NZZ-Podium zur Eisenbahn

Sonstiges, worüber man sich das "Maul" zerreisen kann.
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Vielfahrer
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NZZ-Podium zur Eisenbahn

Beitrag von Vielfahrer »

Während in der Luftfahrtindustrie die national carriers ihre einstige Bedeutung eingebüsst haben, sind, Globalisierung hin oder her, Eisenbahngesellschaften wie DB, SBB oder ÖBB noch immer ein facettenreiches Abbild ihrer Nationalstaaten. Warum beispielsweise sind japanische Züge immer pünktlich und deutsche nur manchmal? Ist es ein Zufall, dass ausgerechnet die Franzosen den train à grande vitesse erfunden haben? Weshalb lieben die Schweizer ihre Bahnen? Und was bedeutet eigentlich die Digitalisierung für die 166 Bahnhöfe der 1924 gegründeten Berliner S-Bahn? Eine Spezialausgabe zu europäischen Bahnidentitäten und der Frage, wie und warum uns die Bahn heute und in Zukunft bewegt.

Die NZZ lädt zu einer Podiumsdiskussion ein. Das Einführungsreferat wird der Schriftsteller Adolf Muschg, wohnhaft in Berlin und Zürich halten. Auf dem Podium diskutieren Peter Buchner, Vorsitzender der Geschäftsführung und Geschäftsführer Marketing der S-Bahn Berlin GmbH. Eric Cosandey, CEO von SMA+Partner AG aus Zürich, Renate Künast, Abgeordnete des Deutschen Bundestags in Berlin, Oliver Schwedes, Professor für integrierte Verkehrsplanung der Technischen Universität Berlin. Die Moderation übernimmt Luzi Bernet, stellvertretender Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung.

Die Veranstaltung findet am 13. September 2017 im Deutschen Technikmuseum in Berlin, Trebbiner Straße 9 statt. Die Diskussionsveranstaltung geht von 18:30 bis 20:15 Uhr, anschließend Apéro und Führung durch die Lokschuppen.

Man muss sich anmelden bis zum 12. September auf der Webseite www.podium-berlin.nzz.ch

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: NZZ-Podium zur Eisenbahn

Beitrag von Vielfahrer »

Leider konnte ich nicht am NZZ-Forum in Berlin teilnehmen, da ich einen anderen Termin schon vor Wochen zugesagt hatte. Heute nun berichtet die NZZ über den Verlauf des Podiums. Wie immer berichtet die NZZ sehr ausführlich und verständlich. Einige Beiträge von Podiumsmitgliedern sind in der NZZ nachzulesen:

Wie kann die Deutsche Bahn in einer globalisierten und zunehmend automatisierten Welt ihre Zukunftsfähigkeit erhalten? Diese Frage stand im Zentrum der jüngsten Ausgabe des NZZ-Podiums Berlin zum Thema «Eisenbahn». Die Gesprächsrunde fand am Mittwochabend im Deutschen Technikmuseum statt und stand unter der Leitung des stellvertretenden NZZ-Chefredaktors Luzi Bernet.

«Gleich lange Spiesse für alle»

Das Einführungsreferat hielt der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg, der eine Art Liebeserklärung an die Eisenbahn vortrug. «Es muss erlaubt sein, die Bahn nicht als mehr oder weniger günstiges oder konkurrenzfähiges Transportmittel zu betrachten, sondern als Lebensform, als Errungenschaft eigenen Rechts und Testfall unseres Umgangs mit Raum und Zeit», sagte Muschg. (Ist übrigens auf DSO nachzulesen).

Die Diskussion drehte sich unter anderem um die Frage, unter welchen politischen und technischen Rahmenbedingungen die Eisenbahn ihre Stärken auch in Zukunft ausspielen kann. Die Bahn sei ein wichtiges Instrument, um die Klimaziele zu erreichen, sagte Renate Künast, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen. Damit die Menschen nicht mehr so oft ins Auto oder ins Flugzeug steigen, brauche es finanzielle Anreize. Die ehemalige Ministerin im Kabinett Schröder forderte deshalb gleich lange Spiesse für alle Verkehrsträger. Sie sprach sich für eine stärkere Besteuerung des Flugverkehrs und eine Maut für Fernbusse aus.

Stärkung des Regionalverkehrs?

Oliver Schwedes, Professor für Integrierte Verkehrsplanung an der Technischen Universität Berlin, pflichtete Künast bei und sagte: «Die Politik muss einen Paradigmawechsel vollziehen.» Auto, Fernbusse und Billig-Airlines setzten der Bahn zu. Unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen sieht der Verkehrsforscher «schwarz» für die Bahn. Im Zuge der Bahnprivatisierung sei das Angebot in der Fläche ausgedünnt worden, was mitunter zu einem Attraktivitätsverlust geführt habe. Um die Akzeptanz der Bahn zu verbessern, sei eine Stärkung des Regionalverkehrs notwendig, sagte Schwedes.

Peter Buchner erteilte dieser Forderung eine Absage. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Berliner S-Bahn, die zur Deutschen Bahn (DB) gehört. Buchner stellte klar, dass die DB als selbständiges Verkehrsunternehmen Kosten und Ertrag in Einklang bringen müsse. In städtischen Ballungsräumen und auf Fernverkehrsverbindungen unter vier Stunden sei die Bahn nahezu konkurrenzlos. Im Regionalverkehr und in ländlichen Gebieten jedoch arbeite die demografische Entwicklung gegen die Bahn. Deshalb werde die Stilllegung von unrentablen Bahnverbindungen geprüft. Statt Züge könnten in Zukunft selbstfahrende Busse die Beförderung der Fahrgäste auf diesen Strecken übernehmen, sagte der S-Bahn-Chef.

Das Volk trägt die Bahn

In einer globalisierten Welt legen die staatlichen Eisenbahnunternehmen den Fokus noch immer auf den Heimmarkt, wie Eric Cosandey zu bedenken gab. Entsprechend gering sei der grenzüberschreitende Personenverkehr in Europa. Cosandey ist CEO der Zürcher SMA und Partner AG, die Eisenbahnsystemplanung weltweit betreibt. Für ihn ist ebenfalls klar: «Die Bahn ist beim Transport von vielen Menschen zwischen Ballungsräumen unschlagbar.» Jedoch dürfe man die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen. Wettbewerb sei zwar zu begrüssen, aber ohne staatliche Unterstützung seien die Voraussetzungen für ein attraktives und wirtschaftliches Bahnangebot nicht gegeben. In der Schweiz habe der starke Rückhalt in der Politik und Bevölkerung entscheidend dazu beigetragen, dass die SBB eine Erfolgsgeschichte werden konnten, so Cosandey.
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