Informationsveranstaltung Gäubahn

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Informationsveranstaltung Gäubahn

Beitrag von Vielfahrer »

Heute findet im Justizministerium in Stuttgart die sog. Geberkonferenz des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, also eine Informationsveranstaltung für die Geldgeber der Vorfinanzierung der Planungskosten, statt. Erwartet werden im Verkehrsministerium in Berlin Staatssekretär Stefan Bilger und vom Land Baden-Württemberg dessen Abteilungsleiter Verkehr, Gerd Hickmann. Dementsprechend werden Erkenntnisse zum weiteren Ausbau der Gäubahn und zum Fahrplankonzept für die Zeit nach dem Interimsfahrplan erwartet. Eine Rolle dürfte auch die Unterbrechung der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen spielen, die für die Zeit ab Inbetriebnahme von S 21 bis zur endgültigen Führung der Gäubahn via Flughafenbahnhof wohl länger als die zunächst angenommenen 6 Monate dauern wird.

Viele Grüße vom Vielfahrer
Vielfahrer
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Re: Informationsveranstaltung Gäubahn

Beitrag von Vielfahrer »

Recht zügig konnte die heutige Sitzung des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodenseebahn in Stuttgart durchgezogen werden. Das lag zum einen daran, dass Staatssekretär Stefan Bilger aus dem Berliner Verkehrsministerium aus privaten Gründen kurzfristig verhindert war (er wurde heute Vater einer Tochter) und dass Dank einer straffen Sitzungsleitung des Verbandsvorsitzenden Justizminister Guido Wolf die Tagesordnung Punkt für Punkt abgehandelt werden konnte.

Die Auskunft war, dass in Kürze die Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn über den doppelspurigen Abschnitt Neckarhausen – Horb unterzeichnet werden soll. Die von der Region und vom Land vorfinanzierten Planungskosten haben letztlich dazu geführt, dass eine Planfeststellung erfolgen konnte, die Pläne also tauglich waren. Deshalb, so kann man etwas salopp formulieren, kauft die DB die bisherigen Planungen ab und setzt mit der Ausführungsplanung darauf auf.

Breiten Raum nahm der Vortrag von Herrn Gerd Hickmann, Abteilungsleiter Verkehr im Verkehrsministerium in Stuttgart, ein. Er blickte kurz zurück auf die Abläufe seit dem Vertrag von Lugano (1996) und formulierte die Zielsetzung, dass aus Sicht des Landes zukünftig ein schnelles Verkehrsangebot (Fahrzeit Stuttgart – Zürich in 2:37 h) im Stundentakt gefahren werden soll. Dazu wird Neigetechik benötigt, um die Kosten von über 1 Milliarde Euro für einen Streckenausbau für konventionelle Technik zu halbieren.

Er berichtete von einer Sitzung am 20. Juli diesen Jahres in Frankfurt, bei welcher der Bund, die Bahn und das Land sich ausgetauscht hätten. Die DB hätte dort noch einmal einen Vorstoß unternommen, für einen Streckenausbau ohne Neigetechnik einzutreten. Dazu hatte sie (DB Netz und DB Fernverkehr) Pläne vorgelegt, die mit Einsatz von 500 Mio. Euro zu insgesamt 6 Minuten Fahrzeitverkürzung führen würden, während man mit einer vergleichbaren Summe in die Infrastruktur mit Neigetechnikzügen zwischen 20 und 30 Minuten Fahrzeit einsparen könnte. Laut Hickmann wurde eine Entscheidung jedoch nicht getroffen, wenngleich die Stimmungslage schon so gewesen sein dürfte, dass 500 Mio. Euro für 6 Minuten nicht gerade als Brüller erachtet wurden.

Der Vorteil des Landeskonzepts liegt nicht nur in der Fahrzeit, sondern vor allem auch darin, dass mit 2:37 h Fahrzeit sowohl die Fernverkehrsanschlüsse in Stuttgart wie der Knoten in Zürich erreicht werden, also eine weitere Reisezeitverkürzung über längere Transportketten möglich sein wird. Auch würden andere Länder weiterhin Neigetechnikzüge einsetzen: Finnland (Pendolino), Großbritannien (Virgin Trains), Italien (Freccirargento), Japan (Shinkansen), Portugal (Alfa Pendular), Russland (Allegro), Schweden (X 2000), Schweiz (EuroCity), Spanien (Avant), Tschechien (SuperCity) und USA (Acela-Express).

Der Grund für die DB, dass sie die Neigetechnik ablehnt, liegt primär in der Kostensituation. Die Investition in die Züge ist erheblich höher, während der Streckenausbau vom Bund finanziert wird. Beim Neigezugkonzept des Landes will das Land aber die Fahrzeuge beschaffen. Es hat für die Beschaffung von Fahrzeugen für den Nahverkehr eine Organisationsform gefunden, die zu sehr günstigen Zinskonditionen Investitionen tätigen kann. Bislang wurden da nur Nahverkehrsfahrzeuge bestellt, denkbar wäre es, damit auch für den schnellen Verkehr von Stuttgart in die Schweiz neue Fahrzeuge zu finanzieren und die Kostenrechnung dadurch erheblich zu entlasten. Hickmann zählte eine Reihe weiterer Vorteile auf (z.B. werden bei einer Fahrzeit von 2:37 h weniger Fahrzeuge benötigt als bei einer Fahrzeit von 2:50 h), weil die Umlaufgeschwindigkeit höher wird. Außerdem sind die Trassenpreise für einen schnellen Regionalverkehr günstiger als für einen langsameren Fernverkehr usw.

Die Konzeption stieß auf allgemeine Zustimmung, auch seitens der Schweizer Partner, wie Rene Meyer betonte. Allerdings sieht der Kanton Schaffhausen an der Nahtstelle der Konzepte von Baden-Württemberg und der Schweiz durchaus noch das eine oder andere Problem, weil zwei unterschiedliche Ansätze (Zielkonzept 2025 BW, STEP 2035 Schweiz) aufeinanderprallen würden. Man werde sich aber damit befassen und Lösungen suchen. Meyers Frage galt auch den Planungen des Güterverkehrs und insbesondere der Singener Kurve für den Güterverkehr. Hickmann führte aus, dass die Kapazitätsprobleme der Gäubahn nicht im Abschnitt Schaffhausen – Herrenberg zu suchen wären sondern primär im Bereich zwischen Herrenberg und Böblingen, weil einerseits die S-Bahn zukünftig im 15 Minuten-Takt nach Herrenberg verkehren soll und andererseits 4 Personenverkehrstrassen pro Stunde (1 IC, 2 MEX und ein Zug Vaihingen – Horb) zwischen den S-Bahnen liegen. Der Güterverkehr sei für die Gäubahn sehr wichtig, weil nur durch ihn der Nutzen-Kosten-Faktor so positiv ausgefallen wäre. Den Abstimmungsbedarf mit der Schweiz möchte das Land gemeinsam angehen.

Wie es nach dem Interimsfahrplan (Ende 2025) bis zur Umsetzung des Neigezugfahrplans (später) weitergeht, ist Gegenstand von weiteren Untersuchungen. Das Land drängt auf einen verlässlichen Stundentakt, muss sich aber mit der vorhandenen Infrastruktur einstweilen begnügen.

Angesprochen wurde dann die Dauer der Unterbrechung der Direktverbindung von Stuttgart und Zürich. Bekanntlich wird die Panoramabahn etwa 6 Monate vor Inbetriebnahme von S 21, also etwa ab Mitte 2025, unterbrochen, um die S-Bahn im Bereich Mittnachtstraße bauen zu können. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch die Streckenführung über den Flughafen noch nicht fertig. Hickmann äußerte sich nicht zur Frage, wie lange die Unterbrechung dauern wird, 2 + x Jahre konnte man ihm bestenfalls entlocken. Man könne das aber jetzt einfach noch nicht verlässlich sagen.

Der Direktor des Verbands Region Stuttgart, Herr Bopp sprach die Digitalisierung des Knotens Stuttgart an. Er hofft, dass auf der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Stg.-Vaihingen ab 2025 die Züge gemäß ECTS verkehren können. Dies würde die Perspektive eröffnen, eine weitere S-Bahn (S4, S5 oder S6), also 4 Linien pro Viertelstunde, nach Stg.-Vaihingen verkehren zu lassen. Dann könnten die von den Gäubahn-Zügen kommenden Fahrgastmengen gut von der S-Bahn aufgenommen werden. Hickmann meinte, dass schon die heute verkehrenden 3 S-Bahnen (S1, S2 und S3) ausreichen müssten, da sie teilweise auch erst in Stuttgart-Vaihingen leer beginnen, während die S1 aus Herrenberg in der Regel schon sehr gut besetzt sei und dadurch die geringste Aufnahmekapazität hätte.

Herr Bopp erläuterte, dass der Verband Region Stuttgart sich sehr um eine Verkürzung der Bauzeiten zwischen Rohrer Kurve und Flughafen kümmere. Der Verband Region Stuttgart hätte Überlegungen angestellt, wie sich die Bauzeiten verkürzen ließen. Man sei da aber noch in intensiven Abstimmungsgesprächen. Es sei jetzt noch zu früh, sich hierzu öffentlich zu äußern, aber die Vorteile für die Gäubahn wären mit anderen Nachteilen abzuwägen.

Anschließend wurden die Finanzen des Interessensverbands gestreift. Und unter dem Tagesordnungspunkt Sonstiges wurde eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit angeregt, u.a. durch Zugehen auf Abgeordnete aus der Region.

Justizminister Wolf sieht die gewünschte verstärkte Öffentlichkeitsarbeit positiv, möchte jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus die Gäubahn aus der Parteipolitik heraushalten. Nach seinem Eindruck sei ein parteiübergreifender Konsens vorhanden, der nichts aufs Spiel gesetzt werden solle.

Dann ging es noch um die Umfahrungskurve Singen. Die politischen Entscheidungsträger in Singen hätten sich einstimmig gegen die Umfahrungskurve ausgesprochen und zwar sowohl für den Fernverkehr als auch für den Güterverkehr. Das mache die Angelegenheit nicht einfacher, weil der Nutzen des Güterverkehrs für den Ausbau der Gäubahn erheblich sei. Diesen gelte es zu vermehren. Im Grunde müsse man für den Güterverkehr via Singener Kurve Werbung machen und zu einem Meinungsumschwung kommen.

Viele Grüße vom Vielfahrer, auf dem Weg nach Berlin.
Markus_LoC
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Re: Informationsveranstaltung Gäubahn

Beitrag von Markus_LoC »

Hallo Vielfahrer,

vielen Dank ein weiteres Mal für die Berichterstattung!

Schön zu sehen, dass hier konstruktiv und beharrlich von vielen Beteiligten das Neigetechnik-Konzept gegen den Widerstand der DB weiter vorangetrieben wird, hoffentlich sieht man dann demnächst die Früchte dieser Arbeit wenn erstmals die Bagger zum Ausbau anrollen.

Gruß
Markus
Vielfahrer
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Re: Informationsveranstaltung Gäubahn

Beitrag von Vielfahrer »

Hallo Markus,
danke für das nicht notwendige Lob, aber ich möchte doch etwas Wasser in den Wein gießen. "Demnächst" gibt es eigentlich nicht. Bestenfalls werden wir 2020 den Ausbau der Strecke Horb - Neckarhausen erleben (mit vermutlich 6-monatigem SEV). Damit ist aber noch gar nichts gewonnen. Die Doppelspur im Raum Rottweil - Neufra ist ebenso wichtig, auch für den Ringzug und alle Analysen deuten darauf hin, dass weitere Investitionen im Raum Oberndorf (südlich wie nördlich vom Bahnhof Oberndorf) sinnvoll sind, während die Doppelspur Wurmlingen - Rietheim eher nicht notwendig ist. Habe mich heute auf der InnoTrans mit Vertretern des EBA unterhalten. Es ist einfach so, dass dem EBA genehmigungsfähige Unterlagen vorgelegt werden müssen, was einfach dauert, weil z.B. Vegtetationsperioden abzuwarten sind usw. Wenn dann, wie bei Horb - Neckarhausen erfolgt, die Planfeststellung durch ist und gerichtsfest ist, dann muss über einen Finanzierungsvertrag verhandelt werden. Erst wenn dieser steht, dann können Bauarbeiten ausgeschrieben werden, dann kann bezuschlagt und schließlich gebaut werden. So vergehen Monate um Monate, bis für sinnvoll erkannte Maßnahmen angegangen werden können. Aus diesem Grund hatte ich mich beim Land ja auch danach erkundigt, was für die Zeitspanne zwischen Ablauf des Interimsvertrags (Dez 2025) und Aufnahme des Neigezugverkehrs vorgesehen ist. Bitte also "demnächst" realistischerweise in Jahren und nicht in Monaten interpretieren! Allein die Unterzeichnung eines Finanzierungsvertrags für Horb - Neckarhausen könnte noch in diesem Jahr erfolgen, danach die Ausschreibungen und die Bezuschlagung und frühestens 2020 könnten die Gleise dann verlegt werden.

Viele Grüße vom Vielfahrer
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