"Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
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Vielfahrer
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"Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

das nächste Kapitel steht bei der Ammertalbahn an. Im März kommenden Jahres will der Zweckverband ÖPNV im Ammertal entscheiden, wie dem unpünktlichen Betrieb im Interesse der Mehrheit der Fahrgäste ein Ende bereitet werden soll. Auf der Sitzung des Gremiums am Dienstag dieser Woche war der ständige Ärger mit der modernisierten und elektrifizierten Ammertalbahn, auf der Elektro- und Dieseltriebwagen der DB Regio verkehren, das Thema. Eine „Insellösung“ zwischen Tübingen und Herrenberg, also ein Bruch aller durchgehender Verbindungen nach Reutlingen, Metzingen oder Bad Urach, wird in Betracht gezogen, um den Betrieb zu stabilisieren.

Die Zweckverbands-Geschäftsführerin Sarah Wüstenhöfer bezeichnete die Anschlusserreichung in Herrenberg an und von der S-Bahn als katastrophal. Zum Jahresbeginn wurden in Herrenberg nur 50 % der Anschlüsse erreicht, danach lag die Quote wieder bei 60 bis 80 % (d. h., dass ein die Ammertalbahn nutzender Pendler mindestens 2 bis 4 verpasste Anschlüsse pro Woche hinzunehmen hat).

In Herrenberg wartet die Ammertalbahn bis zu fünf Minuten auf die aus Stuttgart kommende S-Bahn, so Wüstenhöfer, dann muss sie losfahren, um nicht zu große Verspätungen auf der Strecke aufzubauen. Gerechnet wird mit zwei Minuten Sprint-Zeit für einen Bahnkunden von einem Zug zum anderen. „Das ist aber der Turnschuh-Anschluss“, sagt Wüstenhöfer, „mit Rollator schafft man dies nicht.“

Laut Zweckverband ist für einen Großteil der Infrastruktur-Pannen und Ausfälle der Kooperationspartner DB Regio verantwortlich, vor allem bei Fahrzeugen und Personal.

Das Verbandsmitglied Gerd Hickmann sagte, dass „die meisten Verspätungen auf der Ammertalbahn außerhalb ihres Kerngebiets“ entstehen, etwa durch Verspätungen der S-Bahn in Herrenberg oder durch die Verstopfungen auf der vollen DB-Strecke zwischen Metzingen und Tübingen. Der grüne Kreisrat und Abteilungsleiter im Stuttgarter Verkehrsministerium präsentierte deshalb bei der Versammlung am Dienstag die Idee, eine Insellösung für die Ammertalbahn zu prüfen. Hickmann vermutet, dass für die Kundschaft eine funktionierende Verbindung über Herrenberg wichtiger ist, als umsteigefrei bis Reutlingen oder weiter fahren zu können. Aber dazu müsse man zuerst die Untersuchungen des Zweckverbands abwarten. „Beschlossen ist nichts.“

Zwar sei ein Inselbetrieb in gewisser Weise „eine Bankrotterklärung“, jedoch: „Man muss den Realitäten ins Auge sehen.“ Hickmann: „Ein tolles Angebot auf dem Papier bringt nichts, wenn es in der Praxis nicht funktioniert.“ Und schließlich könne man ja später versuchen, zum bisherigen Modell zurückzukehren, wenn Personalsituation und verfügbares Zugmaterial das zulassen.

Überlegt werde auch, dass sich die Züge in und aus Richtung Herrenberg in Tübingen-West (anstatt am Hauptbahnhof) begegnen. „Dadurch würden wir mehr Luft in den Fahrplan bekommen.“ Und der Anschluss in Herrenberg würde womöglich besser klappen.

Bislang ist es so, dass auch verspätete Züge aus Richtung Herrenberg kurz vor Einfahrt in den Tübinger Hauptbahnhof einen u.a. mit vielen Bussen stark befahrenen Bahnübergang mit Vollschranken queren und dann die Schranken sofort aufgehen. Erst wenn sie wieder geschlossen sind, kann für den Gegenzug nach Herrenberg das Signal auf Grün gestellt werden. Aus diesem Grund kann bei der Kreuzung in Tübingen kaum eine Verspätung abgebaut werden. Anders wäre das am Tübinger Westbahnhof. Außerdem wären es je Richtung 2 Minuten mehr Zeit.

Meine Einschätzung ist es, dass es richtig wäre, den Inselbetrieb auf der Ammertalbahn einzuführen. Anschlussverlustquoten von bis zu 50 % sind doch ein Armutszeugnis ohne Ende, welches obendrein viele Fahrgäste kostet. Am Beispiel der inzwischen auf rund 10 Minuten Umsteigezeit entspannten Anschlüsse aus dem Filstal in Plochingen in Richtung Tübingen oder umgekehrt sieht man, wie entspannt die Reisenden inzwischen unterwegs sind. Früher sind viele durch die Unterführung gesprintet und haben dann doch ihren Anschluss verpasst.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Karl Müller
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Karl Müller »

Hallo,
die Erkenntnis kommt spät. Aber, die Anschlüsse in Herrenberg sind ohnehin nur auf dem Papier vorhanden. Also, schon vor Jahren schlug usr "Tannenrainer" vor auch die Zeitlage der Ammertalbahn komplett zu ändern - da die Anschlüsse ohnehin nur selten erreicht werden.
Denn, auch die S 1 ist oft verspätet.
Alles in allem ein unguter Mix aus höchster Unzuverlässigkeit- und wenn dann noch ein 612 als 440- Ersatz fährt sind die Fahrzeiten ohnehin für die Katz.
MFG Oli
Vielfahrer
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

die Linie Herrenberg - Tübingen - Reutlingen - Metzingen - Bad Urach verläuft aber nicht nur im Ammertal. Wesentliche Bestandteile liegen im Landkreis Reutlingen. Dieser ist ohnehin schon benachteiligt, weil die Infrastruktur im Bereich des Bahnhofs Metzingen den vorgesehenen 30-Minuten-Takt im Ermstal bislang nicht zugelassen hat. Aufgrund der starken Belegung der Strecke Plochingen - Tübingen mit von und nach Stuttgart verkehrenden Zügen bleiben die von Bad Urach kommenden Regionalbahnen in Reutlingen im Normalfall 17 Minuten stehen, ehe sie in Richtung Tübingen weiterfahren. Wenn nun in Tübingen der Schnitt (im Interesse des Binnenverkehrs des Ammertals) angesetzt wird und anstelle des recht kurzen Aufenthalts in Tübingen von den Fahrgästen ein Umstieg verlangt wird, entstehen weitere Wartezeiten und im Ergebnis zwischen Tübingen und Bad Urach nur noch Fragmente eines eigentlich angedachten durchgehenden Verkehrsangebots (Regionalstadtbahn NeckarAlb). Nach wie vor passt auch nicht der Anschluss aus Bad Urach in Metzingen in Richtung Stuttgart. Und an den Zügen im Abschnitt Metzingen - Bad Urach hängen Buslinien (z.B. der Regiobus von und nach Laichingen, Münsingen usw.), so dass die Zugfahrlagen nur bedingt sinnvoll angepasst werden könnten. Einfache Lösungen liegen also nicht gerade auf der Hand, ganz zu schweigen von den zusätzlichen Haltepunkten in Tübingen und in Reutlingen, deren Einzugsgebiet dann sogar verkleinert anstatt erweitert würde.
Und die Verdichtung zwischen Tübingen und Entringen im gut nachgefragten Ammertal zu einem 15-Minuten-Takt ist bekanntlich bereits zum Fahrplanwechsel vor einem Jahr grandios gescheitert, so dass auch auf die vorgesehenen Schnellbusse zu den Tausenden an Arbeitsplätzen auf der Morgenstelle bzw. den Kliniken auf dem Berg verzichtet werden musste. Trotz hoher Pendlerzahlen sind die Straßen zu den Hauptverkehrszeiten übervoll und es staut sich regelmäßig.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Tannenrainer
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Tannenrainer »

Hallo miteinander,

das ÖPNV-Desaster auf der gesamten Achse von Herrenberg bis Bad Urach ist einfach nur noch unbeschreiblich...

Es vergeht seit Wochen und Monaten kein Tag, an dem es nicht irgendwelche Störungen oder Ausfälle gibt...
Heute beispielsweise sind es mal wieder die stündlichen Pendelzüge Tübingen-Entringen, die ganztägig ausfallen, immerhin gibt's dafür einen Schienenersatzverkehr.
Dazu fällt seit früh am Morgen einer der beiden Umläufe, die stündlich auf dem Abschnitt Herrenberg-Metzingen pendeln, ersatzlos aus...
Damit wird dann heute auch der Betriebschluss auf der Ammertalbahn eine halbe Stunde eher sein und der letzte Zug für heute verläßt Tübingen Hbf bereits um 18.46 Uhr...

Mittlerweile wurde hier so unglaublich viel an Vertrauen verspielt, daß ich mir kaum vorstellen kann, daß die Fahrgastzahlen im Ammertal jemals wieder an das Niveau von vor 10, 15 Jahren herankommen werden, als die Ammertalbahn als DAS Vorzeige-Reaktivierungsprojekt überhaupt galt und ihr eine blühende Zukunft vorausgesagt wurde... die Realität ist leider eine ganz andere...

Persönlich habe ich, nicht zuletzt, weil der von mir häufig zur Frühschicht am Klinikum benutzte 1. Zug am Morgen nun auch als Ersatzbus mit entsprechend früherer Fahrplanlage verkehrt, resigniert und die Konsequenzen gezogen... und bin komplett auf den Pkw umgestiegen...

Nachdenklich
Tannenrainer
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

die "Reparatur einer Weiche zwischen Tübingen Hbf und Tübingen West" soll der Grund dafür sein, dass heute nachmittag alle Züge auf der Ammertalbahn mal wieder ausgefallen sind. Abends verkehren ab ca. 20 Uhr ohnehin nur noch Busse, weil Personalmangel im Stellwerk der ENAG herrscht. Hätte nie gedacht, dass das Angebot auf der Schiene auf solch ein Niveau absinken kann.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Karl Müller
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Karl Müller »

Hallo Vielfahrer,
ja, die "Reaktivierer" der einst brachliegenden Ammertalbahn müssen sich mit Grausen abwenden bei diesen Zuständen. Zumal die Ammertalbahn diese Woche noch eine Alternative auf der Schiene nach Stuttgart ist - über Herrenberg.
Wer sich auf DSO und sonst im web umschaut wird feststellen das es allerorten an Fahrdienstleitern mangelt und ganze Bahnlinien dicht gemacht werden, zum Teil über mehrere Tage. Die "Autolobby" hat ganze Arbeit geleistet (Verschwörungstheorie) um den Menschen den ÖPNV zu vergällen.
Schrieb nicht die Pressesprecherinn des Zweckverband Ammertalbahn einst " das es viel besser würde wenn nur die Züge elektrisch fahren würden"? Es zeigt aber auch das eine Privatisierung in andere Gesellschaften nicht immer Sinn macht - hier die ENAG welche den Zugverkehr im Ammertal steuert ( wegen der fehlenden FDL, nicht wegen der Weiche). Es gibt Tage an denen sogar die 49€ zuviel waren für den Murks den sich Bahnen leisten.
Dazu kommt ein drohender Streik der GdL und aller kommunalen Verkehrsunternehmen aufgrund auslaufenden Manteltarifvertrag.
MFG Oli
Vielfahrer
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,

heute früh nach 6 Uhr fuhr mal wieder ein (schwach besetzter) Zug. Inzwischen fallen alle Züge wieder aus, SEV Busse verkehren aber. Grund soll immer noch die defekte Weiche zwischen Tübingen Hbf und Tübingen West sein. Ab Nachmittag soll dann eine Zugeinheit im Pendelbetrieb zwischen Tübingen Hbf und Herrenberg eingesetzt werden, abends dann wie bisher nur SEV. Nächste Woche dann GdL-Streik und anschließend mehrmonatige Baustelle auf der eingleisigen Gäubahn.

Frustrierte Grüße vom Vielfahrer
Karl Müller
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Re: "Inselbetrieb" auf der Ammertalbahn?

Beitrag von Karl Müller »

Guten Morgen,
ich war 4 Tage lang rund um Reutlingen mit Bus und Bahn unterwegs, auch von und nach Stuttgart, die Bilanz ist gemischt. Heutzutage reibt man sich die Augen wenn alles fährt, sogar einigermaßen pünktlich.
Auf Rückfahrten aus Stuttgart heruas nehme ich inzischen gerne den Bus X3, die U6 bringt mich gut zum Flughafen, der Bus fuhr bis jetzt IMMER.
Gestern war wieder ein rechtes durcheinander, aber, ich kam an meinem Ziel an. Aber, wenn man bedenkt was das kosten würde wenn ich nicht das 49€ Ticket hätte, es wäre schlicht Unverschämt für solche Leistungen den "normalen" Fahrpreis zu verlangen.
Überhaupt dürfte die Jammertalbahn die nächsten 3 Monate relativ pünktlich verkehren - fehlt doch aufgrund Brückenbauarbeiten die S 1 in Herrenberg. Dort fährt nur die RB 41 bis Freudenstadt oder die S 8, auch Horb ist nicht über die Schiene von Eutingen erreichbar - warum ist mir ein rätsel - dürfen doch Züge der Nagoldbahn durchfahren bis Tübingen - wenn auch mit Einschränkungen.

MFG Oli
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