Hallo,
das Schwäbische Tagblatt berichtete dieser Woche über einen interessanten Auftakt einer Verhandlung vor dem Tübinger Amtsgericht.
Wegen Verleumdung eines Schweizer Professors, wegen Betrugs, Urkundenfälschung und weiterer Delikte muss sich derzeit eine promovierte Volkswirtin vor dem Amtsgericht Tübingen verantworten. Laut Anklageschrift soll die Frau einen Schweizer Juristen des Plagiats bezüglich seiner Dissertation bezichtigt und diese Anschuldigung in zahlreichen Briefen und Mails an Unis und Fachkollegen in der Schweiz, Deutschland und weiteren Ländern verbreitet haben.
Sowohl die Universität des Juristen als auch die Uni Tübingen, wo der Wissenschaftler in den 1990er Jahren promovierte, sollen die Sache untersucht und die Plagiatsvorwürfe als haltlos zurückgewiesen haben. Seie Uni hat für den Juristen mittlerweile einen Filter installiert, der Mails mit dem Stichwort "Plagiat" blockt. Seither hat er wieder ein ruhigeres Leben, berichtete der Mann am Montag.
Hintergrund des Ganzen war vermutlich, dass der Jurist die Bewerbung der Angeklagten (die als Volkswirtin gar nicht den passenden fachlichen Hintergrund hatte) auf eine Stelle an seinem Lehrstuhl abschlägig beschieden hatte. Als er die ersten Anschuldigungen erhielt, war er "erstmal geschockt", musste aber noch "Hunderte von Mails" ertragen. "Das ging das ganze Jahr 2016."
Auf einem internationalen Flughafen oder in einer hochpreisigen Einkaufsstraße würde die Angeklagte nicht weiter auffallen. Die zierliche 45jährige trägt klassisch Schwarz mit weißer Bluse, dazu etwas Kamelhaarfarbe ("mein teurer Kaschmirmantel"). Auf den ersten Blick würde man es kaum für möglich halten, dass die Frau auf dem Tübinger Hauptbahnhof einen Zugbegleiter wüst beschimpfte, wie der Mann und eine weitere Zeugin bestätigten. Die Angeklagte bestritt den Vorwurf: "Das gehört nicht zu meinem Vokabular", betonte sie. "Ich bin in einer Professorenfamilie aufgewachsen. Ich war mit zwei Professoren verheiratet."
Der Vorfall soll sich im Zusammenhang mit einer von mehreren Schwarzfahrten der Angeklagten zugetragen haben. Denn ihr wird zudem Leistungserschleichung zulasten der Deutschen Bahn vorgeworfen. "Wenn ich hier 20 Schwarzfahrten habe, ist spätestens ab der zweiten von Vorsatz auszugehen", sagte Oberstaatsanwalt Martin Klose. Die Frau soll zudem migrantisch wirkende Mitbürger beleidigt haben, beispielsweise in Läden oder an der Bushaltestelle.
Man konnte sich auch wundern, wie geläufig der Angeklagten das Wort "Dreiecksbetrug" über die Lippen kam. Sie war zeitweilig mit einem Tübinger Professor verheiratet. Spätestens ab August 2016 soll sie aufgrund finanzieller Engpässe auf Überweisungsträgern der Postbank die Unterschrift ihres Ex-Mannes gefälscht haben. Auf diese Weise soll sie in 34 Transaktionen insgesamt fast 35.000 Euro in die eigene Tasche geleitet haben: für Einkäufe im Supermarkt, Zahnarzt- oder Handwerkerrechnungen sowie mehrere größere Tranchen für Steuerschulden. Rechtlich gilt dieses Vorgehen als Betrug und Urkundenfälschung.
Der Ex-Mann bestritt vor Gericht, jemals Blanko-Unterschriften geleistet zu haben: schon beim gemeinsamen Konto nicht, und erst recht nicht nach der Trennung bezüglich seines eigenen Kontos. Der Tübinger Professor wurde mittlerweile von der Postbank entschädigt. Dem Geldinstitut bleibt es vorbehalten, sich die Summe seinerseits zurückzuholen.
Die 45-jährige wiederholte immer wieder dieselben Sätze, Details oder Hergänge, sofern sie diese für wichtig hielt - auch wenn sie mit dem aktuellen Verfahren nichts zu tun haben. "Sie sind absolut beratungsresistent", so der Oberstaatsanwalt nach mehrstündiger Verhandlung. Darauf die Angeklagte: "Stimmt. Ich bin diejenige, die mit Prädikat abgeschlossen hat." Unter welchen Umständen sie derzeit lebt, sagte sie bisher nicht. Es gebe keine finanziellen Engpässe: Sie sei für drei Jahre abgesichert, "auch ohne Anstellung". Der Prozess wird am Freitag, den 20. September, fortgesetzt.
Viele Grüße vom Vielfahrer, der bislang davon ausging, dass die Angeklagte in der 1. Klasse (bis auf einen Fall) einen entsprechenden Fahrschein hatte.
Professorin als Schwarzfahrerin vor Gericht
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Professorin als Schwarzfahrerin vor Gericht
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Re: Professorin als Schwarzfahrerin vor Gericht
Schon heute berichtet das Schwäbische Tagblatt über den Fortgang des Prozesses gegen die schwarzfahrende Akademikerin:
Wegen Betrugs sowie Urkundenfälschung in 34 Fällen und weiterer Delikte verurteilte das Tübinger Amtsgericht am Freitag eine 45jährige Volkswirtin aus der Schweiz zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage muss die Frau 1.000 € an die Jugend- und Bewährungshilfe Tübingen zahlen. Die insgesamt 37.900 €, die sie durch Betrügereien erlangte, sollen eingezogen werden. Die Bewährung sei nur mit Vorbehalten möglich, sagte die Richterin: weil vorhergehende Gerichtsurteile gegen die Frau nicht einschlägig waren (Ein paar kleinere Vorstrafen wegen Beleidigung: Zu ihrem Werdegang wollte die promovierte Volkswirtin, die zeitweilig mit einem Tübinger Professor verheiratet war, auf gegen Ende des aktuellen Strafprozesses gegen sie nichts sagen. Nur soviel: Sie sei die Tochter eines Biologie-Professors und selbst mit zwei Professoren verheiratet gewesen. Ihr monatliches Einkommen wollte sie nicht angeben. Obwohl ihr Lebensmittelpunkt angeblich in der Schweiz liegt, hat sie vier Voreintragungen im deutschen Bundeszentralregister jeweils wegen Beleidigung, gerichtet gegen migrantisch aussehende Zufallsbegegnungen. "So etwas passiert mir nur in Deutschland", empörte sich die Angeklagte).
Obwohl die Angeklagte wusste, dass ihr bereits getrennt lebender Ehemann damit nicht einverstanden wäre, hatte sie von seinem Konto knapp 35.000 € in die eigene Tasche umgeleitet: für Arzt- oder Handwerkerrechnungen, Supermarkteinkäufe und vor allem für Steuerschulden. Bei insgesamt 34 Transaktionen verwendete sie Überweisungsträger der Postbank, die sie selbst ausgefüllt, aber nicht unterschrieben habe, wie sie beteuerte. Sie will in der vormals gemeinsamen Wohnung in gediegener Tübinger Halbhöhenlage noch unterschriebene Blanko-Formulare vorgefunden haben. Hingegen hatte ihr Ex-Mann als Zeuge berichtet, grundsätzlich nie Blanke-Unterschriften zu leisten. Ihm sei die Tragweite solcher Autorisierungen sehr bewusst.
Bereits Oberstaatsanwalt Martin Klose hatte eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Als Bewährungsauflage hatte er 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit angeregt. Verteidiger Urs Heck fand eine "maßvolle Geldauflage" der Lebenssituation seiner Mandantin angemessener. Da sie ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz habe, wäre es für sie mit einem zu großen Aufwand verbunden, in Deutschland Sozialstunden abzuleisten. Eine "maßvolle Freiheitsstrafe2 wegen Betrufs und Urkundenfälschung stelle der Verteidiger ins Ermessen des Gerichts. Für die weiteren Delikte forderte er Freispruch.
Dabei ging es zunächst um üble Nachrede in acht Fällen zulasten eines Schweizer Professors. Die Angeklagte hatte dem Juristen in einer Flut von Briefen und Schmäh-Mails an Fachkollegen in der Schweiz und im Ausland vorgeworfen, bei seiner in den 1990er-Jahren an der Uni Tübingen verfassten Dissertation plagiiert zu haben. "Sie hat sich intensiv mit der Dissertation befasst", so der Verteidiger. Die Schweizer Uni des Professors sowie die Uni Tübingen haben dessen Dissertation längst geprüft und nichts zu beanstandendes gefunden. Richterin Anja Esperschidt betonte: "Fremdsprachige Fußnoten sind kein Plagiat".
Das schätzte die Angeklagte in ihrem letzten Wort ganz anders ein: "Die deutsche Wissenschaft ist dadurch bekannt geworden in den Medien, dass Dissertationen hier plagiiert werden", sagte sie und demonstrierte wie bereits beim Prozessauftakt am Montag ihre etwas spezielle Weltsicht.
Der Oberstaatsanwalt sah in den Schmähschreiben "eine Retourkutsche", weil der Professor eine Bewerbung der Angeklagten auf eine Stelle an seinem Lehrstuhl zurückwies mit der Begründung, sie habe bei ihren Bewerbungsunterlagen selbst plagiiert.
Das Schweizerische Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung der Uni Sankt Gallen nennt die Angeklagte in seinem Internetauftritt als ehemalige Mitarbeiterin. Allerdings fehlen bei ihrem Eintrag, anders als bei ihren vormaligen Kolleginnen und Kollegen, jegliche weiteren (teilweise glanzvollen) Karrierestationen.
Gericht wie Staatsanwaltschaft sind auch überzeugt, dass die Angeklagte auf dem Tübinger Hauptbahnhof einen Zugbegleiter beleidigt hat. Das Verfahren gegen die Frau wegen vielfachen Schwarzfahrens zulasten der Deutschen Bahn AG wird gesondert geführt.
Zudem ist die 45jährige für einen weiteren Betrug verantwortlich. Als ihr Ex-Mann bereits ausgezogen war, hatte sie als nur hälftige Miteigentümerin für die gemeinsame Tübinger Wohnung eigenmächtig einen Mieter gesucht. Von dem Mann hatte sie 3.000 € Kaution und 600 € Miete kassiert, doch die Wohnung konnte er nie beziehen. Mit dem Mietinteressenten hat die Angeklagte offenbar zwischenzeitlich einen Vergleich geschlossen. Das Geld hat sie ihm bisher aber noch nicht zurückerstattet.
Viele Grüße vom Vielfahrer, der die Reisende im IC 181 jetzt wohl nicht mehr trifft...
Wegen Betrugs sowie Urkundenfälschung in 34 Fällen und weiterer Delikte verurteilte das Tübinger Amtsgericht am Freitag eine 45jährige Volkswirtin aus der Schweiz zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage muss die Frau 1.000 € an die Jugend- und Bewährungshilfe Tübingen zahlen. Die insgesamt 37.900 €, die sie durch Betrügereien erlangte, sollen eingezogen werden. Die Bewährung sei nur mit Vorbehalten möglich, sagte die Richterin: weil vorhergehende Gerichtsurteile gegen die Frau nicht einschlägig waren (Ein paar kleinere Vorstrafen wegen Beleidigung: Zu ihrem Werdegang wollte die promovierte Volkswirtin, die zeitweilig mit einem Tübinger Professor verheiratet war, auf gegen Ende des aktuellen Strafprozesses gegen sie nichts sagen. Nur soviel: Sie sei die Tochter eines Biologie-Professors und selbst mit zwei Professoren verheiratet gewesen. Ihr monatliches Einkommen wollte sie nicht angeben. Obwohl ihr Lebensmittelpunkt angeblich in der Schweiz liegt, hat sie vier Voreintragungen im deutschen Bundeszentralregister jeweils wegen Beleidigung, gerichtet gegen migrantisch aussehende Zufallsbegegnungen. "So etwas passiert mir nur in Deutschland", empörte sich die Angeklagte).
Obwohl die Angeklagte wusste, dass ihr bereits getrennt lebender Ehemann damit nicht einverstanden wäre, hatte sie von seinem Konto knapp 35.000 € in die eigene Tasche umgeleitet: für Arzt- oder Handwerkerrechnungen, Supermarkteinkäufe und vor allem für Steuerschulden. Bei insgesamt 34 Transaktionen verwendete sie Überweisungsträger der Postbank, die sie selbst ausgefüllt, aber nicht unterschrieben habe, wie sie beteuerte. Sie will in der vormals gemeinsamen Wohnung in gediegener Tübinger Halbhöhenlage noch unterschriebene Blanko-Formulare vorgefunden haben. Hingegen hatte ihr Ex-Mann als Zeuge berichtet, grundsätzlich nie Blanke-Unterschriften zu leisten. Ihm sei die Tragweite solcher Autorisierungen sehr bewusst.
Bereits Oberstaatsanwalt Martin Klose hatte eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Als Bewährungsauflage hatte er 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit angeregt. Verteidiger Urs Heck fand eine "maßvolle Geldauflage" der Lebenssituation seiner Mandantin angemessener. Da sie ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz habe, wäre es für sie mit einem zu großen Aufwand verbunden, in Deutschland Sozialstunden abzuleisten. Eine "maßvolle Freiheitsstrafe2 wegen Betrufs und Urkundenfälschung stelle der Verteidiger ins Ermessen des Gerichts. Für die weiteren Delikte forderte er Freispruch.
Dabei ging es zunächst um üble Nachrede in acht Fällen zulasten eines Schweizer Professors. Die Angeklagte hatte dem Juristen in einer Flut von Briefen und Schmäh-Mails an Fachkollegen in der Schweiz und im Ausland vorgeworfen, bei seiner in den 1990er-Jahren an der Uni Tübingen verfassten Dissertation plagiiert zu haben. "Sie hat sich intensiv mit der Dissertation befasst", so der Verteidiger. Die Schweizer Uni des Professors sowie die Uni Tübingen haben dessen Dissertation längst geprüft und nichts zu beanstandendes gefunden. Richterin Anja Esperschidt betonte: "Fremdsprachige Fußnoten sind kein Plagiat".
Das schätzte die Angeklagte in ihrem letzten Wort ganz anders ein: "Die deutsche Wissenschaft ist dadurch bekannt geworden in den Medien, dass Dissertationen hier plagiiert werden", sagte sie und demonstrierte wie bereits beim Prozessauftakt am Montag ihre etwas spezielle Weltsicht.
Der Oberstaatsanwalt sah in den Schmähschreiben "eine Retourkutsche", weil der Professor eine Bewerbung der Angeklagten auf eine Stelle an seinem Lehrstuhl zurückwies mit der Begründung, sie habe bei ihren Bewerbungsunterlagen selbst plagiiert.
Das Schweizerische Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung der Uni Sankt Gallen nennt die Angeklagte in seinem Internetauftritt als ehemalige Mitarbeiterin. Allerdings fehlen bei ihrem Eintrag, anders als bei ihren vormaligen Kolleginnen und Kollegen, jegliche weiteren (teilweise glanzvollen) Karrierestationen.
Gericht wie Staatsanwaltschaft sind auch überzeugt, dass die Angeklagte auf dem Tübinger Hauptbahnhof einen Zugbegleiter beleidigt hat. Das Verfahren gegen die Frau wegen vielfachen Schwarzfahrens zulasten der Deutschen Bahn AG wird gesondert geführt.
Zudem ist die 45jährige für einen weiteren Betrug verantwortlich. Als ihr Ex-Mann bereits ausgezogen war, hatte sie als nur hälftige Miteigentümerin für die gemeinsame Tübinger Wohnung eigenmächtig einen Mieter gesucht. Von dem Mann hatte sie 3.000 € Kaution und 600 € Miete kassiert, doch die Wohnung konnte er nie beziehen. Mit dem Mietinteressenten hat die Angeklagte offenbar zwischenzeitlich einen Vergleich geschlossen. Das Geld hat sie ihm bisher aber noch nicht zurückerstattet.
Viele Grüße vom Vielfahrer, der die Reisende im IC 181 jetzt wohl nicht mehr trifft...