Schweiz: 17 Bahnlinien stehen zur Disposition

Alles zur Strecke Basel - Waldshut - Schaffhausen - Singen kann hier rein.
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Vielfahrer
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Schweiz: 17 Bahnlinien stehen zur Disposition

Beitrag von Vielfahrer »

Die Neue Züricher Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe vom 31.05.13:

"Der Bund soll bei jenen 17 Bahnlinien mit einem Kostendeckungsgrad von weniger als 30 Prozent vor der Beschaffung von neuem Rollmaterial jeweils prüfen, ob eine Umstellung auf Busbetrieb eine Alternative wäre. Die Landesregierung hat die entsprechende Initiative in diesem Sinne geändert. 13 der Linien liegen in der französischen Schweiz. In der Deutschschweiz betroffen sind die DB-Linie durch den Kanton Schaffhausen sowie die Linien Kerzers - Lyss, Sissach - Läufelfingen - Olten und Solothurn - Moutier."

Dass der Kostendeckungsgrad der Regionalbahnen im Klettgau derzeit gering ist, erscheint mir noch nachvollziehbar. Mit aus diesem Grund hat der Kanton Schaffhausen ja alles dran gesetzt, die Strecke attraktiver zu machen. Mit Elektrifizierung und Doppelspurausbau und der Einführung eines Halb-Stunden-Takts zwischen Erzingen und Schaffhausen schlägt man eine Vorwärtsstrategie ein. Die SBG-Busse, die im wesentlichen die Gemeinden abseits der Hochrheinstrecke in Richtung Schaffhausen bzw. zu den Bahnhöfen bedienten, werden komplett aufgegeben. Der Regionalverkehr Schaffhausen hingegen wird ein minutiös auf die Klettgau-S-Bahn abgestimmtes Fahrplanangebot fahren, welches angesichts kurzer Wendezeiten kaum eine Minute Verspätung verträgt, soll die Transportkette zuverlässig in Richtung und Gegenrichtung aufrechterhalten werden.

Die Achillesferse des Systems scheint mir die IRE-Linie Ulm - Basel zu sein (ab 2017 nach erfolgter Südbahn-Elektrifizierung Lindau - Singen - Basel). Sie läuft nach meiner Erfahrung trotz derzeit relativ vielen Fahrzeitpuffern recht unpünktlich. Ihre Systemkreuzung liegt in Erzingen. In westlicher Richtung schließt sich dann die eingleisige Strecke bis Waldshut an, bei der zu allem Überfluss auch noch der Kreuzungsbahnhof in Tiengen aufgegeben wurde. Genau das Gegenteil wäre notwendig gewesen, nämlich die Doppelspur aus Richtung Schaffhausen nicht in Erzingen enden zu lassen, sondern im topographisch völlig einfachen Gebiet bis Lauchringen durchzuziehen.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Lueger
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Re: Schweiz: 17 Bahnlinien stehen zur Disposition

Beitrag von Lueger »

In einer ersten Meldung (glaube aus dem November vergangenen Jahres, muss mal nachsehen) gab es eine entsprechende Vorlage aus dem Bundesrat (= Regierung), die weitaus radikaler war und fast den ganzen nicht-kostendeckenden Nahverkehr auf der Schiene in Frage gestellt hat. Derlei Vorstösse sind eher politischen Winkelzügen zuzurechnen, um etwa dem Nationalrat (Parlament) etwas mehr Gelder für den öffentlichen Verkehr abzutrotzen - denn die Abgeordneten hätten es meist schwer in ihren Heimatkantonen den Infrastrukturabbau zu verkaufen. Im Einzelfall könnte es dennoch zu Stilllegungen kommen - etwa beim Läufelfingerligerli. Den Anliegern dort ist das bewusst, und suchen teilweise bereits nach Nachfolgelösungen (Dampf-S-Bahn...)
guber
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Re: Schweiz: 17 Bahnlinien stehen zur Disposition

Beitrag von guber »

Nun, in Deutschland fehlen eben einfach die Mittel im Investitionshaushalt. Erfreulich ist, dass Grube durchaus irgendwo mal angedeutet hat, dass man in den kommenden Jahren "zuviel" aufgegebene Kreuzungsbahnhöfe wieder herstellen könnte.
Ich denke wennd er Bund Geld bereitstellen würde wäre vieles, vieles volkswirtschaftlich sinnvolles möglich. Es fehlt der politische Wille in Berlin.
Vielfahrer
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Re: Schweiz: 17 Bahnlinien stehen zur Disposition

Beitrag von Vielfahrer »

Interessantes lese ich soeben in der NZZ von Korrespondentin Andrea Kucera aus Lauseanne vom 12. Juni auf Seite 32: "Mehr Bahn in der Waadt". Die Unterüberschrift lautet: Investitionen in den Regionalverkehr.

Der Kanton Waadt investiert in großem Stil in seine regionalen Bahnlinien - auch in solche, die einen Kostendeckungsgrad von unter 30 Prozent aufweisen. Der Regierungsrat möchte damit ein Signal nach Bern senden.

Die Waadtländer Regierung plant, rund 303 Millionen Franken in seine 18 Regionalbahnen zu investieren, die von 8 verschiedenen Privatunternehmen betrieben werden. Es handele sich dabei um die größte je durch den Kanton getätigte Investitiion in den Regionalverkehr, sagte die zuständige Staatsrätin Nuria Gorrite am Montag vor den Medien. 145 Millionen Franken flössen in den Unterhalt der Infrastruktur (Schienen und Bahnhöfe) und 158 Millionen in den Kauf von neuem Rollmaterial. Konkret bedeutet dies, dass bis ende 2016 die Kadenz der Züge erhöht wird und mehr Sitzplätze zur Verfügung gestellt werden. Das Parlament muss der Investition noch zustimmen.

Die Ankündigung aus Lausanne erfolgt just zu einem Zeitpunkt, da der Bundesrat über die Stillegung von unrentablen Bahnlinien und den Ersatz durch Busse nachdenkt. Auch fünf Bahnlinien im Kanton Waadt weisen einen Kostendeckungsgrad von weniger als 30 Prozent auf und sind damit bedroht. Für Regierungsrätin Nuria Gorrite steht trotzdem fest, dass der Kanton Waadt an diesem Angebot festhalten muss. Indem er in großem Stil investiere, sende er ein starkes Signal nach Bern aus: "Unsere Regionalbahnen sind zukunftsträchtig". Busse seien keine Alternative, da sie nur das Straßennetz noch stärker belasten würden. Gorrite glaubt, dass dank größerem Komfort und einer erhöhten Kadenz noch mehr Pendler vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigen werden. "Stimmt das Angebot, folgt auch die Nachfrage".

Die Statistiken der letzten 10 Jahre weisen bereits in diese Richtung: Im Schnitt hat sich die Zahl der Passagiere auf den regionalen Bahnlinien der Waadt um 40 Prozent erhöht; auf einzelnen Bahnlinien hat sich die Zahl der Passagiere sogar fast verdoppelt. Noch immer fahren indes erst 30 % der Bewohner des Kantons Waadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, die meisten legen ihren Arbeitsweg mit dem Auto zurück. Gerade sie sollen mit einem attraktivereren ÖV-Angebot überzeugt werden.

Im Wesentlichen konzentrieren sich die Investitionen entlang den Achsen Nyon - Morges - Lausanne, Lausanne - Vevey - Montreux - Aigle und Lausanne - Yverdon - Ste-Croix, also dort, wo das größte Bevölkerungswachstum erwartet wird. Es sollen keine neuen Linien in Betrieb genommen werden, sondern es soll die Kadenz auf den bestehenden erhöht werden. So verkehren etwa künftig zwischen Yverdon und Ste-Croix die Züge im Halbstundentakt und zwischen Nyon und seiner Agglomeration im Viertelstundentakt. Auf diese Weise sucht der Kanton der Zersiedelung der Landschaft entgegenzuwirken.

Interessant an den Waadtländer Plänen ist nicht nur der historische Umfang der Investitionen, sonder auch der Umstand, dass sich der Fokus um Ufer des Genfersees ins Hinterland verschiebt. Dieser Eindruck drängt sich auch beim Ausbau des S-Bahn-Netzes auf, der vom Kanton Waadt ebenfalls vorangetrieben wird: Künftig rückt selbst Le Brassus im Vallée de Joux auf Pendlerdistanz zu Lausanne. Diese Verschiebung nach Norden und Richtung Chablais zeigt, dass das Wachstum entlang dem Genfersee an seine Grenzen stößt.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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