechsel geplatzt:

Verfasst: Mo 11. Mai 2020, 10:11
von Karl Müller
Hallo Vielfahrer,

ja, aktzeptiert. Das die DB die Stuttgarter Netze - bis auf das Gäu-Murrnetz - alle verlor muß man Ihren leicht senilen Beratern anlasten, finde ich.
Aber, warum schreiben Österreich und Frankreich Ihre Regionalverkehrsleistungen im Schienenverkehr nicht aus? Warum darf bei uns in Deutschland Hinz und Kunz fahren, aber nicht in Frankreich oder Österreich?
MFG oli

Re: Frankenbahn - Betreiberwechsel geplatzt:

Verfasst: Mo 11. Mai 2020, 10:43
von buckdanny
ich vermute mal die Ausschreibungspflicht kam dadurch das die Bundesländer den Betrieb des Nahverkehr übertragen bekamen. In Österreich/Frankreich wird wohl der komplette Betrieb noch durch den Staatsbetrieb(ÖBB, SNCF) betrieben.

Re: Frankenbahn - Betreiberwechsel geplatzt:

Verfasst: Mo 11. Mai 2020, 14:27
von Villinger
Vielfahrer hat geschrieben: Nun hätte allenfalls das Ministerium die eingegangenen Angebote der Drittanbieter ablehnen können, wenn erkennbar gewesen wäre, dass sie nicht funktionieren. Da aber alle Anbieter einschließlich der DB sie akzeptiert haben und mutmaßlich nur Fahrpläne angefragt wurden, die von DB-Netz als fahrbar testiert wurden, sehe ich auch hier keine Versäumnisse beim Land und schon gar nicht beim aus meiner Sicht dem öffentlichen Verkehr sehr zugeneigten Verkehrsminister.
buckdanny hat geschrieben: ich vermute mal die Ausschreibungspflicht kam dadurch das die Bundesländer den Betrieb des Nahverkehr übertragen bekamen. In Österreich/Frankreich wird wohl der komplette Betrieb noch durch den Staatsbetrieb(ÖBB, SNCF) betrieben.
Das Problem liegt hier glaube ich darin, dass nach den Deutschen Gesetzen (erwachsen aus der EU-Richtlinie 1370/2007) zwingend das für den Staat wirtschaftlichste Angebot genommen werden muss, was natürlich den Bieter in die Lage versetzt, möglichst günstig zu rechnen. Da spielt nicht hinein, dass man für eine eventuelle Ausbildung noch Geld vorhalten muss weil das bisher fahrende Personal nicht wechseln will. Im Fall von Agilis in Regensburg war es anscheinend so, dass durch verschiedene Sondereffekte die Verkehrsgesellschaft vom Aufgabenträger massiv mehr Geld forderte und anscheinend bei der bereits erschienenen Vorinformation für die Neuausschreibung ohne Chance bleiben wird.
Es gibt eine Menge an Stellschrauben der jeweiligen Länder, die entsprechende EU-Richtlinie in Gesetze zu gießen und entsprechend anzupassen. Das sollte in Deutschland dringend erfolgen, denn die entzogenen Aufträge an EVU nach Übernahme häufen sich in letzter Zeit. In NRW gab es letztes Jahr noch vor Übernahme eine Kündigung des Verkehrsvertrages wegen massiven Personalnöten bei Abellio, und die Keolis Eurobahn läuft auch massiv problematisch.

In Frankreich wird die SNCF ja gerade nach Deutschem Vorbild umgebaut, da man mit Schulden kämpft und parallel die Rente reformiert - auf die Auswirkungen mit einem neuen Staatskonzern anstatt der alten Staatsbahn bin ich gespannt, wie es sich entwickelt.