Regionalstadtbahn Neckar-Alb kommt in Fahrt

Strecken in Baden-Württemberg, die unten nich aufgeführt sind.
Antworten
Vielfahrer
Örtlicher Betriebsleiter
Örtlicher Betriebsleiter
Beiträge: 4786
Registriert: So 1. Aug 2010, 13:32
Wohnort: Tübingen Weststadt

Regionalstadtbahn Neckar-Alb kommt in Fahrt

Beitrag von Vielfahrer »

Im Schwäbischen Tagblatt Tübingen erscheint heute von Moritz Hagemann folgender Artikel:

Alle ziehen an einem Strang - das war die Botschaft, die die Beteiligten der Regionalstadtbahn Neckar-Alb gestern Nachmittag im Hechinger Rathaus vermitteln wollten. "Nur zusammen können wir das schaffen", sagte Joachim Walter, Tübinger Landrat. Heißt: Macht einer sein eigenes Ding, wäre das Gesamtvorhaben gestorben, weil Förderungen wegbrechen. Das gestrige Treffen, an dem auch Bürgermeister sowie wichtige Kammern beteiligt waren, soll für das Gegenteil sorgen. Und die Beteiligten vermittelten: Jetzt kann das Projekt so richtig aufleben.
Das Treffen geht auf das Engagement von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) zurück, die betonte: "Jetzt ist die kritische Zeit, um die Themen auf den Weg zu bringen." Gerade deshalb sei es wichtig, als Einheit aufzutreten.
Lange drängte die Zeit, da die Förderung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) 2019 auszulaufen drohte. So wurde das sogenannte Modul 1 (Elektrifizierung von Ammer- und Echaztalbahn sowie die Einrichtung weiterer Haltepunkte zwischen Tübingen und Reutlingen) mit dem Ziel ausgegliedert, es 2019 gebaut und abgerechnet zu haben. Weil das GVFG aber erhalten bleibt und statt rund 320 Millionen künftig 1 Milliarde Euro ausschütten soll, ist der Bau von Teilnetzen passé. Das bringt mehr Flexibilität und eine Umsetzung "nach Nachfrage und Notwendigkeit", sagte Reutlingens Landrat Thomas Reumann. Zeitlich gibt's nun diese Ziele:
  • Bis Ende 2018 soll eine Projektgesellschaft unter Führung von Verbandsdirektor Dr. Dirk Seidemann vom Regionalverband Neckar-Alb gegründet sein. "Entscheidend wird sein, wo wir das Fachpersonal herbekommen, sagte Walter.
  • Der Bau von Modul 1 soll in Teilbereichen 2019 beginnen, endgültig aber 2020. Zwischen Juli und September 2022 soll das Modul 1 in Betrieb gehen.
  • Ab 2025 soll die Strecke Tübingen - Mössingen als Teilabschnitt der Zollern-Alb-Bahn befahrbar sein.
  • Ab 2027 soll die Inbetriebnahme der übrigen Streckenabschnitte der Zollern-Alb-Bahn beginnen.
"Wir haben eine klare Vision", sagte Reumann. Die behinahlte "eine zukunftsfähige Antwort, wie die Mobilität aussehen soll". Es sei klar, dass die Menschen neue Angebote nur annehmen, wenn sie attraktiv sind: "Das ist der Leitgedanke, der uns trägt". So sollen durch die Regionalbahn 690.000 Einwohner in diesem Gebiet schneller in die Zentren kommen, ohne Umstiege, also ohne Bruch in der Mobilität.Und das im 30-Minuten-Takt. Insgesamt sind etwa 200 Kilometer Schiene betroffen, 23 Prozent müssen neu gebaut werden.
Bislang wird das Gesamtprojekt zu 60 Prozent von Bund und zu je 20 Prozent vom Land und Kommunen getragen. Die Bundesregierung hat durch ihre Elektrifizierungsoffensive weitere Fördermittel in Aussicht gestellt, jedoch ist offen, ob und wie viele davon auf die Regionalstadtbahn abfallen. Dass das Projekt erst seit kurzem in der Priorisierungsstufe 1 des Elektrifizierungskonzepts des Landes steht, verdeutlicht, dass mit Verkehrsminister Hermann (Grüne) ein Befürworter des Vorhabens in Stuttgart sitzt. An einen hundertprozentige Förderung des Bundes, wodurch Land und Kommunen befreit wären, glaube Hermann nicht, erzählte Reumann. Und sagte: " Dem schließe ich mich an." Deshalb sei es gut, mit der aktuellen Aufteilung zu rechnen.
Aber:" Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um sich mit diesem Projekt auf Bundesebene Gehör zu verschaffen", sagte Hoffmeister-Kraut. Mit den Bundestagsabgeordneten Annette Widmann-Mauz (CDU) und Michael Donth (CDU) hat die Regionalstadtbahn wichtige Fürsprecher in Berlin.
Weil jedoch die Standardisierte Bewertung nur beim Modul 1 von 2016 und sonst nach dem alten Verfahren von 2006 ist, muss für den Rest der Regionalstadtbahn ein neuer Nutzen-Kosten-Index (NKI) errechnet werden. Dieser ist für das Modul 1 binnen der zehn Jahre von 1,22 auf 1,26 gestiegen. Heißt: Für jeden investierten Euro sind 26 Cent Gewinn zu erwarten.
Der Rest muss sich gedulden, da die Standardisierte Bewertung erst vorgenommen werden kann, wenn das Fahrplankonzept von Stuttgart 21 konzipiert ist (voraussichtlich im Sommer), weil das wiederum die Betriebsplanung der Zollern-Alb-Bahn beeinflusst. Und ohne Bewertung - oder bei einem NKI unter 1,0 - gibt's für das Projekt keine Fördermittel. Unter 1,0 werde aber kein Streckenabschnitt fallen, waren sich die Landräte einig. Insgesamt sind das Thema und vorallem der Erhalt der Fördermittel enorm komplex. So soll parallel zu Modul 1 und der Zollern-Alb-Bahn auf die Gomaringer Spange (Verbindung von Dußlingen nach Reutlingen) umgesetzt werden.
Der Vorschlag von Minister Hermann, im Zuge des Umleitungsverkehrs den Streckenabschnitt der Neckartalbahn (Tübingen - Horb) vorzuziehen, traf nicht auf viel Zustimmung. Beispielsweise wegen offener Haltepunkte in Rottenburg. Walter sagt offen: "Dann muss derjenige, der sie propagiert, sie auch finanzieren."
Genrell sei nicht nur der Bau, sondern auch der spätere Betrieh nur mit Hilfe von Bund und Land zu finanzieren, sagte Walter. Und warnte: "Der Betrieb wird uns deutlich mehr fordern als der Bau."

In einem Papier erklärten gestern Nicole Hoffmeister-Kraut (Wirtschaftsministerin), die Landräte Joachim Walter (Tübingen), Thomas Reumann (Reutlingen), Günther Martin-Pauli (Zollernalb-Kreis) sowie Dr. Dirk Seidemann (Verbandsdirektor Region Neckar-Alb):
1. Wir begrüßen sehr, dass alle Projekte der Regionalstadtbahn Neckar-Alb im Elektrifizierungskonzept des Landes in der Stufe 1 enthalten sind. Das verdeutlicht die klare Unterstützung des Landes für die Elektrifizierung des Schienennetzes und für das Projekt im Ganzen.
2. Wir erwarten, dass der GVFG-Antrag für Modul 1 spätestens im Juni 2018 vom Landes- an das Bundesverkehrsministerium weitergeleitet wird.
3. Wir wollen die Projektgesellschaft bie Ende des Jahres gründen.
4. Wir bewerten als positiv, dass die Große Wendlinger Kurve gebaut werden soll und dass das Land dieses Vorhaben unterstützt. Wir erwarten, dass der Bund das Projekt in hohem Maße finanziert.
5. Wir bekennen uns klar dazu, dass die Zollern-Alb-Bahn mit Hochdruck realisiert wird. Sie lässt einen besonders hohen Nutzen erwarten.
6. Der Ausbau der Killertalbahn bis Gammertingen und die Elektrifizierung von Albstadt-Ebingen bis Sigmaringen (Lückenschluss) sind wichtige weitere Schritte, die wir in Kooperation mit dem Landkreis Sigmaringen und dem Land angehen werden. Gleiches gilt für die Gomaringer Spange, die Obere Neckartalbahn, die Stadtbahnstrecken und den Albaufstieg.

Und zum Artikel noch ein Kommentar von Gernot Stegert vom Tagblatt:

Endlich sind die ersten Züge in Sicht

Die Regionalstadtbahn Neckar-Alb wurde aufs Gleis gesetzt - diese Metapher haben wir bei vielen Planungsschritten benutzt. Längst ist das Bild verbraucht, wir verzichten darauf und warten, bis die ersten Züge tatsächlich rollen. Nach dem derzeitigen Stand soll das im Jahr 2022 sein. Dann endlich soll das Modul 1 fertig sein. Das ist die Strecke von Herrenberg über Tübingen und Reutlingen bis nach Bad Urach. Da fahren zwar jetzt auch schon Züge - der Ammertalbahn, der DB und der Ermstalbahn. Doch Modul 1 bedeutet: Die Verbindungen sind dann ausgebaut, teilweise zweispurig. Das beschleunigt den Verkehr. Weitere Haltestellen ermöglichen Tausenden von Menschen zusätzlich den Einstieg. Und die Züge dieseln nicht mehr laut vor sich hin, sondern fahren elektrisch. Dass das alles keine Vision mehr ist, sondern bald kommt, das zeigte das Treffen der Landräte und Bürgermeister der Region mit Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut jetzt.
Nach Jahren der mühsamen Planungsschritte, der Ungewissheit über die Finanzierung und auch vieler skeptischer Stimmen überwiegt mittlerweile bei allen Beteiligten die Zuversicht. Zu recht. Denn nie war die Gelegenheit größer, Zusagen des Bundes und des Landes bei der Finanzierung stehen. Und vom Bund winkt sogar zusätzliches Geld aus einem neuen Topf für die Elektrifizierung von Bahnstrecken.
Auch die Arbeiten kommen voran. Überfällig ist die Gründung einer Projektgesellschaft. Sie soll noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Auch die weiteren Teile, die im Ringen um Modul 1 schon gar nicht mehr im Bewusstsein der Öffentlichkeit sein dürften, werden angepackt. Die Strecke von Mössingen nach Tübingen soll 2025 befahrbar sein. Das ist eine gute Nachricht nicht allein für alle Pendler. Wichtig ist aber auch die Verlängerung in den Zollern-Alb-Kreis und die Ertüchtigung der Strecke von Tübingen über Rottenburg nach Horb, wo der Anschluss an die Gäubahn als Fernverbindung in den Süden existiert.
Ist das alles nicht zu viel? Nein, die Regionalstadtbahn funktioniert am besten als Gesamtprojekt - gerade wirtschaftlich. Es werden desto mehr Menschen einsteigen, je besser das Netz ist. Auch deshalb hat Landrat Walter recht, wenn er sagt: "Nur zusammen können wir das schaffen." Alleingänge der Kreise oder einzelner Kommunen würden allen schaden.
Zum Gesamtprojekt gehören auch die Innenstadtstrecken in Tübingen und Reutlingen. Hier ist noch viel Diskussionsbedarf. Die Debatte hat mangels Informationen noch nicht einmal begonnen. Es wird Zeit dafür. Während die überörtlichen Verbindungen der Regionalstadtbahn unstrittig nötig sind, gibt es in Tübingen noch viele Zweifel. Wer sich nicht dem Verdacht aussetzen will, vollendete Tatsachen zu schaffen, sollte die Bürgerbeteiligung bald starten.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Benutzeravatar
Villinger
Fahrdiensleiter
Fahrdiensleiter
Beiträge: 3276
Registriert: Sa 18. Okt 2008, 20:25
Wohnort: Villingen im Schwarzwald
Alter: 27

Re: Regionalstadtbahn Neckar-Alb kommt in Fahrt

Beitrag von Villinger »

Wäre sehr wünschenswert, dass gerade in der Metropolregion Reutlingen-Tübingen mal etwas Wind in den doch sehr ländlich wirkenden Zugverkehr kommt (zumindest, wenn ich mir die etwas zurückgebliebene Infrastruktur anschaue - Der Bahnhof Tübingen hat noch was von Bundesbahnatmosphäre und in Reutlingen wurde fast alles wegrationalisiert). Aber vielleicht läuft es dort dann auch bald so gut wie im Breisgau, wo ja fast nur noch an den Bahnanlagen gebaut wird.

Viel gespannter bin ich ja darauf, ob der Bund wirklich auf die Elektrifizierungspläne des Landes anspringt, besonders ob die Zollernbahn bis Sigmaringen davon profitiert. Dort sind zwar ein paar Leute unterwegs, aber eine wirkliche Metropolverbindung ist das natürlich nicht. Und der Fokus dürfte da sicher auf anderen Strecken liegen die zunächst auch wesentlich einfacher zu realisieren, wie Tuttlingen-Immendingen, wo zwischen zwei Bahnhöfen auf nicht ganz 9km tatsächlich nur etwas Draht fehlt (ohne neue Einspeisungen usw. bauen zu müssen).
Bild Aus dem Fridinger wurde der Villinger Bild
Antworten