Vorschau auf die Fahrplankonferenz am 13.09.2012

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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Vorschau auf die Fahrplankonferenz am 13.09.2012

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo,
auf der morgigen IHK-Fahrplanbesprechung dürfte es um interessante Themen gehen, nachdem im Nahverkehr die Zeit der großen Veränderungen zumindest derzeit vorbei ist. Von der Fahrplankonferenz in Ulm habe ich einige Ausführungen in diesen Vorbericht aufgenommen, da zu erwarten ist, dass - natürlich mit stärkerem Gäubahn-Bezug - auch in Villingen dieses Thema ausführlich diskutiert werden wird.

Herr Vyzina, der für die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg zuständige Vertreter der Angebotskommunikation von DB-Fernverkehr, erläuterte ausführlich, wie sich in die Modernisierung des Fuhrparks von DB-Fernverkehr aus heutiger Sicht mittelfristig darstelle.
Die Erneuerung der ICE-1-Flotte sei bereits seit geraumer Zeit abgeschlossen (sie verkehrt u.a. in BW auf den Linien Basel- Karlsruhe/München – Stuttgart – Mannheim – Frankfurt – Berlin).
Bis Ende 2013 werde auch die Modernisierung der ICE-2-Flotte (Fahrzeuge werden u.a. auch zwischen Stuttgart und Hamburg eingesetzt) durchgeführt.
Bei den ICE-3-Flotten hätte man jedoch nach wie vor noch das Achswellenproblem. Inzwischen wären allerdings von der Industrie die entsprechenden dauerfesten Achsen entwickelt und derzeit laufe das Zulassungsverfahren beim EBA. Nach erfolgter Zulassung könnten die Achsen in die Fahrzeuge eingebaut werden. Dann müssten die ICE-3 weniger häufig zur Ultraschallprüfung in die Werkstätten, wodurch sich der verfügbare Fahrzeugbestand deutlich erhöhen würde. Es wäre dann daran gedacht, die Kapazitäten der ICE-Züge zu erhöhen. Derzeit werden mehrere gut ausgelastete Fahrlagen nur mit einem Zugteil gefahren, da an einsatzfähigen ICE-Zügen aufgrund der häufigen Werkstattaufenthalte ein Mangel bestünde.
Ebenso würde ab Ende 2013 mit dem Velario-D die neue ICE-Generation ausgeliefert, wobei insgesamt 16 Einheiten vorgesehen sind.
Bei den Neigetechnik-ICE, also den Baureihen 411 bzw. 415 sehe es jedoch nach wie vor ganz schlecht aus. Es gibt definitiv noch keine von der Industrie neu entwickelten dauerfesten Achsen. Die Restriktionen beim Einsatz dieser Fahrzeuge sind also nach wie vor hoch, eine Entspannung sei noch nicht in Sicht. Natürlich sind alle Fahrzeuge im Einsatz, ohne jedoch die Neigetechnik zu nutzen und sie müssen auch ständig in die Werkstätten zur Ultraschallüberprüfung der Achsen, was ihre Verfügbarkeit erheblich einschränke. Die 411/415 verkehren derzeit mit verminderter Geschwindigkeit hauptsächlich auf den Strecken München – Nürnberg – Jena – Leipzig – Berlin bzw. Frankfurt – Erfurt – Leipzig – Dresden.
Was den Fuhrpark des IC-Verkehrs betrifft, so läuft derzeit in den Ausbesserungswerken der DB in Neumünster und Kassel ein Modernisierungsprogramm für 700 IC-Wagen. Die Modernisierung erfolgt in den Jahren 2012 – 2014. Es handelt sich dabei um eine technische Generalüberholung, die auch zur weiteren Gewährleistung der Sicherheit erforderlich ist. Weil die Wagen ohnehin bis auf die Wagenkästen auseinandergenommen würden, werde natürlich zugleich die Innenausstattung vollständig erneuert. Vorgesehen sind neue Sitze, in der 1. Klasse aus Leder, in der 2. Klasse aus Veloursstoff, die Sitze mit verstellbaren Sitztiefen und verstellbaren Rückenlehnen und in den Großraumwagen werden Griffe an den Mittelsitzen angebracht, damit Fahrgäste, die z.B. während der Fahrt zur Toilette gehen wollen, sich besser festhalten können. Es werden auch neue Bodenbeläge eingebaut. Natürlich werden alle Wagen auch Steckdosen erhalten, da inzwischen ein großer Teil der Fahrgäste dies wünsche. (Anmerkung: In der Schweiz wird auf einigen Strecken bereits ein Nachlass gewährt, wenn die Fahrgäste ohne Handys reisen…) Die ersten modernisierten IC-Wagen werden ab Ende 2012 auf der Linie Stuttgart – Mainz – Köln – Dortmund – Hamburg eingesetzt werden, nach und nach werden dann auch die anderen IC-Linien mit den modernisierten Wagen ausgestattet.
Ebenfalls für den Fernverkehr werden derzeit 27 Doppelstock-IC-Garnituren neu gebaut. Diese Züge werden mit der Lok 146 bestückt und kosten in der Summe 360 Mio. Euro. Nachdem DB-Regio mit den Dosto-Zügen sehr gute Erfahrungen macht, könne man für den Fernverkehr ohne zeitraubende Neuentwicklungen auf der Basis der Regio-Dosto-Wagen kurzfristig neue Fahrzeuge erhalten. Natürlich werden diese eine Innenausstattung auf IC-Niveau erhalten, also nicht nur eine weiße Außenfarbe. Ihr Einsatzgebiet wäre das IC-Ergänzungsnetz. Gefahren würde dort maximal 160 km/h. Der 5-Wagen-Dosto-Zug mit BR 146 wird über 465 Sitzplätze verfügen (einen Speise – oder Barwagen wird es jedoch in diesem Zügen nicht geben).
Bestellt wurden auch 220 neue IC-X-Züge. Die Auslieferung dieser elektrischen Triebzüge für den Fernverkehr werde in den Jahren 2016 bis 2024 erfolgen, also mittelfristig. Solange könne man die 700 Wagen des IC-Fuhrparks nicht mehr ohne technische Generalüberholung einsetzen, weshalb gegenwärtig die Modernisierungsprogramme durchgeführt würden.
Im Fernverkehr bleibt das Angebot insgesamt relativ stabil, wird jedoch hier und da an die Nachfrage angepasst. Die Veränderungen stellen sich als Einzelmaßnahmen dar, die insgesamt nicht uninteressant sind. So etwa werden in Offenburg oder in Vaihingen/Enz, Günzburg oder Karlsruhe-Durlach einzelne Züge zusätzliche Halte einlegen. Erhöht wird auch das Platzangebot auf der TGV-Verbindung von Paris über Stuttgart nach München, indem auf TGV Euro Duplex umgestellt wird oder auf besonders nachfragestarke Zeiten (z.B. das Oktoberfest in München) Zusatzzüge eingesetzt werden.
Hinsichtlich der Gäubahn wurden die Veränderungen bereits in der Presse ausführlich kommunziert und deswegen an dieser Stelle nicht kommentiert. Auf der Fahrplankonferenz in Villingen am 13.09.12 wird dieses Thema sicherlich heiß diskutiert werden.
Durch bahnsteiggleiche Verknüpfungen am Fernbahnhof Frankfurt-Flughafen wird das Angebot in der Relation Stuttgart – Brüssel deutlich verbessert. Brüssel wird mit Abfahrt um 5:08 Uhr in Stuttgart bereits um 9:35 Uhr erreicht, mit Abfahrt um 5:51 Uhr um 10:32 Uhr, mit Abfahrt um 13:26 Uhr um 17:35 Uhr. Mit dem Flieger geht dies nicht wesentlich schneller, wenn man die Wartezeiten und Transferzeiten miteinbezieht.
Auf der Magistrale Paris – Bratislava wird auf der sog. Westbahn durch den Neubau einer Schnellfahrstrecke, die das Tullnerfeld und den Wiener Wald im Tunnel unterfährt, eine deutliche Fahrzeitverkürzung bei der Abfahrt ins Wiener Becken erzielt. Den Zügen steht zwischen Wels und Wien nunmehr fast durchgehend eine viergleisige Strecke zur Verfügung, wobei Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h gefahren werden. Durch den Ausbau verkürzt sich die Fahrzeit z.B. zwischen Stuttgart und Wien von 6:48 h auf 6:32 h und die Strecke wird 17 km kürzer.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Dirk B
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Re: Vorschau auf die Fahrplankonferenz am 13.09.2012

Beitrag von Dirk B »

Vielfahrer hat geschrieben:...Durch bahnsteiggleiche Verknüpfungen am Fernbahnhof Frankfurt-Flughafen wird das Angebot in der Relation Stuttgart – Brüssel deutlich verbessert. Brüssel wird mit Abfahrt um 5:08 Uhr in Stuttgart bereits um 9:35 Uhr erreicht, mit Abfahrt um 5:51 Uhr um 10:32 Uhr, mit Abfahrt um 13:26 Uhr um 17:35 Uhr. Mit dem Flieger geht dies nicht wesentlich schneller, wenn man die Wartezeiten und Transferzeiten miteinbezieht. ...
Das hört sich ja recht gut an, aber aus der Provinz hier hat man das gleiche Problem, wie mit dem Erreichen des Flughafens: wir kommen nicht rechtzeitig an! Frühestes Eintreffen aus dem Raum Singen / Tuttlingen momentan gegen 8 Uhr in Stuttgart, solange sich hier das Angebot nicht ändert sind Frühzüge nach Brüssel (und in die restliche Welt) ebensowenig zu erreichen wie Frühflüge und damit für Bahnreisende uninterressant.
Vielfahrer hat geschrieben:...Auf der Magistrale Paris – Bratislava wird auf der sog. Westbahn durch den Neubau einer Schnellfahrstrecke, die das Tullnerfeld und den Wiener Wald im Tunnel unterfährt, eine deutliche Fahrzeitverkürzung bei der Abfahrt ins Wiener Becken erzielt. Den Zügen steht zwischen Wels und Wien nunmehr fast durchgehend eine viergleisige Strecke zur Verfügung, wobei Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h gefahren werden. Durch den Ausbau verkürzt sich die Fahrzeit z.B. zwischen Stuttgart und Wien von 6:48 h auf 6:32 h und die Strecke wird 17 km kürzer.
Auch nicht schlecht, doch überlegt mal: was bedeuten bei einer Reisezeit von rund 6 1/2 Stunden schon 16 Minuten! Das ist eine Zeitersparnis von etwa 4 %. Und für welche Kosten? Hier fragt sich, ob es nicht wirklich sinnvoller wäre, Geld in mehr Verbindungen zu stecken anstatt in teuere Hochgeschwindigkeitsstrecken, die letztendlich nur wenigen wirklich etwas bringen.

Grüße
Dirk (der weiß, dass das wieder eine nette Diskussion auslösen wird...)
NACHDENKEN, liebe Leute, nicht NACHPLAPPERN!
Vielfahrer
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Re: Vorschau auf die Fahrplankonferenz am 13.09.2012

Beitrag von Vielfahrer »

Vielfahrer hat geschrieben:...Auf der Magistrale Paris – Bratislava wird auf der sog. Westbahn durch den Neubau einer Schnellfahrstrecke, die das Tullnerfeld und den Wiener Wald im Tunnel unterfährt, eine deutliche Fahrzeitverkürzung bei der Abfahrt ins Wiener Becken erzielt. Den Zügen steht zwischen Wels und Wien nunmehr fast durchgehend eine viergleisige Strecke zur Verfügung, wobei Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h gefahren werden. Durch den Ausbau verkürzt sich die Fahrzeit z.B. zwischen Stuttgart und Wien von 6:48 h auf 6:32 h und die Strecke wird 17 km kürzer.
Auch nicht schlecht, doch überlegt mal: was bedeuten bei einer Reisezeit von rund 6 1/2 Stunden schon 16 Minuten! Das ist eine Zeitersparnis von etwa 4 %. Und für welche Kosten? Hier fragt sich, ob es nicht wirklich sinnvoller wäre, Geld in mehr Verbindungen zu stecken anstatt in teuere Hochgeschwindigkeitsstrecken, die letztendlich nur wenigen wirklich etwas bringen.

Grüße
Dirk (der weiß, dass das wieder eine nette Diskussion auslösen wird...)[/quote]

Hallo Dirk,
Deine Rechnung mit den 4% ist zwar richtig und diese Maßnahme für sich allein betrachtet bringt es tatsächlich nicht. Aber sollte man etwa warten, bis alle Maßnahmen auf dieser Magistrale zusammen umgesetzt werden? Die Strecke wird in Frankreich durch den Vogesentunnel deutlich schneller, sie wird zwischen Stuttgart und Ulm und später auch zwischen Ulm und Augsburg schneller. München - Augsburg ist inzwischen zwar fertig, die Fahrzeitgewinne verbleiben aber als Reserve, auf der Westbahn kommt jetzt "nur" eine Viertelstunde Zeitgewinn zum Tragen. Entscheidend ist die Gesamtkonzeption und da wird sich noch Vieles tun, um den Begriff der europäischen Magistrale von Paris nach Bratislava zu strapazieren. Ich bin als Vielfahrer ein ausgesprochener Anhänger von Fahrzeitverkürzungen (Eigeninteresse). Im Hinblick auf die aufkommenden Fernbussen sehe ich darin sogar eine absolute Notwendigkeit.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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