FDS : Fahrgastzahlen sinken erneut!

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Karl Müller
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FDS : Fahrgastzahlen sinken erneut!

Beitrag von Karl Müller »

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Rangierer
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Re: FDS : Fahrgastzahlen sinken erneut!

Beitrag von Rangierer »

Hallo Oli,

was will man auch erwarten bei dem Desinteresse, das der LK Freudenstadt im Sachen ÖPNV zeigt? Als die AVG die eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehre auf der Murgtalbahn strich und dem Landkreis anbot, die Finanzierung zu übernehmen (was wo anders ja längst gang und gebe ist) hat man dankend abgelehnt, sich aber kurze Zeit später darüber beklagt, dass Leistungen wegfallen.

Gleiches mit der (inzwischen erfolgten) Vergabe vom Netz 7b. Zahlreiche Schülerverkehre und der halbstündliche Pendel innerhalb Freudenstadts sind außerhalb dem Landesstandard und daher hatte das Land angefragt, ob die Kommunen und der Landkreis Mehrverkehr bestellen wollen. In der gleichen Kreistagssitzung, in der man sich gegen die Mitfinanzierung ausgesprochen hatte, beklagte man sich, dass das Land den Status Quo in Sachen Verkehr im Murgtal nicht aufrecht erhalten will sondern ggf. Züge wegfallen (können).

Dazu gibt es zahlreiche Bus-Paralellverkehre innerhalb des Landkreises zu den Bahnstrecken. Die Busse in den Regionen/Gemeinden wo kein Zug fährt fahren entweder alle paar Stunden mal oder im Hinketakt. Vorausgesetzt der eigene Ort hat überhaupt einen Busanschluss.

Grüße *hallo1*

Tobi
"Man muss die Bahn zu den Menschen bringen und nicht die Menschen zur Bahn!"
Dr.-Ing. E.h. Dieter Ludwig


HIER gibts eine stets aktuell gehaltene Übersicht zu den Fahrzeugen im bwegt Landesdesign
Vielfahrer
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Re: FDS : Fahrgastzahlen sinken erneut!

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,
wenn man den Artikel im Schwarzwälder Boten genau liest, dann steht da, dass 5,71 Mio. Fahrgäste, davon 5,55 Mio an Werktagen, gemäß der VGF-Statistik befördert wurden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren dies real erheblich weniger, weil die Statistiker folgendermaßen rechnen: Eine Schülermonatskarte wird an 26 Schultagen pro Monat genutzt (das stammt noch aus Zeiten, als der Samstag noch ein Schultag war). Außerdem wird in allen Monaten außer dem August eine Schülermonatskarte gekauft. Das wären dann 11 Monate x 26 Tage = 286 Schultage pro Jahr. Tatsächlich sind es aber nur je nach Länge des Schuljahres zwischen 185 und 190 Schultage. Ferner wird bei der Statistik unterstell, dass jeder Schüler pro Tag 2,3 Fahrten unternimmt, also morgens zur Schule und mittags nach Hause und ein bis zweimal auch zum und vom Nachmittagsunterricht pro Woche. So ergeben sich pro Schüler und Schuljahr 658 statistische Fahrten. Wenn man nun unterstellt, dass es nur 185 Schultage sind und die Schüler auch mal ein paar Tage krank sind oder im Schullandheim oder sonst wo, und dass nicht wenige am Morgen mit ihren Eltern, die zur Arbeit mit dem PKW fahren, bis zur Schule mitgenommen werden, oder bei den immer stärker vertretenen Ganztagsschulen über das Mittagessen gar nicht nach Hause fahen, so lässt sich leicht erkennen, dass die 658 statistischen Fahrten nie und nimmer zustande kommen. Vielleicht sind es gerade etwas mehr als die Hälfte.

Wenn man nun davon ausgeht, dass in Verbünden zukünftig bzw. mittelfristig die Einnahmezuscheidung über gezählte und nicht statistisch ermittelte Fahrgastzahlen erfolgt, so steht der VGF dann vor einem erheblichen strukturellen Einbruch, obwohl sich real gar nichts ändern würde. Man darf gespannt sein, wie dies dann erklärt wird. Die Zählung von Fahrgästen wird in Bussen über automatische Fahrgastzählsysteme (AFZS) erfolgen, auf der Schiene ebenso bzw. über die RES-Daten.

Natürlich steht der VGF da nicht alleine so da. Leider machen es eigentlich alle Verbünde bzw. Verkehrsunternehmen so. Die statistische Ermittlung der Fahrgastzahlen im Ausbildungsverkehr war in der Vergangenheit auch hochgradig wichtig für die Einnahmesituation, da die Zuschüsse nach § 45a PBefG u.a. an diese Zahlen gekoppelt waren. Nunmehr sind die Mittel nach § 45a PBefG kommunalisiert worden, werden also vom Land direkt an die Landkreise und nicht mehr an die Verkehrsunternehmen ausbezahlt. Diese verlieren dann erhebliche Zuschüsse, teilweise fast in der Höhe des Preises einer Schülermonatskarte. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb man in der Presse vermehrt von Insolvenzen von Busunternehmen liest. Die Landkreise sind aber verpflichtet, die ihnen vom Land zur Verfügung gestellten Kommunalisierungsmitel in voller Höhe für den öffentlichen Verkehr zu verausgaben. Dabei müssen sie mindestens den Verkehrsunternehmen die Differenz zwischen dem Preis einer Erwachsenenzeitkarte und der ermäßigten Zeitkarte für den Ausbildungsverkehr bezahlen, d.h. für den Busunternehmer bringt der Schüler genauso viel in die Kasse wie ein Erwachsener. Bislang jedoch war der Schüler weit lukrativer.

Die im Artikel beklagten demographisch beklagten Rückgänge im Ausbildungsverkehr, also weniger zu befördernde Schüler, waren mit ein Anlass für das Land, das Finanzierungssystem umzustellen. Wichtig wäre, dass Angebote in Bereichen geschaffen werden, wo vermehrt Kunden außerhalb des Ausbildungsverkehrs angesprochen werden, etwa auch welche aus dem immer größer werdenden Bereich der Seniorinnen und Senioren. Aus umweltpolitischen Gründen hat der Bund ja das Ziel ausgegeben, die Zahl der Kunden im Schienenpersonenfernverkehr verdoppeln zu wollen, auch das Land strebt im Schienenverkehr dieses Ziel an. Wie das gelingen soll, wenn die statistischen Fahrgastzahlen erst mal durch reale Fahrgastzahlen ersetzt werden müssen und dadurch ein struktureller Rückgang zu verkraften sein wird, wird spannend werden. Mit am wichtigsten wird sein, verlässliche Verkehrsangebote zu schaffen, also im ländlichen Raum Stundentakte von 5 - 24 Uhr täglich, denn wenn man nicht sicher ist, ob man z.B. nach 17:50 Uhr an schulfreien Tagen oder auch an Schultagen überhaupt noch irgendwo hinkommt und vor allem auch wieder zurück, dann ist das kaum zu schaffen. Mit dem Zielkonzept 2025 beschreitet das Land in seinem Bereich diesen zukunftsorientierten Weg. Etliche Zuglinien haben auch in der Fläche diesen Standard schon erreicht (z.B. beim Ringzug die Strecke Rottweil - Bräunlingen, die auch am Wochenende bis 24 Uhr betrieben wird). Beim Busverkehr hat der Ausbau mit dem vom Land initiierten Regiobus-System begonnen. Regiobusse verkehren wie Schienenstrecken ebenfalls täglich von früh bis Mitternacht an 365 Tagen im Jahr. Sie sind bewusst nicht auf den Ausbildungsverkehr ausgerichtet, sondern haben die Zielsetzung, für den öffentlichen Verkehr neue Märkte insbesondere im Gelegenheits- und Freizeitverkehr zu erschließen, der mit den größten Anteil des Individualverkehrs ausmacht.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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