Sitzung des Interessenverbands Gäubahn am Montag

Alles zur Strecke Stuttgart - Singen kann hier rein.
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Sitzung des Interessenverbands Gäubahn am Montag

Beitrag von Vielfahrer »

Am kommenden Montag um 10 Uhr tagt der Interessenverband Gäubahn in Stuttgart. Themen sind der Bundesverkehrswegeplan (Ausbau der Gäubahn), die Führung der Gäubahn über den Flughafen Stuttgart und der Einsatz von Neigetechnikzügen auf der Gäubahn nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrags mit der DB (2026).

Leider zum gleichen Zeitpunkt tagt auch der Interessenverband Südbahn in Ravensburg. Dort geht es um die Elektrifizierungsarbeiten und den erforderlichen Schienenersatzverkehr.

Und auf einer weiteren Sitzung wird beim Zweckverband Ringzug am Mittwoch kommender Woche über die Zukunft des Ringzugs (SMA-Gutachten) informiert.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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Re: Sitzung des Interessenverbands Gäubahn am Montag

Beitrag von Vielfahrer »

Bis auf den letzten Platz besetzt war der Große Sitzungssaal, welcher dem Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn vom Verband Region Stuttgart für die jährliche Sitzung des Interessenverbands zur Verfügung gestellt wurde.

Der Verbandsvorsitzende Justizminister Guido Wolf eröffnete die Sitzung und gab zugleich seiner Freude über das ausgesprochen hohe Interesse an der Sitzung zum Ausdruck. Der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas Bopp begrüßte dann als Hausherr die zahlreichen MdB, MdL, Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister, die Kollegen der Regionalverbände sowie die Gäste aus der Schweiz. Zugleich stellte er fest, dass die Region Stuttgart voll und ganz hinter der Flughafenanbindung der Gäubahn stehe. Weiter erklärte er, dass der Verband Region Stuttgart entsprechend der Schlichtung bei S 21 sich für eine Nachnutzung der Gäubahn ausgesprochen habe. Fakt sei, dass die Gleise der Stadt Stuttgart gehören würden, aber es sei einhellige Meinung aller Beteiligten, dass die Gleise der sog. Panoramabahn liegen bleiben sollten. Die Planungen zur Nachnutzung der Panoramabahn sei keine Alternativplanung zur Flughafenanbindung der Gäubahn, sondern es gehe um eine Tangente im Nahverkehr, etwa von Stuttgart-Vaihingen aus nach Stuttgart Nord – Feuerbach – Zuffenhausen – Ludwigsburg / Bietigheim oder Bad Cannstatt. Keine Variante ginge davon aus, dass man über die Panoramabahn wieder in einen Kopfbahnhof Stuttgart fahren würde, zumal die Stadt Stuttgart die Gleise für eine entsprechende städtebauliche Nutzung heraushaben möchte. Man dürfe sich auch nicht durch notwendige Interimslösungen irritieren lassen. Klar sei nämlich auch, dass, sollte eine Zeit lang kein Zug über die Panoramabahn verkehren, sich jede Menge Rechtsanwälte finden lassen, die dann ein für allemal der Panoramabahn das Aus bescheren dürften.

Danach erläuterte Dr. Kristian Weiland von DB-Netz nochmals, wie es zur Aufnahme der Gäubahn in den Bundesverkehrswegeplan als neues Projekt kam. Es wurde ein Nutzen/Kosten-Faktor von 2,7 ermittelt, der allerdings hauptsächlich auf den Güterverkehr zurückzuführen sei. Man werde nun eine „mikroskopische“ Nutzen/Kostenanalyse erstellen, die Voraussetzung für den Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung mit dem Bund sei, um die Planungen vorantreiben zu können. Dabei werde die Geschwindigkeitserhöhung eingehen, die Singener Kurve, die Blockverdichtungen, und die drei Doppelspuren. Das Gutachten des Bundes hätte ergeben, dass die Fahrzeitverkürzung nur mit einer Investition von 1,35 Mrd. Euro möglich wären und damit ein Nutzenüberschuss sehr unwahrscheinlich sei. Dafür habe dann das Land eine eigene Studie erarbeiten lassen, die auf der Neigetechnik basiere. Hier erreiche man die Fahrzeitziele mit einer Investition von 280 Mio. Euro., es wären aber im Bundesverkehrswegeplan 550 Mio. Euro hinterlegt, weil man zusätzlich noch den Nordkopf des Oberndorfer Bahnhofs umbauen wolle und die Eckhöhen für den Güterverkehr ausbauen wolle.

Dr. Weiland hofft, dass die mikroskopische Bewertung seitens der DB innerhalb des nächsten halben Jahres zu schaffen sei, danach würde der Bund sich damit befassen und dann ggf. die entsprechenden Planungsmittel freigeben.

Er wies auch darauf hin, dass es sich bei der Gäubahn um eine Maßnahme nach der Bedarfsplan-Umsetzungsvereinbarung handele, was bedeute, dass die DB Anreize erhalte, kürzer und kostengünstiger zu bauen. Wenn nämlich die Vorplanung abgeschlossen sei, würden pönalisierte Terminpläne vereinbart, außerdem würde in Höhe von 8 % ein Eigenmittelanteil der DB eingeführt, damit kostengünstiger gebaut würde. Bislang sei es oft so gewesen, dass die DB gebaut hätte und dann anderen die Rechnungen präsentiert hätte. Mit der Eigenbeteiligungsquote von 8 % sei für die DB ein Anreiz gegeben kostensparend zu arbeiten. Im Laufe des Prozesses werde es dann zu einem Bürgerbeteiligungsverfahren kommen, bei welchem durchaus noch Aspekte aus örtlicher Sicht (z.B. Lärmschutz usw.) eingebracht werden könnten.

Der Verbandsvorsitzende des Interessenverbands Gäubahn erinnerte daran, dass er sich an der Begrifflichkeit stoße, dass es sich um eine neue Maßnahme handele. Die Gäubahn sei schließlich schon im alten Bundesverkehrswegeplan aufgenommen gewesen. Neu sei für ihn allenfalls, dass die Gäubahn jetzt im Haushalt mit 550 Mio. € hinterlegt sei. Er erkundigte sich dann danach, ob Horb-Neckarhausen isoliert von der Gesamtmaßnahme gesehen werden könne. Es gäbe ja schon Hinweise, dass das Baurecht hier bald vorliegen werde und dann umgehend ein Finanzierungsvertrag abgeschlossen werden könne.

Der Rottweiler Oberbürgermeister Bross wollte wissen, wie der Zeitplan für die weiteren Planungen aussieht. „Sprechen wir von 2 Monaten oder 2 Jahren?“ wolle er wissen. Dr. Weiland erläuterte, dass die Planungen für den weiteren Ausbau frühestens Ende 2018 möglich seien. Es handele sich um ein Regelverfahren. Für die Doppelspur Horb – Neckarhausen hingegen sei im Januar 2018 mit dem Planfeststellungsbeschluss zu rechnen.

Verbandsvorsitzender Minister Guido Wolf führte dann aus, dass es ihm so vorkäme, dass immer dann, wenn es um Kosteneinsparungen gehe, nahezu reflexartig die Anbindung der Gäubahn an den Flughafen in Frage gestellt würde. Wolf schloss sich den deutlichen Worten von Thomas Bopp vom Verband Region Stuttgart an, dass keinesfalls die Führung der Gäubahn über den Flughafen in Frage gestellt werden dürfe. Er stellte fest, dass die Gäubahn-Anlieger zur Anbindung an den Flughafen stehen. Die vom Land erarbeitete Lösung mit einem dritten Gleis sei ein Kompromiss. Das sei festgelegt und vertraglich abgesichert.

Minister Wolf bat nun den Vertreter Dr. Florian Bitzer von der DB, zur Situation am Flughafen Stellung zu nehmen. Dr. Bitzer führte aus, dass für die DB die Einbindung der Gäubahn in den Knoten am Flughafen nicht zur Diskussion stünde. Die Gäubahn via Panoramabahn würde gekappt. Die DB werde sich nicht aus den Verpflichtungen stehlen. Für den Planfeststellungsabschnitt 1.3.a mit der Station unter der Messepiazza bestünde Planrecht. Es gäbe aber noch im Bereich Plieningen Brückenbauwerke, mit denen man sich befassen müsse.

Zur Einbindung der Gäubahn in den Flughafenbahnhof (Abschnitt 1.3.b) sei die Einwendungsfrist am 15.09.17 verstrichen. Einwendungen sind gekommen, die Verarbeitung läuft, es wären keine überraschenden Einwendungen dabei gewesen. Die Bearbeitung könne wahrscheinlich im Laufe des 1. Quartals 2018 abgeschlossen werden, um dann Ende des 1. Quartals den Erörterungstermin zu setzen.

Er erläuterte weiter, dass die Rohrer Kurve mit entsprechenden Überwerfungen gebaut würde, so dass die Ausfahrt vom Flughafen auf die Gäubahn kreuzungsfrei die S-Bahn zum Flughafen überqueren werde. Im Bereich der Ortslage von Leinfelden-Echterdingen würde man die Gleistrasse aufweiten und im Bereich des Bahnhofs Leinfelden eine doppelte Überleitungsverbindung schaffen, falls Störungen im Betrieb eintreten sollten. Ferner solle die Filder-S-Bahn mit neuer zeitgemäßer Leit- und Sicherungstechnik ausgestattet werden.

Hinsichtlich der baubedingten Unterbrechungen der Gäubahn sei es so, dass die DB bestrebt wäre, die Unterbrechung so kurz wie möglich zu halten. Es blieb allerdings offen, ob es sich um Wochen, Monate oder gar Jahre handele. Dr. Bitzer erwähnte, dass das Land Baden-Württemberg ja den Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen für einen Dauerbetrieb herrichten würde. Dessen Fertigstellung wird um 2020 erfolgen. Dann könnten ja auch die Fernzüge dort als Endpunkt während der Bauphase halten (Umstieg auf die S-Bahn zum Hbf). Dr. Bopp vom Verband Region Stuttgart wies auch darauf hin, dass es sich bei der Station Flughafen nicht nur um den Flughafen handele. Vielmehr sei dies ein dringend notwendiger Verknüpfungspunkt etwa auch mit der Stadtbahn, die zukünftig auch dorthin verkehren wird, eine neue Verkehrsdrehscheibe schlechthin. Ferner läge dort der Fernbusbahnhof. Die Stammstrecke der S-Bahn sei nicht mehr aufnahmefähig während der HVZ, also müsse man andere tangentiale Verbindungen ausbauen, deswegen auch die Verbindung vom Flughafenbahnhof der Gäubahn in Richtung NBS nach Nürtingen. Derzeit würden ca. 400.000 Fahrgäste/Tag das Stuttgarter S-Bahn-Netz nutzen. Eine zweite Stammstrecke, wie sie in München geplant wird, wäre in Stuttgart nicht möglich, auch nicht der Bau von Außenbahnsteigen an der Stammstrecke, um z.B. den Fahrgastwechsel zu beschleunigen. Man werde deshalb bei der Anbindung der Gäubahn an den Flughafen bleiben.

Dr. Bitzer führte aus, dass dies fahrdynamisch usw. alles schon geklärt sei. Der Ausbau der Stadtbahn sei auch notwendig, weil im Zuge der Einschleifung der Gäubahn in den Filderbahn und der Trassenaufweitungen es zu einem baubedingten Unterbruch der S-Bahn für eine geraume Zeit käme. Geprüft werde auch, ob das Gleis 2 am Flughafen nicht für Fahrten von der Gäubahn in Richtung NBS genutzt werden könnte (bislang geht man von einer einspurigen Stelle der Gäubahn im Bereich des Flughafenbahnhofs (Gleis 3) aus.

Minister Wolf wollte von Dr. Bitzer eine Aussage zum Umfang der zeitlichen Unterbrechungen. Dr. Bitzer erklärte, dass er hier ein Kommunikationsproblem habe. Am 13.12.17 würde die Aufsichtsratssitzung des DB-Konzerns sich mit der Thematik befassen, weshalb er um Verständnis bat, hier nichts dazu vorneweg sagen zu können.

MdB Gastl, ein profunder Kenner der Bahnthematik wollte von Dr. Bitzer wissen, wieviele Fernverkehrszüge zukünftig am NBS-Flughafenbahnhof halten werden. Ferner erkundigte er sich nach dem Erdaushub in Leinfelden und der Zwischenlagerung von Aushubmaterial bei der Rohrer Kurve. Außerdem regte er an, die Flughafenanbindung generell auf vielleicht noch bessere Lösungen zu untersuchen.

Minister Wolf kommentierte dies so, dass es darum gehen müsse, nicht nur in eine bestimmte Richtung zu denken sondern dass im Zweifel alle Lösungen, nicht nur ein autobahnnaher Flughafenbahnhof, auf den Tisch müssten, etwa auch die Lösung „Filderbahnhof plus“, die für den Fahrgast günstigste Variante.

Dr. Bitzer antwortete, dass am NBS-Filderbahnhof keine Überholungen vorgesehen sein. Wieviele Züge dort halten werden, das sei Sache von DB-Fernverkehr. Was den Erdaushub in Leinfelden betreffe, so würde man gerade die Einwendungen bearbeiten, gerade auch zur Thematik Erdbau. Er könne die Erörterungstermine nicht vorweg nehmen. Man müsse da auf das formale Verfahren setzen. Abschließend eräuterte Dr. Bitzer noch, dass die Anschlussbauwerke 1.3.a und 1.3.b wie vorgesehen geplant wären.

Der Abteilungsleiter Verkehr des Landes Baden-Württemberg, Herr Gerd Hickmann, führte aus, dass er – anders als Herr Dr. Bitzer – sich zu den Terminplänen äußern könne. Klar sei, dass es zu einem zeitlichen Versatz kommen werde. Vermutlich mehrere Jahre wird die Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen enden. Das Land hat allergrößtes Interesse an einer möglichst kurzen Unterbrechungszeit, wie im Übrigen DB-Fernverkehr auch, die ja ab kommender Woche einen eigenwirtschaftlichen Fernverkehr auf der Gäubahn im Stundentakt betreiben würde. Dr. Thomas Bopp führte aus, dass, nachdem ja S 21 nun erst Ende 2024 in Betrieb genommen werden soll, man ja noch 7 Jahre hätte, den Flughafenanschluss zu bauen, das sollte dann schon reichen. Einige Monate an Unterbrechung könne man tolerieren, viel mehr aber nicht.
Ein Redner meinte auch, dass ständige Umplanungen zu Zeitverzögerungen und letztlich auch zu Verteuerungen führen würden.

Seitens des Interessenverbands Gäubahn wurde eine Resolution vorbereitet und in der Folge auch einstimmig (!) ohne Enthaltungen beschlossen.

Im dritten Tagesordnungspunkt führte Herr Gerd Hickmann die Überlegungen des Landes aus. Zentraler Punkt ist dabei die Neigetechnik. Sie ist für das Land die Basis des geplanten Ausbaus. Er erinnerte an die Vereinbarung von Lugano (1996), an die erste Aufnahme der Gäubahn in den Bundesverkehrswegeplan (Kategorie internationale Projekte , 2003), dann an die Vorfinanzierungsvereinbarung Horb – Neckarhausen (2010) und an die jüngsten Gutachten zum konventionellen Betrieb oder zur Neigetechnik. Faktisch sei die Gäubahn seit 14 Jahren im Bundesverkehrswegeplan, jedoch habe sich noch nichts geändert. Das müssen und werden wir ändern.

Aus wirtschaftlicher Sicht sei die Gäubahn mit Neigetechnikzügen nicht zu betreiben, so die Position der DB, die das Land nachvollziehen könne. Andererseits sei eine Fahrzeitverkürzung um 20 Minuten zwischen Stuttgart und Zürich nur mit Neigetechnik zu erreichen, wobei dies vorallem im Abschnitt Stuttgart – Singen zu realisieren sei. Man benötige auch eine relevante Beschleunigung, um wieder in Konkurrenz zur A 81 zu treten, die es ja nun auch schon seit 40 Jahren gibt. Die DB hätte dem Land mehr oder weniger signalisiert, dass sie nicht mehr auf Neigetechnik auf der Gäubahn setze.

Das Land hätte lange Zeit auf die ETR 610 gesetzt, die vorhanden sind, die für Deutschland zugelassen sind. Die SBB haben 19 Fahrzeuge, die von ihren Strecken abgezogen werden, weil sie kapazitätsmäßig nicht mehr ausreichen und durch Doppelstockfahrzeuge ersetzt werden müssen. Die letzten Lieferungen von ETR 610 erfolgten in diesem Jahr. Andererseits habe die SBB dem Land signalisiert, dass sie auf der Gäubahn nicht auf Neigetechnik setzen werden. Rückendeckung hätte das Land hingegen vom Bundesamt für Verkehr in Bern. Dieses kann sich vorstellen, die neu zu erteilende Fernverkehrskonzession im Abschnitt Zürich – Schaffhausen an den Einsatz der Neigetechnik zu knüpfen.

Das Land hätte darüber nachgedacht, weshalb wohl sich die Bahnen so schwer tun auf der Gäubahn mit der Neigetechnik. München- Zürich wird aktuell ja vorbereitet für die ETR 610. Für die Gäubahn gäben die Bahnen keine Zusage. International sei aber die Gäubahn kein Auslaufprojekt. Die Analyse des Landes geht davon aus, dass ein Risiko besteht, dass sich keine Bahn finden wird, die Neigetechnikzüge betreiben. Aus diesem Grund tut sich der Bund schwer, den Ausbau der Gäubahn zu finanzieren, da dies ja nur Sinn macht, wenn auch Neigetechnik eingesetzt wird. (Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die DB genau darauf setzt, da sie das Interimskonzept eigentlich als endgültig anpreist).

Die Überlegung des Landes, so Hickmann, ist es nun, selbst Neigetechnik-Fahrzeuge für den Verkehr von Stuttgart nach Zürich zu beschaffen. Man habe ja schon für den Nah- und Regionalverkehr eine Fahrzeugbeschaffungsgesellschaft gegründet, die sehr erfolgreich arbeite. Wenn nämlich die Fahrzeuge gestellt würden, so wäre der Zugkilometerpreis entsprechend günstiger. Vorteil sei es, dass die Bahnen dann keine Eigenkapitalverzinsung ansetzen müssten und für das Land wäre diese Position auch nicht maßgeblich. Es würde also zwangsläufig dann günstiger. Fakt wäre aber auch, dass das Land dann ein Integrationskonzept auf der Basis Nahverkehr bestellen würde, weil es ja Fernverkehr gar nicht bestellen kann. Lustigerweise wäre dann der bestellte Nahverkehr nochmals 20 Minuten schneller als der heute eigenwirtschaftlich von der DB konzipierte Fernverkehr.
Landrat Hinterseh aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wollte wissen, ob rechtlich die DB-Fernverkehr verdrängt werden könne. MdB Gastl wollte von der DB eine klare Aussage zur Neigetechnik. Herr Hickmann antwortete, dass es neben wirtschaftlichen und technischen Fragen auch zu klären wäre, wie der konzessionierte Fernverkehr im schweizerischen Abschnitt mit dem bestellten schnellen Nahverkehr in Baden-Württemberg harmonieren kann.

Er stellte in der Folge das zweistündliche Konzept der bisherigen Ausbau-Konzeption vor, also mit alternativer Führung über Singen-Landesgartenschau oder dem Bau eines dritten Gleises zwischen Gärtringen und Herrenberg. Klare Position des Landes wäre es, wie auch von allen Kunden, am Knoten Singen festzuhalten, wenn irgendwie möglich.

Weil aber der zum 10.12.17 eingeführte Stundentakt des Interimskonzepts der DB mit der Anerkennung des Landes in der aktuellen Situation eine klare Verbesserung zum bisherigen Angebot darstellen würde, wolle man seitens des Landes nicht wieder auf einen 2-h-Takt zurückfallen. Man hätte deswegen eine neue Studie in Auftrag gegeben, die im kommenden Quartal fertig gestellt würde. Unterstellt wäre hier ein durchgängiger Stundentakt Stuttgart – Zürich mit Neigetechnik, wobei die Ankunft in Zürich im Halb-Stunden-Knoten liegen werde. Weiter soll ab 2026 (vorher erlaubt dies der Vertrag mit DB-Fernverkehr nicht) der Metropolexpress von Stuttgart nach Eutingen (Württ.) halbstündlich verkehren. In der einen halben Stunde soll er nach Freudenstadt und ggf. nach Nagold verkehren, in der anderen halben Stunde nach Rottweil (- Villingen). Die Bedienung Spaichingens würde auf den Ringzug übergehen, der in seiner Fahrlage grundsätzlich komplett angepasst werden müsste.
Grundsätzlich, so Hickmann, wolle das Land den Deutschlandtakt umsetzen, also die Ausweitung des Fernverkehrs in die Fläche vorantreiben. Das sei ein bundesweites Thema. Aber gemäß Bahnreform gäbe es entweder eigenwirtschaftlichen Fernverkehr oder bestellten Nahverkehr. Einen andern Weg gäbe es nicht.

Darauf kam der Bevollmächtigte des DB-Konzerns für Baden-Württemberg zu Wort, Herr Sven Hantel. Er erklärte, dass gerade in der vergangenen Woche die DB in Horb zwei neue Züge vorgestellt hätte und damit ein neues Angebotskonzept greifen würde für die nächsten 10 Jahre. Er sei überzeugt, dass dies bei den Kunden sehr gut ankommen werde. Man müsse die Fragen der Infrastruktur vom Verkehr trennen. Unterstützt wurde Hantel noch vom Fernverkehrsplaner Herrn Hetzel aus Frankfurt. Dieser verkündete als Neuigkeit, dass mit Eröffnung von S 21 vier IC-Zugpaare auf der Relation Zürich – Stuttgart – Frankfurt verkehren würden. Hantel verwahrte sich gegen das Schlechtreden des DB-Konzepts auf der Gäubahn. Man hätte nun ein für die vorhandene Infrastruktur passendes Fahrplankonzept, es wäre schnell, hätte passende Anschlüsse, viel Komfort, würde also den Kundenwünschen entsprechen.
Wenn aber politisch entschieden würde, dass Neigetechnik einzusetzen wäre, dann würde er sich sehr wohl als Auftragnehmer dieser Züge anbieten. (Hantel präsentierte sich so richtig als ein Vertreter des integrierten Konzerns: Wir bauen die Strecke für Neigetechnik aus, wenn der Bund uns dazu zwingt, (Infrastruktur), wir fahren das, wenn das Land uns beauftragt (Regio) aber wir machen unser Konzept auch eigenwirtschaftlich (DB-Fernverkehr mit dem jetzigen Integrationskonzept).

Für den Landesnaturschutzverband erklärte der Villinger Herman Krafft, dass man nicht nur Stuttgart – Zürich sehen dürfe. Auch die Verbindung Villingen – Zürich sei durch den Integrationsfahrplan 30 Minuten schlechter geworden, ebenso von Stuttgart nach Waldshut usw.

Herr Hickmann erläuterte noch, dass das Land offen sei, etwa was den Freudenstädter Zug betreffe. Hier könne man sich vorstellen, in Hochdorf eine Zugeinheit, die man aus Kapazitätsgründen zwischen Stuttgart und Herrenberg ohenhin benötige, nach Nagold zu flügeln. Und hinsichtlich der Finanzierung von Zugmaterial führte er aus, dass sich dies für das Land rechne und dadurch neue finanzielle Spielräume gewonnen würden. Das Land müsste keine Gewinnerwartung in Höhe von x % Verzinsung auf das Eigenkapital erzielen.

Abschließend erklärte der Vorsitzende des Gäubahn-Interessenverbands Guido Wolf, dass die Beschleunigung der Strecke Stuttgart – Zürich um ca. 20 Minuten das politische Ziel bleibe. Das Interimskonzept mit seinen vielen Halten sei nicht der politische Wunsch der Region. Es käme darauf an, wie vom Land dargestellt, eine gute Vernetzung der Strecke Stuttgart – Zürich mit den regionalen Produkten in Böblingen, Herrenberg, Eutingen, Horb, Rottweil, Tuttlingen und Singen vorzusehen.

Von den Mitgliedern wurde Minister Wolf gebeten, möglichst nicht erst in einem Jahr eine weitere Interessenverbands-Sitzung zu organisieren. Wolf meinte dazu, dass er gerne eine weitere Sitzung einschieben würde, aber nur dann, wenn sich etwas konkretes abzeichne.


Viele Grüße vom Vielfahrer
Zuletzt geändert von Vielfahrer am Mo 4. Dez 2017, 21:34, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Sitzung des Interessenverbands Gäubahn am Montag

Beitrag von Vielfahrer »

Nachfolgend noch die einstimmig angenommene Resolution der Verbandsversammlung des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn am 4.12.2017 in Stuttgart

Beschluss zum aktuellen Stand des Projekts S21:

Angesichts der bekannten Fakten und mit Blick auf mögliche Entwicklungen fordert der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn die am Projekt S 21-Beteiligten auf, alles zu unternehmen, damit die Führung der Gäubahnzüge über Flughafen und Messe zeitgleich oder zumindest sehr zeitnah mit der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs erfolgen kann und alles zu unterlassen, was dies gefährdet.

Der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn hat vor nunmehr über acht Jahren gemeinsam mit dem Land Planungen für den Ausbau der Gäubahn zur besseren Anbindung an den Verkehrsknoten Stuttgart vorfinanziert, damit dieser Ausbau schneller erfolgen kann. Deshalb ist es weder akzeptabel, noch den Anliegerkommunen vermittelbar, dass sich die Umsetzung dieses Projekts weiter verzögert.

Im Interesse der Fahrgäste auf der Gäubahn müssen die durch die S 21-Bauarbeiten entstehenden Beeinträchtigungen und Umsteigezwänge möglichst gering gehalten werden. Ein mehrjähriges Abhängen der Gäubahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof ist nicht hinnehmbar.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Tannenrainer
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Re: Sitzung des Interessenverbands Gäubahn am Montag

Beitrag von Tannenrainer »

Ups, was für ein ellenlanger und ausführlicher Bericht, Vielfahrer, vielen Dank dafür und Gruß an die wund getippten Fingerkuppen...

Tannenrainer
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Re: Sitzung des Interessenverbands Gäubahn am Montag

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Tannenrainer,

95 % davon habe ich im Zug auf der Rückfahrt zwischen Stuttgart Hbf und Tübingen Hbf erstellt, war also kein Problem. Ich könnte noch vieles weitere ergänzen, aber es sind schon jetzt viel zu viele Details, so dass man leicht den Überblick verlieren kann. Die kommenden Wochen und Monate werden weitere Aufklärung in der Sache bringen, ansonsten freu' ich mich erst mal auf die verbesserten Verbindungen auf der Gäubahn, die ich ab Januar dann wieder intensiv nutzen werde.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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