Seite 1 von 1

Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 08:18
von Vielfahrer
Gestern war ich in insgesamt 12 verschiedenen Zügen fast 900 Kilometer unterwegs. Unter den ersten 10 Zügen war keiner, der mehr als zwei Minuten Verspätung hatte. Der 11.Zug, den ich genutzt habe, war der IC 182 von Zürich HB (18:37 Uhr) nach Horb. Der Zug wurde pünktlich um 18:23 Uhr auf dem Gleis 12 bereit gestellt (als IC 489 von Singen kommend) und fuhr mit 1 Minute Verspätung um 18:38 Uhr in Zürich HB ab. Erstaunlicherweise trafen wir aber in Schaffhausen schon um 19:12 Uhr (statt 19:13 Uhr) ein. Wie immer steigen dort sehr viele Fahrgäste aus (gefühlt mindestens 2/3), weshalb die Abfahrtszeit planmäßig auch erst nach 3 Minuten erfolgt. Da wir bis 19:16 Uhr 4 Minuten Zeit hatten, war das gar kein Problem. Absolut pünktlich setzte sich der IC 182 nach Singen in Bewegung, Ankunft in Singen auch pünktlich um 19:30 Uhr. Abfahrt um 19:38 Uhr, also mit 1 Minute Verspätung. In Tuttlingen waren wir wieder pünktlich und sind, da der Gegenzug aus Stuttgart nicht da war, auch pünktlich abgefahren. Ich habe nicht genau darauf geachtet, aber diesen IC 283 haben wir dann unterwegs in Rietheim oder Spaichingen gekreuzt, was uns dann 7 Minuten Verspätung eingebracht hat. Ankunft in Horb war dann anstatt um 20:44 Uhr um 20:51 Uhr. Natürlich habe ich das Zugpersonal gebeten, dass der Anschluss in Horb nach Tübingen vorgemeldet wird. Das hatten die aber schon getan, weil eine ganze Reihe von Fahrgästen diesen Wunsch hatte. Nachdem die letzte Kreuzung mit dem ebenfalls verspäteten IC 2289 in Oberndorf geschafft war, hat sich das Zugpersonal über den Lautsprecher gemeldet und mitgeteilt, dass die Betriebsleitung in Karlsruhe es leider abgelehnt hätte, den um 20:49 Uhr nach Tübingen fahrenden Zug warten zu lassen. Der nächste "Anschluss" sei die Regionalbahn um 22:03 Uhr ab Horb.

Ich hatte mich gedanklich schon damit befasst, dass ich nun via Böblingen oder Stuttgart die Reise um 1 Stunde verlängern müsste, als der Zugchef, der am Fenster auf der rechten Seite bei der Einfahrt nach Horb klebte, sagte, da stehen noch 2 Züge auf Gleis 6. Für eine Durchsage reichte es dann nicht mehr, weil er sich nicht sicher war, ob das abgestellte Züge wären oder der 20:49-Uhr-Zug nach Tübingen. Es war dann in der Tat der 20:49-Uhr-Zug. Damit ich gleich aus dem IC kam, hat er, was normalerweise der Lokführer macht, die Tür neben mir freigegeben und so konnte ich keine 30 Sekunden später noch in die RB nach Tübingen einsteigen (28 Treppen runter, 28 Treppen rauf). Wie ich im Zug war, standen auf dem Bahnsteig 2 in Horb um die 10 Leute und haben auf den Fahrplan geschaut, mutmaßlich Fahrgäste nach Tübingen, die die unzutreffende Auskunft der Betriebsleitung erhalten hatten, dass der nächste "Anschluss" um 22:03 Uhr sei. Einer ist plötzlich aufmerksam geworden auf den Zug am Gleis 6 und durch die Unterführung gerannt und ich habe an die Tür des Lokführers geklopft, er möge bitte noch etwas warten, was er auch getan hat. Und siehe da, etwa 10 Fahrgäste, die die Betriebszentrale wie fast jeden Tag 74 Minuten in Horb hätte warten lassen, kamen noch nach Tübingen. Allerdings waren einige ziemlich genervt - wie ich zugegebenermaßen auch. In Eyach wurde die Kreuzung gedreht (im Zeitalter der Digitalisierung musste ausnahmsweise der von Tübingen kommende Lokführer per Kette den Bahnsteigzugang sichern) und in Rottenburg, wo wir pünktlich eingetroffen sind, haben wir dann noch auf den verspäteten IRE aus Stuttgart gewartet. Man hätte den Fahrplan wirklich so wie im vergangenen Jahr (Abfahrt in Horb war 20:53 Uhr) belassen können, aber nein, man musste unbedingt bei allen Zügen die Umstiegszeit von 9 auf 5 Minuten reduzieren, was dazu führt, dass - ohne auch nur 1 Minute früher in Tübingen anzukommen - die Reisekette extrem instabil wurde. Ich habe bei dieser Verbindung (IC 182) und der vorherigen (IC 184) in diesem Jahr bei 7 Fahrten 4 mal den Anschluss nicht erreicht und gestern auch nur aufgrund glücklicher Umstände. Nur an einem einzigen Tag lief es so ab, wie im Fahrplan vorgesehen (Ankunft 18:44 in Horb, Weiterfahrt 18:49 Uhr ab Horb).

Natürlich fülle ich inzwischen auch jedesmal ein Fahrgastrechteformular aus, in der Hoffnung, dass die DB die 15.- €, die ich dann jeweils anstandslos überwiesen bekomme, ärgert und wie bei einer Verkehrsunfallhäufigkeitsstatistik Horb als extrem gefährliche Stelle erkannt wird. Und sollte ich die Obergrenze von 120 Erstattungsanträgen im Jahr reißen, so überlege ich mir, dagegen zu klagen. Am Umstiegspunkt in Plochingen vom IRE aus Ulm auf den RE nach Tübingen ist es ja kaum anders. Aber wenn man die Betriebsabwicklung auf der Gäubahn Revue passieren lässt, so bleibt mir nur die Feststellung, dass das ein richtiger Saftladen ist. Das Personal im Zug hat mir da zugestimmt, ist aber selbst davon betroffen, weil sie es nur noch mit (zurecht) unzufriedenen Fahrgästen zu tun hätten.

Viele Grüße vom Vielfahrer

Re: Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 10:25
von Tübinger
Lieber Vielfahrer,

Du hast doch Kontakte zu den ganzen Fahrplanmachern und den Oberen Entscheidungsträgern, hast Du schon mal die Problematik in Horb da angebracht?

Gruß vom Tübinger Tf

Re: Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 10:41
von Benutzer 786 gelöscht
Kommunikation und einheitliche Informationsquellen sind und bleiben das größte Manko der DB.
Darunter leiden Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen.

Eine Lösung dafür scheint bis heute nicht in Sicht....

Re: Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 11:12
von Villinger
Ich hörte bei der Fahrplankonferenz vor Beginn etwas von Seiten des RAB, dass zum Fahrplanwechsel die Durchbindung Nagoldtal/Neckartal in Horb nahezu komplett aufgehoben werden soll, scheinbar weil in Pforzheim sonst nichtsmehr in Sachen Anschlüssen geht. Wäre das nicht die Idee für einen neuen sauberen Stundentakt und vernünftigen Anschlüssen? Ggf. würde sich da eine überschlagende Wende in Horb anbieten, sodass zur vollen Stunde ein Zug von Tübingen ankommt und sofort auf dessen Ankunft ein anderer nach Tübingen fährt, da wäre der Unsicherheitsfaktor mit Kreuzung in Eyach (und vor allem diese Steinzeit-Reisendensicherung) aufgehoben und je nach Gäubahn-IC (langsam oder schnell) genug Zeit zum Umstieg.

Über die Anschlusskommunikation braucht man nichtsmehr sagen, das steht für sich - auch in Rottweil wird öfters der Anschluss nach Villingen pünktlich von der BZ auf die Strecke geschickt, der Fdl wartet dann aber doch noch etwas mit der Signalbedienung und stellt den Anschluss sicher.

Re: Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 11:37
von Tannenrainer
Fridinger hat geschrieben: Do 28. Feb 2019, 11:12 Ich hörte bei der Fahrplankonferenz vor Beginn etwas von Seiten des RAB, dass zum Fahrplanwechsel die Durchbindung Nagoldtal/Neckartal in Horb nahezu komplett aufgehoben werden soll, scheinbar weil in Pforzheim sonst nichtsmehr in Sachen Anschlüssen geht. Wäre das nicht die Idee für einen neuen sauberen Stundentakt und vernünftigen Anschlüssen? Ggf. würde sich da eine überschlagende Wende in Horb anbieten, sodass zur vollen Stunde ein Zug von Tübingen ankommt und sofort auf dessen Ankunft ein anderer nach Tübingen fährt, da wäre der Unsicherheitsfaktor mit Kreuzung in Eyach (und vor allem diese Steinzeit-Reisendensicherung) aufgehoben und je nach Gäubahn-IC (langsam oder schnell) genug Zeit zum Umstieg.

Über die Anschlusskommunikation braucht man nichtsmehr sagen, das steht für sich - auch in Rottweil wird öfters der Anschluss nach Villingen pünktlich von der BZ auf die Strecke geschickt, der Fdl wartet dann aber doch noch etwas mit der Signalbedienung und stellt den Anschluss sicher.

Das mit der überschlagenen Wende hatte ich mir auch schonmal überlegt, allerdings wäre das eine äußerst knappe Sache, vermutlich würde es nur unter Wegfall eines Haltes fahrzeitmäßig passen, hier am ehesten Bad Niedernau, wo der Bahnhof des 500 Einwohner-Ortes erstens sehr Peripher liegt und zweitens den Ortskern gleich zwei Buslinien bedienen...
Zudem erschwerend wäre, daß eine einmal eingeholte Verspätung dominomäßig den ganzen Tag über an die nächsten Züge weitergegeben würde...

Vielmehr wäre es an der Zeit, nachdem auf der Strecke Tübingen-Horb in den letzten 50 Jahren ausser in den Rückbau von Infrastruktur keinerlei Geld mehr investiert wurde, mal ein paar Euro in die Hand zu nehmen, um den einstmals existierenden Kreuzungsbahnhof Mühlen wieder einzurichten... Er wäre fahrplanmäßig exakt an der richtigen Stelle, die Flächen sind alle noch unbebaut vorhanden und man könnte so die Möglichkeit nutzen, einen modernen Bahnhof ohne Absperrketten, welche bisher bei Jreuzungen von den Tf's bedient werden müssen, zu errichten...

Aber die Diskussion reissen nicht ab, die Bahn schafft es tatsächlich zunehmend, sich überflüssig zu machen...

Gruß
Tannenrainer

Re: Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 12:32
von Vielfahrer
Hallo Fridinger,

natürlich habe ich mich erkundigt, warum die Übergangszeit in Horb um 5 Minuten verkürzt wurde. Es konnte mir von der NVBW niemand sagen, warum das veranlasst wurde. Wie du von der Fahrplankonferenz her ja weist, bemühen die sich, die Anschlusszeiten zu vergrößern, siehe Diskussionen um die 2 Minuten in Rottweil. 2 Minuten sind nicht viel bei der unpünktlichen Gäubahn, aber immerhin besser als nichts. Das Grundübel liegt aber in der Unpünktlichkeit des Fernverkehrs und das wiederum an der vernachlässigten Infrastruktur. Ich kann mich noch gut an frühere Zeiten erinnern, als man ab und zu an Weichen Mitarbeiter mit Schmierstoffen usw. gesehen hat. Vielleicht braucht man das heute nicht mehr, aber funktioniert hat es damals jedenfalls besser.

Wie sagte neulich ein Spediteur auf einer Tagung bezüglich der Bahn in Ehingen: Wir nähern uns in Deutschland immer mehr den Zuständen im westafrikanischen Burkina Faso an. Der Rückbau wird als Fortschritt verkauft.

Die Sache mit dem Umbau im Nagoldtal habe ich auch vernommen. Im Zusammenhang mit der MEX-Planung würde nämlich das Nagoldtal (Pforzheim - Nagold) nicht auf den MEX von Nagold in Richtung Stuttgart passen. Dem beachtlichen Gewinn an Fahrgästen stünde ein nicht vernachlässigbarer Verlust durch schlechte Anschlüsse in Nagold entgegen, war bislang eine Erkenntnis. Dadurch würde der Nutzen geschmälert. Es gibt nun sehr zu begrüßende Überlegungen, in Pforzheim auf den 30er-Knoten und nicht mehr auf die Stadtbahn nach Karlsruhe anzuschließen. Allenfalls im untersten Teil des Nagoldtals, ab Unterreichenbach abwärts, sind ggf. Ziele wie Ispringen, Ersingen oder Königsbach usw. von Interesse. Wer ansonsten über Pforzheim hinaus die Strecke nutzt, will in der Regel nach Karlsruhe. Da wäre es besser, in 20 Minuten zum Hbf (mit allen regionalen Anbindungen) als in 45 Minuten umsteigefrei mit der Stadtbahn ab Pforzheim direkt zum Marktplatz zu fahren. Die neue Fahrplanstruktur soll nach meinen Informationen auf den 30er-RE-Knoten Pforzheim ausgerichtet sein, was sich natürlich auch irgendwo im Raum Horb auswirken dürfte. Und die Querachse von Tübingen nach Freudenstadt funktioniert ja über Herrenberg jede Stunde. Da braucht es die verklemmten Fahrpläne zwischen Tübingen und Hochdorf nicht unbedingt.
Wenn die Umsteigezeit vom IC in/aus Richtung Tübingen bei ca. 10 Minuten liegen würde, wäre das zu begrüßen. Noch besser freilich wäre es, wenn die offenbar schön gerechneten Fahrpläne der Gäubahn-IC eine Infrastruktur vorfinden würden, auf denen sie zuverlässig gefahren werden könnten. Dazu würde ich auch die Anschlußstrecken mit entsprechenden Kreuzungsmöglichkeiten, die alle schon mal da waren, zählen. Aber mein Eindruck ist, dass die Thematik Ausbau der Gäubahn allen Beteuerungen zum Trotz von der DB verschleppt wird, weil sie hier definitiv keine Neigetechnik will.

Viele Grüße vom Vielfahrer

Re: Saftladen!

Verfasst: Do 28. Feb 2019, 14:06
von Benutzer 786 gelöscht
Fridinger hat geschrieben: Do 28. Feb 2019, 11:12 Über die Anschlusskommunikation braucht man nichtsmehr sagen, das steht für sich - auch in Rottweil wird öfters der Anschluss nach Villingen pünktlich von der BZ auf die Strecke geschickt, der Fdl wartet dann aber doch noch etwas mit der Signalbedienung und stellt den Anschluss sicher.
Gesegnet seien diese Mitarbeiter, die Mitdenken und im Rahmen des erlaubten kundenorientiert handeln.

Re: Saftladen!

Verfasst: Mo 6. Mai 2019, 15:11
von Benutzer 786 gelöscht
Hallo Vielfahrer,

auch wenn das Ereignis deines Eingangsbericht in diesem Thread bereits einige Zeit zurück liegt, möchte ich dir hiermit die DB-Perspektive auf genau diese Situation aufzeigen:

"Der Zugchef hat den Anschluss rechtzeitig vorgemeldet. Die Leitstelle DB Regio Baden-Württemberg hat dann um 20:28 Uhr (rechtzeitig) entschieden, den Anschlusszug nicht warten zu lassen; das wirkt auf den ersten Blick nicht kundenfreundlich, aber der IC hatte zu diesem Zeitpunkt eine Ankunftsprognose von +7 Minuten. Bei fünf Minuten Übergang wäre die RB also mit Verspätung gefahren, und bei Anschlussentscheidungen zählen Faktoren wie die Pünktlichkeit (die von den Aufgabenträgern stark pönalisiert wird!) und Abwägungen verschiedener Interessen
o Wie ist die verkehrliche Situation am Bahnhof?
o KANN der Abbringer überhaupt warten oder lehnt DB Netz das ab?
o Wie viele Übergangsreisenden gibt es?
o Wie voll ist der Abbringer?
o Welche Reiseketten werden durch eine Verspätung des Abbringers gefährdet? …).
Bei so knappen Übergängen ist das oft eine 50 : 50-Entscheidung.
Dass Sie letztendlich einen „Turnschuhanschluss“ mit 56 Stufen hatten, liegt an einer unvorhergesehenen betrieblichen Verzögerung der Abfahrt der RB und dem Entgegenkommen der Kollegen. Zum Zeitpunkt der Anschlussentscheidung und -info konnte das (durch die Zentralisierung von Entscheidungen, die Reduktion von Personal vor Ort und den Rückzug von DB Netz aus der Anschlusssicherung) aber noch niemand wissen. Aus meiner Sicht war die Information perfekt, nur wurde (bzw. konnte) die Anschlussentscheidung nicht konsequent ausgeführt (werden).

PS: Die „Betriebszentrale“ ist von DB Netz und bei der Anschlussentscheidung i.d.R. nicht beteiligt."

Ich denke, dass es immer hilfreich ist, wenn beide Seiten sich zu einer Sache äußern.

Grüße Chris