Container-Umschlag in Deißlingen Thema bei IHK

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
Vielfahrer
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Re: Container-Umschlag in Deißlingen Thema bei IHK

Beitrag von Vielfahrer »

Vielleicht ist es am besten, wenn möglichst viele auf das Fahrrad umsteigen, um den vermutlich auch im Stau stehenden Bussen ein Schnäppchen zu schlagen und obendrein noch was für die Gesundheit zu tun. Die Sperrung soll ja von April bis Oktober dauern, also während der Fahrradsaison.
Den Zollhäusleweg nur für den Bus zu haben, hielte ich wie Du für sinnvoll, aber auch für unrealistisch. Wahrscheinlich werden die Busse im Stau stecken und dann an vielen Orten Anschlüsse verpassen, wo gar keine Bauarbeiten sind, sich verspätete Umläufe aber auswirken.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Re: Container-Umschlag in Deißlingen Thema bei IHK

Beitrag von Vielfahrer »

Das Verkehrsministerium erarbeitet derzeit ein Güterverkehrskonzept für Baden-Württemberg. In mehreren Regionalforen sollen Unternehmen und Experten unter Mitwirkung der IHKs und des Fraunhofer-Instituts, der Logistikwirtschaft usw. verschiedene Themen diskutieren. Bei einem ersten Regionalforum geht es speziell um die Herausforderungen in ländlich geprägten Räumen und die daraus hervorgehenden Hemmnisse und Potenziale des Kombinierten Verkehrs. Mal sehen, ob für das Projekt Containerbahnhof in Deißlingen Mittelhardt (=Trossingen DB-Bahnhof) sich positive Aspekte ergeben.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Re: Container-Umschlag in Deißlingen Thema bei IHK

Beitrag von Vielfahrer »

Die Veranstaltung in Ehingen/Donau zum Thema „Kombinierter Verkehr – Herausforderungen und Potenziale im ländlichen Raum“ war durchaus spannend. Ungefähr 50 Experten von verladender Wirtschaft, Regionalplanung, Kommunen, Land und Wissenschaft waren anwesend und diskutierten 4 Stunden lang unter Leitung von Moderatoren des Fraunhofer-Instituts und der Hochschule Heilbronn sowie von SSP-Consult, wie die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft im Güterverkehr anzugehen sind.

Die Tagung war Teil eins einer Reihe von Expertengesprächen, die durchgeführt werden, um gegen Ende des Jahres für Baden-Württemberg ein neues Güterverkehrskonzept auf die Beine zu stellen.

Zunächst referierte der Projektleiter Prof. Dr. Bernecker von der Hochschule Heilbronn über den Stand der Arbeiten am Güterverkehrskonzept. Rund 50% der Wegstrecke habe man schon zurückgelegt, indem man die Handlungsfelder identifiziert habe. Interessant, dass in Baden-Württemberg Deutschlands stärkst befahrene Streckenabschnitte auf Straße wie auf der Schiene liegen. Die A 5 bei Karlsruhe muss werktäglich 21.000 LKW verkraften. Nirgendwo gibt es in Deutschland eine höhere Anzahl. Auch auf der Schiene laufen im Rheintal am Tag 260 Güterzüge. Keine andere Bahnlinie in Deutschland weist solche Belastungen auf. Nun gibt es das Klimaschutzszenario 2030 und alles fragt sich, was passieren wird. Es ist davon auszugehen, dass der LKW durch Anlastung externer Kosten noch teurer wird, die Schiene tendenziell preiswerter, aber alle Prognosen sagen auch voraus, dass es am Modal-Split deswegen keine Veränderung geben wird. Rund 70 bis 75 % des Güterverkehrs wird weiterhin auf der Straße laufen.

Prof. Dr. Bernecker betrachtete aber „den Güterverkehr“ mal näher. Im Binnenverkehr in Baden-Württemberg liegt 98 % auf der Straße, 1% auf der Schiene und 1% auf dem Binnenschiff, also praktisch fast 100% der Transportleistung wird auf der Straße durchgeführt. Im Quelle-/Zielverkehr innerhalb Deutschlands, also von Baden-Württemberg nach den anderen Bundesländern oder umgekehrt, sinkt der Anteil des LKW’s auf 73% und es steigt der Anteil der Bahn auf 20% und der des Binnenschiffs auf 7 %. Bei den eigentlichen lang laufenden Verkehren, nämlich den Verkehren ins Ausland, reduziert sich der LKW-Anteil auf 54 %, die Schiene erreicht hier 36% und das Binnenschiff 10 %, was hauptsächlich den Baseler Rheinhäfen geschuldet ist.

Die Aufgabe des Güterverkehrskonzepts ist es, alle Verkehrsträger zu betrachten, sie zu vernetzen (z.B. den kombinierten Verkehr zu fördern), einen branchenübergreifenden Austausch zu organisieren und auch im Spannungsfeld von EU und kommunaler Bauleitplanung die für den Güterverkehr notwendigen Flächen zu sichern und schließlich eine digitale Plattform zu schaffen.

Wesentliche Aspekte sind die Leistungsfähigkeit, der freie Netzzugang, die Kostenstruktur, Innovationen im Wettbewerb (der durchschnittliche LKW ist 4 Jahre alt, das durchschnittliche Binnenschiff ist älter als 60 Jahre!), Berücksichtigung externer Faktoren (Bedarfspläne des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, europ. Marktregulierungen usw.).

Prof. Dr. Bernecker nannte auch folgende Durchschnittswerte: In Baden-Württemberg fahren im Durchschnitt innerhalb 24 Stunden auf einer Autobahn 11.300 LKW, auf einer Bundesstraße 1.300 LKW und auf einer Landesstraße 340 LKW. Diese Verteilung ist sinnvoll. Bei der Schiene informierte er über das 740-Meter-Netz der Bahn, also über Bahnlinien, auf denen 740-m lange Güterzüge verkehren können. Es handelt sich logischerweise um die Strecken von Mannheim über Karlsruhe nach Basel und von Bruchsal über Stuttgart nach Ulm sowie von Würzburg nach Stuttgart. Wegen Rastatt 2017 habe man auch Ausweichstrecken im Visier. Deswegen wird auch Karlsruhe – Pforzheim – Stuttgart für einen 740-m-Zug ertüchtigt. Und dann gibt es noch die Strecke Kornwestheim – Renningen – Böblingen. Alle anderen Strecken lassen solche langen Güterzüge auch in Zukunft nicht zu.

Der Güterverkehr erfordert für den Umschlag Flächen, überhaupt müsse man auch den ruhenden Verkehr (abgestellte LKW) sehr viel stärker betrachten. Bei der Schiene geht es um Gleisanschlüsse, um Landestellen, um Terminals für den kombinierten Verkehr. Bei den Wasserstraßen liegt das Problem darin, dass sie etwa 80 Jahre alt sind und erneuert werden müssten.

Soll man Gleisanschlüsse fördern oder den kombinierten Verkehr stärken?
Er berichtete über Förder-Richtlinien. 50% gibt es für neue Gleisanschlüsse. Ersatzinvestitionen in vorhandene Gleisanschlüsse hingegen werden nur unter bestimmten Bedingungen gefördert, etwa muss nachgewiesen werden, dass die durchschnittliche Transportweite dann größer als 50 km ist. Ganz problematisch sei, dass nur ab der Schnittstelle gefördert würde, während die Anschlußweiche ins öffentliche Netz nicht gefördert würde. Dort würde die Bahn teilweise mehrere Millionen Euro berechnen, weil eine bessere Anschlußweiche dann gleich mit genutzt wird, um Stellwerke usw. auf Vordermann zu bringen. Das wäre dann so teuer und würde nicht bezuschusst, so dass die Gleisanschlüsse letztlich austrocknen würden.

Ein vernachlässigter Aspekt sei auch die Energieversorgung bzw. die gesamte Versorgungsinfrastruktur, insbesondere wenn man etwa an zukünftige elektrisch betriebene LKW denkt.

Ein Blick in den benachbarten Alpenländer zeigt auch, dass dort der kombinierte Verkehr aus Umweltgründen subventioniert wird. Folgende Zahlen habe ich mir notiert: Im kombinierten Verkehr wird derzeit jede Sendung durch die Schweiz mit 128 CHF bezuschusst, was einer Förderquote von ca. 10% entspricht. Rund 150 Mio. Euro stellt die Schweiz dafür pro Jahr zur Verfügung, was pro Tag für 45 LKW im Transit durch die Schweiz reicht (etwa Köln – Milano). Der Betrag wird allerdings zukünftig stark abgeschmolzen werden. Bis 2023 werden mit nur noch 55 Mio. € die Förderungen auf etwa 1/3 heruntergefahren werden. Sie liegen dann in der Größenordnung von Österreich, wo etwa 3% der Transportkosten bezuschusst werden. Das österreichische Beispiel ist interessant, weil Österreich im Gegensatz zur Schweiz EU-Mitglied ist, eine entsprechende Regelung also auch in Deutschland möglich sein müsste. Ferner ging es um autonomes Fahren (auf langen Strecken), um die Fußgängererkennung beim Queren von Fahrbahnen, um ECTS und um den Verkehr in der dritten Dimension, also um Drohnen oder Tunnelsysteme im Gütertransport.

Dem kombinierten Verkehr werden 4% Wachstum pro Jahr prognostiziert bis etwa 2030. 559.000 Ladungseinheiten wurden für Baden-Württemberg im kombinierten Verkehr als Potential ermittelt. Rund 350.000 könnten im Prinzip auf die vorhandene Infrastruktur passen. Bei 140.000 Ladungseinheiten mangelt es an Vor- und Nachläufen und bei 69.000 Landungseinheiten am Vorhandensein geeigneter Terminals. Weitere 247.000 Ladungseinheiten sind dem Streuverkehr zuzurechnen.

Die Situation in Baden-Württemberg ist so, dass das Land in die vier Bereiche Nord / Stuttgart / Südwest und Ost eingeteilt wird. Im Norden wurden 1.138 Ladungseinheiten/Tag prognostiziert, es sind ca. 1300 geworden. In Stuttgart wurden 375 prognostiziert, es sind 306, im Südwesten waren 401 die Prognose, es sind 385 und im Osten Baden-Württembergs wurden 161 prognostiziert, es sind 195/Tag.
In der Ortenau werden noch größere Potentiale vermutet, weshalb in Lahr ein kombinierter Umschlagbahnhof entstehen soll. Ein zusätzliches Terminal wird auch im Osten für dringend notwendig angesehen, da DUSS in Ulm-Dornstadt deutlich über seiner Kapazitätsgrenze arbeite und oftmals zu 150% ausgelastet wäre. Auch in Stuttgart wird ein neuer Standort für notwendig erachtet.

Die Tagung befasste sich dann nach diesem Input mit der Situation im ländlichen Raum. Es war hochinteressant, was die Spediteure berichtet haben, sei es aus Ulm oder Singen (Hupac), von Ostrach oder andernorts. Man könnte fast sagen, dass die Zustände im Güterverkehr eine Blaupause der Unzuverlässigkeit im SPNV und SPFV sind, allerdings mit dem Unterschied, dass keine „Fahrgastrechte“ in Anspruch genommen werden können. Morgens um 5 Uhr erfahre der Spediteur, dass beispielsweise verschiedene Züge nicht kommen würden oder krass verspätet wären. Dann müsse er seine Touren umplanen. Manchmal hieße es, der Zug treffe um 13 Uhr ein, aber dann wäre das Umschlaggleis mit einem anderen Zug bis 17 Uhr belegt und die Container könnten nicht abgeladen werden. Die LKW-Fahrer stünden Schlange und drehten Däumchen (und verursachen Kosten für sinnloses Warten) und dann, wenn sie an der Reihe wären, wäre die Tagesschicht zu Ende und der Transport könnte nicht mehr ausgeführt werden. Die Sozialräume an den Umschlagbahnhöfen würden mit Ende des Umschlags abgeschlossen und das Personal stünde im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Als mit Abstand größter Mangel beim Gütertransport wurde die Unzuverlässigkeit der Bahn identifiziert. Als Spediteur müsse man es sich schon überlegen, ob man sich bzw. seine Kunden diesem Ärger aussetzen wolle. Für notwendig wurde erachtet, dass man zuverlässige Informationen erhält, wann Sendungen des kombinierten Verkehrs verfügbar sind (etwa so, wie man sich in der Schweiz über die prognostizierte Auslastung von Personenzügen im Internet jederzeit informieren kann). Hier könnte eventuell die KI (künstliche Intelligenz) weiterhelfen, die ja die Abläufe registrieren könne und gute Prognosen für jede Lage erstellen könne. Teilweise helfen sich die Spediteure damit, dass sie bestimmte Wechselbehälter mit Sendern ausgestattet haben und die dann orten können, es bleibt aber das Problem der letzten Meile, dass nämlich der Güterzug unmittelbar vor dem Umschlagbahnhof stehen bleibt, weil z.B. der Lokführer Schichtzeitende hat und ein anderer nicht kurzfristig aufgetrieben werden kann oder die Gleise noch mit früheren Zügen belegt sind. Wenn ein Spediteur dann 15 LKW am Containerbahnhof stehen hat, die vielleicht 3 oder 4 Stunden noch warten müssen, bis sie ihre Container aufgeladen bekommen, dann geht das massiv ins Geld, da die Fahrer für’s Däumchendrehen bezahlt werden müssen.
Kurz zusammengefasst, das System funktioniert nicht richtig – und zwar bahnseitig. Erschwerend kommt hinzu, dass inzwischen nicht nur die DB sondern auch andere Anbieter Güterzüge laufen lassen und die Informationsquellen nicht harmonisiert sind.
Interessant war, dass Spediteure anwesend waren, die sehr viel über die Schiene versenden, vorwiegend in Ulm und Singen, da die Tagung in Oberschwaben stattgefunden hat. Im Güterverkehr ändern sich die Zeiten aber viel schneller als wir das vom Personenverkehr gewöhnt sind. So etwa verkündet Trumpp gegen China Handelsbarrieren, die führen dazu, dass plötzlich ein Spediteur aus Oberschwaben Milchprodukte aus Oberschwaben nach China organisieren muss. Er kann natürlich nicht viel investieren, weil bei Rücknahme des Embargos das Geschäft wieder verschwindet usw.
Für mich neu war auch der Unterschied zwischen Seecontainern und anderen Containern. Die Seecontainer sichern die beförderten Waren ja manchmal über mehrere Wochen, während Landcontainer heute hier, morgen dort genutzt werden. Deshalb müssen Seecontainer zu Leer-Container-Lagern zur Inspektion gefahren werden und gegenläufige Verkehre sind eher nicht möglich, Dreiecksverkehre schon gar nicht.

Die Arbeiten am Güterverkehrskonzept werden fortgesetzt. So kommt es noch zu mehreren Tagungen in Weil am Rhein, Heilbronn, Reutlingen, Ulm usw. bei denen bestimmte Aspekte vertieft werden.

Haupt-Credo der Spediteure war die ungenügende Zuverlässigkeit der Bahn. Der Preis wurde in den Diskussionen nicht als entscheidendes Hindernis erachtet.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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